EuGH zur Abgrenzung von Haupt- und Hilfsgeschäften im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 09.07.2015, C-331/14, Petar Kezić s.p. Trgovina Prizma

Praxisproblem

Nach Abschn. 2.7 Abs. 1 UStAE gehören zum Unternehmen sämtliche Betriebe oder berufliche Tätigkeiten desselben Unternehmers. Nach Abschn. 2.7 Abs. 2 UStAE fallen darunter nicht nur die Grundgeschäfte, die den eigentlichen Gegenstand der geschäftlichen Betätigung bilden, sondern auch die Hilfsgeschäfte in den Rahmen des Unternehmens. Zu den Hilfsgeschäften gehört jede Tätigkeit, die die Haupttätigkeit mit sich bringt. Auf die Nachhaltigkeit der Hilfsgeschäfte kommt es nicht an. Ein Verkauf von Vermögensgegenständen fällt somit ohne Rücksicht auf die Nachhaltigkeit in den Rahmen des Unternehmens, wenn der Gegenstand zum unternehmerischen Bereich des Veräußerers gehörte. Unter diesen Voraussetzungen ist bei der Frage, ob der Verkauf von Grundstücken unternehmerisch stattfindet, entscheidend, ob es sich um Grundstücke handelt, die zuvor im Rahmen des Unternehmens genutzt wurden.

Sachverhalt

Das slowenische Vorabentscheidungsersuchen betraf den Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmers nach Art. 2 Abs. 1 und 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie (seit 01.01.2007: Art. 2 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL).

Das vorlegende Gericht wollte wissen, ob eine als Unternehmer eingetragene Person, die privat Grundstücke erworben, darauf als Unternehmer ein Einkaufszentrum errichtet und anschließend verkauft hat, hinsichtlich des Verkaufs einzelner dieser Grundstücke schon deshalb nicht als Unternehmer anzusehen ist und insoweit keine Mehrwertsteuer anfällt, weil diese Grundstücke (anders als die übrigen Grundstücke) nicht als Sachanlagen des Unternehmens verbucht wurden.

Der Kläger erwarb von 1998 bis 2002 nicht als Unternehmer, sondern als Privatperson sieben Grundstücke. Zwei der Grundstücke erwarb er in den Jahren 1998 und 2000 von einer natürlichen Person, die übrigen fünf in den Jahren 2001 und 2002 von einer Handelsgesellschaft. Bei diesen Erwerbsvorgängen musste der Kläger keine Mehrwertsteuer entrichten. Zwischen 2001 und 2003 erhielt der Kläger die behördlichen Genehmigungen für den Bau eines Einkaufszentrums auf den sieben Grundstücken. Im Mai 2003 veranlasste er als Unternehmer den Beginn der Bauarbeiten. Im Juni 2003 wies der Kläger die fünf zuletzt gekauften Grundstücke unter Berücksichtigung des von einem Gerichtssachverständigen geschätzten Werts seinem Unternehmensvermögen zu. Die anderen beiden (streitigen) Grundstücke behielt er dagegen in seinem Privatvermögen. Der Kläger verkaufte das Einkaufszentrum und die sieben Grundstücke, auf denen es errichtet worden war, an zwei Handelsgesellschaften. Dabei verkaufte er zum einen als Unternehmer einen Teil des Einkaufszentrums und die fünf Grundstücke, auf denen dieser Teil errichtet worden war, wobei er den Käufern Mehrwertsteuer in Rechnung stellte, und zum anderen als Privatperson die streitigen zwei Grundstücke und den darauf errichteten anderen Teil des Einkaufszentrums, aber ohne Mehrwertsteuer zu berechnen.

Die Steuerbehörde, die der Ansicht war, dass der Verkauf der streitigen Grundstücke zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers als Unternehmer gehöre, setzte Mehrwertsteuer auf den Verkauf fest.

Entscheidung

Der EuGH hat – quasi als Tatsacheninstanz – entschieden, dass der Kläger auch die zwei streitigen Grundstücke als Unternehmer verkauft hat. Der EuGH bezieht sich insoweit im Wesentlichen auf sein Urteil v. 15.09.2011 in den verbundenen Rechtssachen C-180/10 und C-181/10, Slaby. Für den Verkauf eines Baugrundstücks hatte der Gerichtshof in dieser Entscheidung bereits klargestellt, dass ein maßgebliches Beurteilungskriterium für unternehmerisches Handeln darin besteht, dass der Betroffene aktive Schritte zur Vermarktung von Grund und Boden unternommen hat, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt: Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwSt-SystRL), wie insbesondere die Erschließung der Grundstücke oder die Durchführung bewährter Vermarktungsmaßnahmen. Derartige Initiativen erfolgten normalerweise nicht im Rahmen der Verwaltung von Privatvermögen, so dass der Verkauf eines zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks in einem solchen Fall nicht als bloße Ausübung des Eigentumsrechts durch seinen Inhaber angesehen werden könne.

Im vorliegenden Fall sprechen nach Ansicht des EuGH die Umstände, dass die sieben vom Kläger erworbenen Grundstücke in einem relativ kurzen Zeitraum von 1998 bis 2002 gekauft wurden, diese Grundstücke insgesamt eine notwendige Voraussetzung für den Bau eines Einkaufszentrums ab Mai 2003 waren und dass der Kläger für die Instandsetzung der streitigen Grundstücke Arbeiten i.H.v. mehr als 48.000 € durchführte, dafür, dass der Verkauf der streitigen Grundstücke nicht zur bloßen Ausübung des (privaten) Eigentumsrechts des Klägers gehörte, sondern tatsächlich Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als Unternehmer war.

Praxishinweis

In Deutschland greift bei Baugrundstücksverkäufen grundsätzlich die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG (auf der Grundlage von Art. 371 i.V.m. Anhang X Teil B Nr. 9 MwStSystRL).

Zudem ist nach deutscher Rechtslage in Fällen wie denen des Ausgangsverfahrens der Verkauf sämtlicher mit einem Gebäude bebauter Grundstücke der unternehmerischen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen zuzurechnen und es kommt es auf eine Verbuchung als Sachanlagen des Unternehmens nicht an. Zu dieser Einschätzung ist im Ergebnis auch der EuGH gelangt.

Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung hat der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ einen objektiven Charakter, da die Tätigkeit an sich, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, betrachtet wird. In dem Urteil v. 19.07.2012, C-263/11, Ainārs Rēdlihs, das den Verkauf von Holz aus einem Privatforst infolge eines Sturmschadens betraf, hatte der EuGH festgestellt, dass der Umstand, dass die Holzlieferungen nur zu dem Zweck erfolgten, die Auswirkungen eines Ereignisses höherer Gewalt abzumildern, unerheblich ist. Daher konnte es im vorliegenden Fall auch nicht entscheidend sein, ob die streitgegenständlichen Grundstücke als Sachanlagen des Unternehmens verbucht wurden. So ist es für das Recht auf Vorsteuerabzug auch unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige als solcher registriert ist (vgl. EuGH, Urt. v. 21.10.2010, C-385/09, Nidera Handelscompagnie BV sowie EuGH, Urt.  v. 09.07.2015, C-183/14, Radu Florin Salomie, Nicolae Vasile Oltean).