EuGH zur Abgrenzung von Lieferung und Leistung beim Leasing

Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 02.07.2015, C-209/14, NLB Leasing d.o.o.

Praxisproblem

Umsatzsteuerlich definiert sich das Leasing

  • als sonstige Leistung (Vermietung) oder
  • als Lieferung.

Ist der Leasing-Nehmer nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung berechtigt, wie ein Eigentümer über den Leasing-Gegenstand zu verfügen, ist die Übergabe des Leasing-Gegenstands durch den Leasing-Geber an den Leasing-Nehmer eine Lieferung. Hiervon kann i.d.R. ausgegangen werden, wenn der Leasing-Gegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasingnehmer zuzurechnen ist. Im Gegensatz zum Operating-Leasing liegen beim Finanzierungs-Leasing längerfristige Verträge vor. Diese werden über eine bestimmte Zeit abgeschlossen und können bei vertragsgemäßer Erfüllung von beiden Vertragsparteien nicht gekündigt werden (Grundmietzeit). Der Leasingnehmer deckt mit den in der Grundmietzeit zu entrichtenden Raten mindestens die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie alle Nebenkosten einschließlich der Finanzierungskosten des Leasinggebers ab. Die Grundmietzeit deckt meist einen erheblichen Teil der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasingobjekts ab. Typisch für diese Verträge ist auch, dass das Investitionsrisiko auf den Leasingnehmer abgewälzt wird. Ist bei diesen Verträgen von vornherein vereinbart, dass das Eigentum am Ende der Mietzeit auf den Leasingnehmer übergehen soll, kann von einem Mietkaufvertrag ausgegangen werden. Die geleisteten Mietzahlungen werden dabei auf den Kaufvertrag angerechnet.

Sachverhalt

Das slowenische Vorabentscheidungsersuchen betraf die Auslegung von Art. 14, 24 Abs. 1 und 90 Abs. 1 MwStSystRL im Fall von Leasinggeschäften. Es ging um die Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung sowie die Minderung der Bemessungsgrundlage bei teilweiser Nichtbezahlung der Leasingraten und beim Verkauf eines Leasinggegenstandes durch den Leasinggeber an einen Dritten.

Der Fall betraf einen Leasingvertrag über eine Immobilie im Rahmen eines „sale and lease-back“-Geschäfts. Nach dem Leasingvertrag hatte der Leasingnehmer eine Kaufoption. Da er bei Ablauf der als Finanzierungsleasing bezeichneten Verträge nicht alle fälligen Monatsraten bezahlt hatte, nahm der Leasinggeber die Immobilie (vertragsgemäß) wieder in Besitz und verkaufte sie an einen Dritten (mit Umsatzsteuer). In der Endabrechnung an den Leasingnehmer verrechnete der Leasinggeber den erzielten Kaufpreis mit den offenen Leasingraten und zahlte den erzielten Mehrbetrag aus dem Verkauf an den Leasingnehmer aus. Hinsichtlich des Zahlungsbetrages für die Kaufoption machte der Leasinggeber eine Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Rückgabe des Kaufgegenstandes geltend. Die Steuerbehörde lehnte dies ab, da es nicht zur Vertragsauflösung gekommen sei, sondern der Leasinggeber mit dem Verkauf des Leasinggegenstandes an einen Dritten lediglich die Befriedigung seiner Forderungen aus dem Leasingvertrag verfolgt habe.

Das vorlegende Gericht wollte zum einen wissen, ob der Leasinggeber zur Minderung der Bemessungsgrundlage wegen „Annullierung, … Rückgängigmachung, … Auflösung, … vollständige … oder teilweise … Nichtbezahlung“ i.S.v. Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL berechtigt war. Zum anderen fragte es, ob der im Leasingvertrag vereinbarte Betrag für die Kaufoption als Entgelt für eine Lieferung oder Dienstleistung oder als Entschädigung für die Rückgängigmachung des Vertrages anzusehen war, und ob der Neutralitätsgrundsatz dem entgegensteht.

Entscheidung

Der EuGH hat zunächst wiederholt, dass er im Rahmen von Art. 267 AEUV nicht befugt ist, die Normen des Unionsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, und hat dem Vorlagegericht nur Hinweise für dessen nationalrechtliche Entscheidung auf Basis des genauen Sachverhalts gegeben. Zur Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung bei Leasingverträgen verweist der EuGH auf sein Urteil v. 16.02.2012, C-118/11, EON Aset Menidjmunt, wie zwischen einem Operating-Leasingverhältnis und einem Finanzierungsleasing zu unterscheiden ist. Beim Finanzierungsleasing werden die mit dem rechtlichen Eigentum verbundenen Chancen und Risiken zum überwiegenden Teil auf den Leasingnehmer übertragen. Dass das Eigentum am Ende der Vertragslaufzeit übertragen werden soll oder die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem Verkehrswert des Gegenstands entspricht, sind Kriterien, die einzeln oder zusammen ermöglichen, festzustellen, ob ein Vertrag als Finanzierungsleasing eingestuft werden kann. Wenn ein Leasingvertrag über eine Immobilie vorsieht, dass das Eigentum an der Immobilie am Ende der Vertragslaufzeit auf den Leasingnehmer übertragen wird oder dass der Leasingnehmer über wesentliche Elemente des Eigentums an der Immobilie verfügt (insbesondere, dass die mit dem rechtlichen Eigentum an der Immobilie verbundenen Chancen und Risiken zum überwiegenden Teil auf ihn übertragen werden und die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem Verkehrswert des Gegenstands entspricht), ist der aus einem solchen Vertrag resultierende Umsatz mit dem Erwerb eines Investitionsguts (d.h. einer Lieferung) gleichzusetzen.

Zu der Frage, ob die Rückgabe einer geleasten Immobilie an den Leasinggeber als Annullierung, Rückgängigmachung, Auflösung, vollständige oder teilweise Nichtbezahlung oder Preisnachlass i.S.v. Art. 90 MwStSystRL gilt, führt der EuGH aus, dass nach dieser Vorschrift die Steuerbemessungsgrundlage und damit der Betrag der geschuldeten Mehrwertsteuer immer dann zu berichtigen ist, wenn der Unternehmer nach der Bewirkung eines Umsatzes die gesamte Gegenleistung oder einen Teil davon nicht erhält. Außer in den Fällen der Annullierung oder der Auflösung von Verträgen, in denen die Vertragsparteien in die Lage zurückversetzt werden, in der sie sich vor Vertragsschluss befunden haben, und der Steuerpflichtige seine Forderung nicht mehr besitzt, betrifft Art. 90 MwStSystRL nur die Fälle, in denen der Vertragspartner eine Forderung nicht oder nur teilweise erfüllt, die nach dem Vertrag gegen ihn besteht. Die Besteuerungsgrundlage kann somit (wie im Vorlagefall) nicht vermindert werden, wenn der Steuerpflichtige wie vertraglich vereinbart alle Zahlungen für die von ihm erbrachte Leistung tatsächlich erhalten hat oder wenn der Empfänger der Leistung, ohne dass der Vertrag aufgelöst oder annulliert worden wäre, dem Steuerpflichtigen den vereinbarten Preis nicht mehr schuldet.

Ob im Ausgangsverfahren eine Doppelbesteuerung in Übereinstimmung mit dem Neutralitätsgrundsatz stattfinden kann (weil zwei getrennte Leistungen vorliegen), weil der Leasinggeber die Mehrwertsteuer ein erstes Mal beim Abschluss eines Leasingvertrags, der eine Kaufoption umfasst, abführt und ein zweites Mal, wenn er den geleasten Gegenstand wegen Nichterfüllung der dem Leasingnehmer obliegenden Verpflichtungen an eine dritte Gesellschaft verkauft, muss das nationale Gericht nach den Umständen des Einzelfalls prüfen. Der Gerichtshof schließt nicht aus, dass es sich hier um eine einheitliche Leistung handelt, die nur einmal besteuert werden kann.

Praxishinweis

Die Vorlagefragen bezogen sich schwerpunktmäßig auf die Beweiswürdigung im Einzelfall, die nicht in die Zuständigkeit des EuGH fällt.

Zur Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung bei Leasingverträgen hatte der EuGH zuletzt in seinem Urteil v. 16.02.2012, C-118/11, EON Aset Menidjmunt Stellung genommen, in dem er auf seine bisherige Rechtsprechung und hinsichtlich der Beurteilung des konkreten Falles auf die Zuständigkeit des nationalen Gerichts verwiesen hatte. Zur Minderung der Bemessungsgrundlage hatte sich der EuGH zuletzt in seinem Urteil vom 15.05.2014 in der Rs. C-337/13, Almos Agrárkülkereskedelmi geäußert, auf das er jetzt wieder Bezug genommen hat.

Insgesamt ist der EuGH im vorliegenden Verfahren nicht über seine bisherige Rechtsprechung hinausgegangen.

Unter Leasing versteht man im Allgemeinen die Vermietung von beweglichen Gütern und Immobilien durch gewerbsmäßige Unternehmen. Der Leasinggeber überlässt dem Leasingnehmer gegen eine Leasingrate die Nutzung eines Wirtschaftsguts, ohne dass es bei Vertragserfüllung zwingend zur Übertragung des rechtlichen Eigentums kommt. Umsatzsteuerrechtlich stellen sich im Wesentlichen Abgrenzungsfragen, ob es sich bei der Nutzungsüberlassung tatsächlich um eine sonstige Leistung (Vermietung) oder aber um eine Lieferung handelt. Die Vertragsgestaltungen sollten daher die Abgrenzungskriterien beachten, die für ertragsteuerliche Zwecke festgelegt worden sind und die grundsätzlich auch für das Umsatzsteuerrecht übernommen werden.