Nur gelegentliches Tätigwerden als unternehmerische Tätigkeit

EuGH, Urt. v. 13.06.2013 - Rs. C-62/12 – Galin Kostov

Praxisproblem

Mehrwertsteuerpflichtig ist nur derjenige, der gem. § 2 Abs. 1 UStG als Unternehmer auftritt und Umsätze ausübt, die gem. § 1 Abs. 1 UStG steuerbar sind. Steuerbar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG sind dabei nur Leistungen des Unternehmers, die er entgeltlich im „Rahmen seines Unternehmens“ erbringt.

Im Unterschied zum deutschen Recht bestimmt das Unionsrecht dagegen, dass nur derjenige die Mehrwertsteuer schuldet, der als „Steuerpflichtiger als solcher“ handelt. Nach allgemeiner Auffassung sollen aber trotz der bestehenden Formulierungsdifferenzen das deutsche und das Unionsrecht inhaltlich übereinstimmen und damit die deutschen Bestimmungen richtlinienkonform interpretationsfähig sein.

Problematisch sind stets die Fälle, in denen der Unternehmer Leistungen ausführt, die nicht zu seiner hauptwirtschaftlichen Tätigkeit gehören. Das nationale Recht gibt hierfür mit der Tatbestandsvoraussetzung „Rahmen des Unternehmens“ den Rechtsrahmen vor. Nur diejenigen Tätigkeiten eines Unternehmers, die entweder im Rahmen eines Grundgeschäftes als Haupttätigkeit oder aber mindestens als „Hilfstätigkeit“ oder „Nebentätigkeit“ definiert werden können, sollen als steuerbare Handlungen Umsatzsteuer auslösen können. Grundgeschäfte eines Unternehmens sind dessen entgeltliche Tätigkeiten, die den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bilden. Hilfsgeschäfte sind Leistungen, die nicht Gegenstand des Unternehmens sind, sich aber üblicherweise aus dem Betrieb des Unternehmens ergeben. Nebengeschäfte sind Leistungen, die weder Grund- noch Hilfsgeschäfte darstellen, jedoch mit der Haupttätigkeit des Unternehmens in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Der EuGH musste in der Rechtssache Kostov zu der Frage Stellung nehmen, ob eine natürliche Person – vorliegend ein privater Gerichtsvollzieher – hinsichtlich einer nur gelegentlich und nicht im Zusammenhang mit seiner ansonsten steuerpflichtigen Tätigkeit als Gerichtsvollzieher stehenden Dienstleistung als Steuerpflichtiger anzusehen ist, der die Mehrwertsteuer aus dieser Dienstleistung schuldet.

Sachverhalt

Der Kläger, Herr Kostov, ist in Bulgarien als zur Umsatzsteuer registrierter privater Gerichtsvollzieher selbständig tätig. Aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit der Bon Marin AD verpflichtete sich der Kläger, als Beauftragter von Bon Marin AD zur Abgabe dreier Angebote im Rahmen einer Immobilienversteigerung. Für den Fall des Zuschlags sollte der Kläger das von ihm im eigenen Namen erworbene Eigentum an den Immobilien auf die Auftraggeberin übertragen, die die hierfür notwendigen finanziellen Mittel bereitstellte. Für die Besorgung dieses Geschäftes erhielt der Kläger eine Vergütung, zahlbar auch für den Fall, dass die Angebote nicht zum Zuschlag führten.

Im Streit ist die Besteuerung der erhaltenen Vergütung als Entgelt für eine steuerpflichtige Dienstleistung in Form der Geschäftsbesorgung.

Entscheidung

Der EuGH stellt zunächst ausdrücklich fest, dass er nicht zu entscheiden hatte, ob die vom Kläger erbrachte Leistung möglicherweise als Lieferung von Gegenständen im Rahmen eines Kommissionsgeschäftes gem. Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL zu bewerten gewesen wäre. Da das vorlegende Gericht die Leistung als Geschäftsbesorgungsleistung und damit als Dienstleistung eingestuft habe, sei der EuGH hieran gebunden.

Die Frage, ob der Kläger die Geschäftsbesorgung als „Steuerpflichtiger als solcher“ erbracht habe, obwohl sie nicht zu seiner üblichen Tätigkeit als Gerichtsvollzieher gehörte, beurteilt der EuGH aus der Abgrenzung von Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 MwStSystRL. Gem. Art. 12 Abs. 1 MwStSystRL können Personen auch dann als Steuerpflichtige behandelt werden, die nur gelegentlich eine Tätigkeit ausüben, sofern diese Tätigkeiten in der Lieferung von Gebäuden, Gebäudeteilen und dem dazu gehörenden Grund und Boden vor Erstbezug oder die Lieferung von Baugrundstücken besteht. Der EuGH legt allerdings Art. 12 Abs. 1 MwStSystRL dahingehend aus, dass er sich nur auf Personen bezieht, die nicht bereits für ihre wirtschaftliche Haupttätigkeit mehrwertsteuerpflichtig sind.

Den Umkehrschluss, wonach eine nur gelegentlich einen Umsatz bewirkende Person damit nicht als Steuerpflichtiger angesehen werden könne, lehnt er mit dem Hinweis auf eine einfache und möglichst allgemeine Erhebung der Mehrwertsteuer ab. Hieraus folgt für den EuGH, dass eine natürliche Person, die bereits für ihre Tätigkeit als selbständiger Gerichtsvollzieher mehrwertsteuerpflichtig ist, für jede weitere, gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit als Steuerpflichtiger anzusehen ist. Voraussetzung ist alleine, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine solche i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL handelt. Hieraus verbietet sich eine generelle Ausnahme der gelegentlichen Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen von der Mehrwertsteuerpflicht. Nur für den Fall, dass die in Rede stehende Tätigkeit der privaten Tätigkeit des Steuerpflichtigen zuzuordnen ist, oder im Rahmen der Verwaltung des Privatvermögens verrichtet wird, unterliegt diese Tätigkeit nicht der Mehrwertsteuer.

Praxishinweis

Die bislang in Deutschland praktizierte Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals „Rahmen des Unternehmens“ anhand der Begriffe „Grund-, Hilfs- und Nebengeschäft“ ist nicht länger unionstauglich. Die Ausführungen des EuGH machen deutlich, dass grundsätzlich alle Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen – unabhängig davon, ob nachhaltig oder nur gelegentlich erbracht – der Umsatzsteuer unterliegen. Voraussetzung ist alleine eine wirtschaftliche Tätigkeit, als eine Tätigkeit, die sich auf die Erzielung eines Gewinns richtet. Lediglich rein privat veranlasste Handlungen oder die Verwaltung von Privatvermögen fallen aus der Mehrwertsteuerpflicht heraus.