EugH zur Überwälzung von Abgaben und zur Weiterberechnung von Konzessionsabgaben

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 11.06.2015, C-256/14, Lisboagás GDL – Sociedade Distribuidora de Gás Natural de Lisboa SA

Praxisproblem

In Fällen der Überwälzung von Abgaben, die der leistende Unternehmer zu tragen hat, auf seine Kunden zusammen mit dem Preis, stellt sich regelmäßig die Frage, inwieweit solche Abgaben Teil der Bemessungsgrundlage des betreffenden Umsatzes sind.

Sachverhalt

Das portugiesische Vorabentscheidungsersuchen betraf die Auslegung von Art. 13 und 78 MwStSystRL. Das vorlegende Schiedsgericht wollte wissen, ob ein privater Gasversorger, der eine an die Gemeinde gezahlte Konzessionsabgabe an seine Kunden weiterberechnet, hierauf MwSt erheben muss.

Die Klägerin, ein privater Gasversorger, betreibt ein Erdgasverteilungsnetz. Für die Nutzung öffentlicher Liegenschaften zahlt sie eine Konzessionsabgabe an die betroffenen Gemeinden (Abgabe für die Belegung des Unterbodens, „TOS“). Bei den erhebenden Gemeinden wird die Abgabe als nicht der MwSt unterliegend behandelt, da von einer hoheitlichen Tätigkeit ausgegangen wird (Art. 13 MwStSystRL).

Die Klägerin wälzt die Abgabe auf ihre Kundin, eine Erdgasvertriebsgesellschaft um. Diese wiederum wälzt die Abgabe auf die Erdgasendverbraucher um.

Die Klägerin wandte sich gegen die Erhebung der MwSt auf die Weiterberechnung der Konzessionsabgabe. Die Umlegung habe keinen wirtschaftlichen Inhalt und stelle keine Leistung dar. Sie gehöre nicht zum Gegenwert für die Nutzung des Erdgasverteilungsnetzes durch die Vertriebsgesellschaft. Das vorlegende Schiedsgericht wollte wissen, ob die Erhebung von MwSt auf die Umwälzung der Konzessionsabgabe auf die Kunden dem EU-Recht zuwiderläuft.

Entscheidung

Der EuGH hat auf der Basis des folgenden Sachverhalts entschieden:

Die TOS wird von der Klägerin an die Gemeinde bezahlt, und zwar vor dem steuerbaren Umsatz zwischen der Klägerin und der mit dem Gasvertrieb an die Verbraucher betrauten Gesellschaft und unabhängig von diesem Umsatz, als Gegenleistung für die Nutzung des kommunalen öffentlichen Eigentums durch die dort vorhandenen, von der Klägerin betriebenen Gasnetzinfrastrukturen. Die Klägerin belastet den Betrag der TOS dann an die Gasvertriebsgesellschaft weiter, wenn sie dieser die Nutzung der Infrastrukturen für die Gasversorgung der Verbraucher in Rechnung stellt.

Hieraus folgert der EuGH, dass die TOS keinen Mehrwert darstellt und nicht die wirtschaftliche Gegenleistung für den Umsatz der Klägerin an die mit dem Gasvertrieb betraute Gesellschaft ist, sowie dass der Entstehungstatbestand der TOS nicht mit der Entstehung der MwSt zusammenfällt, so dass die TOS in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Umsatz steht. Daher fällt die TOS nicht unter die Abgaben, die nach Art. 78 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind.

Allerdings stellt die TOS nach dem Urteil insofern einen Teil der Bemessungsgrundlage (nach Art. 73 MwStSystRL) dar, als die Klägerin, indem sie den Betrag der TOS an die mit dem Gasvertrieb betraute Gesellschaft bei der Rechnungsstellung für die Nutzung der Infrastrukturen für die Gasversorgung der Kunden weitergibt, nicht die TOS als solche weitergibt, sondern den Preis der Nutzung des kommunalen öffentlichen Eigentums. Dieser Preis gehört zur Gesamtheit der von der Klägerin getragenen Kosten, die in den Preis ihrer Leistung einbezogen werden, der von der mit dem Gasvertrieb betrauten Gesellschaft zu zahlen ist. Dass der Betrag der TOS gemäß dem Konzessionsvertrag auf der von der Klägerin ausgestellten Rechnung und sodann in den Rechnungen, die von der mit dem Gasvertrieb beauftragten Gesellschaft den Kunden übersandt werden, getrennt ausgewiesen wird, ist insoweit ohne Bedeutung.

Daher stellt der Betrag der TOS nach Art. 73 MwStSystRL einen Bestandteil der Gegenleistung dar, die die Klägerin von der mit dem Gasvertrieb betrauten Gesellschaft für ihre Leistung erhalten hat, die unstreitig eine wirtschaftliche Leistung ist.

Die TOS kann nach dem Urteil auch nicht als durchlaufender Posten nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL von der Bemessungsgrundlage für die Leistung der Klägerin ausgenommen werden, da die TOS nicht als Erstattung der im Namen und für Rechnung der Gasvertriebsgesellschaft oder der Kunden verauslagten Beträge vereinnahmt wird, sondern als Gegenleistung für die von der Klägerin für die Erfordernisse ihrer Tätigkeit getragenen Kosten der Nutzung des kommunalen Eigentums.

Praxishinweis

Gemäß Art. 78 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL sind Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen. Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung ist Voraussetzung dafür, dass Abgaben i.S.v. Art. 78 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL dann zur Bemessungsgrundlage gehören, obwohl sie nicht die wirtschaftliche Gegenleistung für den betreffenden Umsatz darstellen, wenn sie unmittelbarem Zusammenhang mit dem Umsatz stehen, für den sie entrichtet werden (vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 05.12.2013, verb. Rs. C-618/11, C-637/11 und C-659/11, TVI).

Im vorliegenden Fall war Art. 78 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL nicht einschlägig, wohl aber unmittelbar Art. 73 MwStSystRL, weil die Abgabe im Preis der Leistung der Klägerin auf den Kunden abgewälzt wurde. Dies entspricht der Sichtweise des deutschen Umsatzsteuerrechts. Der Umfang des Entgelts beschränkt sich nicht auf die bürgerlich-rechtlich bestimmte oder bestimmbare Gegenleistung für eine Leistung, sondern erstreckt sich auf alles, was der Leistungsempfänger tatsächlich für die an ihn bewirkte Leistung aufwendet. Das Entgelt ist auch dann Bemessungsgrundlage, wenn es dem objektiven Wert der bewirkten Leistung nicht entspricht. Nicht zum Entgelt nach § 10 UStG gehören öffentlich-rechtliche Abgaben, die der Leistungsempfänger auf Grund eigener Verpflichtung schuldet, auch wenn sie durch die bezogenen Leistung veranlasst sind.