FG Münster zur umsatzsteuerlichen Behandlung von sale-and-lease-back Geschäften

Anmerkung zu: FG Münster, Urt. v.11.12.2014, 5 K 79/14 U; Frage der Abgrenzung zwischen entgeltlicher Lieferung und Vermietungsdienstleistung oder steuerfreier Kreditgewährung (Revision anhängig, BFH V R 12/15)

Praxisproblem

Bei einem sale-and-lease-back Geschäft liegt eine Vertragsgestaltung vor, bei der der Leasinggegenstand zunächst an den Leasinggeber verkauft (sale) und anschließend vom Leasinggeber an den Verkäufer und Leasingnehmer zurückverleast (lease back) wird (vgl. BFH, Urt. v. 09.02.2006, V R 22/03, BStBl. II 2006, 727). Hier stellt sich die Frage, ob aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht eine Lieferung und eine anschließende Vermietungsleistung vorliegt oder ob nicht der gesamte Vorgang als steuerfreie Kreditgewährung zu beurteilen ist, bei dem die Leasinggegenstände nur zur Sicherheit an den Leasinggeber übereignet werden. Sollte nach den vertraglichen Regelungen und der Interessenlage der Beteiligten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur eine steuerfreie Kreditgewährung vorliegen, wären etwaige Rechnungen über den Verkauf sowie über die Zurückvermietung der Leasinggegenstände falsch ausgestellt, wenn in diesen Umsatzsteuer ausgewiesen wird. Eine solche zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer wird vom Rechnungsaussteller geschuldet, der Empfänger kann diese jedoch nicht als Vorsteuer geltend machen. Bei unzutreffender Beurteilung eines sale-and-lease-back Geschäftes können daher erhebliche wirtschaftliche Schäden aufgrund von Vorsteuerrückforderungen und Zinszahlungen drohen.

Sachverhalt

Aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Kauf- und Leasingvertrags hat die Klägerin Informationssysteme zu einem Kaufpreis von 960.000 € zuzüglich Umsatzsteuer von der Firma X GmbH erworben und diese anschließend an die Firma X GmbH zu einer monatlichen Leasingrate von 23.500 € zuzüglich Umsatzsteuer zurück verleast.

Im Rahmen einer Rückkaufvereinbarung wurde geregelt, dass die Firma X GmbH auf Verlangen der Klägerin verpflichtet war, die Gegenstände nach Beendigung der Leasinglaufzeit wieder zurückzukaufen.

Das Finanzamt würdigte den Sachverhalt dahingehend, dass keine umsatzsteuerrechtliche Lieferung der Gegenstände von der Firma X GmbH an die Klägerin mit anschließender Vermietungsleistung erfolgte, sondern dass insgesamt nur eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. a) UStG steuerfreie Kreditgewährung durch die Klägerin an die Firma X GmbH vorliege. Die Umsatzsteuer aus der Rechnung aus dem Ankauf der Gegenstände wurde bei der Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug zugelassen. Zusätzlich schuldete die Klägerin die Umsatzsteuer aus ihren Rechnungen über die Leasingraten nach § 14c Abs. 1 UStG.

Entscheidung

Das FG Münster schließt sich der Auffassung des Finanzamtes an und hat die eingelegte Klage als unbegründet zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Gerichts wurden die Gegenstände – auch wenn sie zivilrechtlich übereignet worden sind – nicht nach § 3 Abs. 1 UStG im umsatzsteuerrechtlichen Sinn an die Klägerin geliefert, denn die tatsächliche Verfügungsmacht an den Leasinggegenständen wurde nicht auf die Klägerin übertragen. Dafür wäre es erforderlich gewesen, ihr Wert, Substanz und Ertrag an den Leasinggegenständen zuzuwenden. Die Klägerin hat jedoch nicht die Befähigung erlangt, rein tatsächlich über die Leasinggegenstände zu verfügen. Die umsatzsteuerrechtliche Verfügungsmacht ist nicht notwendigerweise mit dem zivilrechtlichen Eigentum verknüpft. Es kommt somit bei der Verschaffung der Verfügungsmacht weniger auf einen rechtlichen als eher auf einen tatsächlichen Vorgang an.

Anhand des Gesamtbildes der Verhältnisse des Einzelfalles ist zu entscheiden, ob bei einem Leasinggeschäft die Verfügungsmacht übertragen wird. Dabei sind die konkreten vertraglichen Vereinbarungen, deren tatsächliche Durchführung und die Interessenlage der Beteiligten zu berücksichtigen (vgl. BFH, Urt. v. 09.02.2006, V R 22/03, BStBl. II 2006, 727).

Nach Auffassung des FG Münster ist die tatsächliche Sachherrschaft an den Informationssystemen nicht auf die Klägerin übertragen worden, sondern bei der Firma X GmbH verblieben. Nur die Firma X GmbH konnte die Informationssysteme tatsächlich nutzen, so dass deren Substanz, Wert und Ertrag der Firma X GmbH zuzurechnen sind. Die Gegenstände wurden von der Firma X GmbH ausgesucht und befanden sich auch physisch von Anfang an bei ihr. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hatte die Klägerin lediglich ein Recht, die Informationssysteme zu besichtigen. Ein Interesse der Klägerin am Erhalt der Funktionstüchtigkeit der Informationssysteme war für das Gericht nicht feststellbar. Aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen trug die Firma X GmbH das verschuldensunabhängige Risiko eines vorzeitigen Verschleißes sowie die Gefahr des Untergangs, Verlustes oder Diebstahls. Das bedeutet, die Firma X GmbH hätte die Informationssysteme reparieren oder ersetzen müssen und hätte gleichzeitig auch die Leasingraten weiter zahlen müssen. Nach Auffassung des Finanzgerichts hatte die Klägerin, die zu keiner Zeit rein tatsächlich über die Informationssysteme verfügen konnte, auch gar kein Interesse an einer tatsächlichen Sachherrschaft über die Informationssysteme. Diese war stattdessen ausschließlich an der Erzielung eines finanziellen Überschusses interessiert. Vergleichbar mit den Interessen im Falle einer Sicherungsübereignung, bei der es erst mit der Verwertung des Sicherungsgutes zu einer umsatzsteuerrechtlichen Lieferung kommt, hat im vorliegenden Fall die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an den Leasingobjekten nur die Funktion, die Finanzierung der Informationssysteme abzusichern.

Das Finanzgericht kommt damit – wie zuvor das Finanzamt – zu der Schlussfolgerung, dass insgesamt keine Lieferung und anschließende Vermietungsleistung vorliegt, sondern dass lediglich eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. c) UStG steuerfreie Kreditgewährung seitens der Klägerin an die Firma X GmbH erfolgt ist. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin die Vorsteuer aus der Rechnung aus dem Ankauf der Leasinggegenstände nicht abziehen kann und dass sie darüber hinaus die in den Rechnungen über die Leasingraten ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG schuldet.

Praxishinweis

Das Niedersächsische Finanzgericht (Urt. v. 03.07.2013, 4 K 188/11, EFG 2013, 1724; Revision anhängig beim BFH unter Az. IV R 33/13) sowie das Finanzgericht Münster (Urt. v. 22.01.2013, 5 K 1251/11 U; EFG 2014, 679) hatten in ihren Entscheidungen bei der Frage, ob bei einem sale-and-lease-back Geschäft eine Lieferung i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG vorliegt bzw. wem das wirtschaftliche Eigentum an den Leasingobjekten zuzurechnen ist, bereits auf die Verschaffung der tatsächlichen Sachherrschaft abgestellt. Diesem Gedanken bleibt das FG Münster in seinem aktuellen Urteil treu.

Für die Beantwortung der Frage nach der tatsächlichen Sachherrschaft ist auf die vertraglichen Vereinbarungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Interessenlage der Beteiligten abzustellen. Das FG Münster gibt dabei im Urteilsfall Kriterien vor (z.B. Gefahrtragung bei Verlust, Diebstahl oder Untergang, Interesse am Erhalt der Funktionsfähigkeit, Möglichkeit der Einwirkung auf das Wirtschafsgut, etc.) anhand derer zu prüfen ist, ob bei einem sale-and-lease-back Geschäft dem Leasinggeber wirklich eine tatsächlichen Zugriffsmacht an dem Gegenstand verschafft wird oder ob er nicht bloß ein Finanzierungsgeschäft tätigen möchte.

Nach Abschn. 3.5 Abs. 7 Satz 4 UStAE ist es schon bisherige Praxis, ein sale-and-lease-back Geschäft nur als Kreditgeschäft zu beurteilen, wenn das zivilrechtliche Eigentum nach Ablauf der Leasinglaufzeit wieder auf den Nutzenden zurückfällt oder der Überlassende zur Rückübertragung verpflichtet ist. Nach dem Urteil des FG Münster ist eine solche Rückübertragungsklausel jedoch nicht zwingend erforderlich, um eine Lieferung im Falle des sale-and-lease-back auszuschließen.

Bei Erkennen eines Finanzierungsgeschäftes könnte der Leasinggeber per Option und unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerfreiheit seiner Kreditgewährung verzichten, um sich den Vorsteuerabzug aus Rechnungen zu sichern. Bei Nichterkennen des Finanzierungsgeschäftes bleiben hingegen die Probleme und Risiken aus Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis für den Verkauf und die Vermietung der Leasingobjekte bestehen.

Es bleibt die Empfehlung, dass betroffene Unternehmen die noch ausstehenden BFH-Entscheidungen zu den o.g. Urteilen und die weitere Entwicklung zur Frage der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums bzw. zur umsatzsteuerrechtlichen Verfügungsmacht bei sale-and-lease-back Geschäften aufmerksam beobachten.