BMF legt Kriterien für organisatorische Eingliederung bei der Organschaft fest

Neues aus Berlin

BMF, Schr. v. 7.3.2013, IV D 3 – S 7105/11/10001; DOK 2013/0212861

Der BFH hat durch eine Reihe neuerer Urteile (vgl. BFH, Urt. v. 7.11.2011 – V R 53/10) die Eingliederungsmerkmale für eine Organschaft gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG neu beurteilt. Insbesondere die organisatorische Eingliederung kann nicht mehr aus der aktienrechtlichen Vermutung – wer finanziell die Mehrheit hat, dominiert auch den Willen in der Beteiligungsgesellschaft, vgl. § 17 AktG – abgeleitet werden. Der BMF hat nunmehr nach über einjähriger Beratungszeit die Bestimmungen im UStAE (Abschn. 2.8 Abs. 8 bis 11) angepasst. Im Einzelnen soll gelten:

  1. Die organisatorische Eingliederung liegt stets bei personeller Verflechtung in der Geschäftsführung zwischen Organträger und Organgesellschaft vor.
  2. Eine personelle Verflechtung liegt dann vor, wenn:
    1. Personenidentität in den Leitungsgremien beider Gesellschaften vorliegt;
    2. nur einzelne Geschäftsführer des Organträgers auch Geschäftsführer der Organgesellschaft sind und die Ausgestaltung der Geschäftsführungsbefugnis in der Organgesellschaft den Schluss zulässt, dass der Organträger seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann.
    1. Auch ohne personelle Verflechtung kann eine organisatorische Eingliederung vorliegen, wenn ein leitender Mitarbeiter des Organträgers die Geschäfte bei der Organgesellschaft führt; der leitende Mitarbeiter darf bei der Organgesellschaft nicht nur Prokurist sein.
    2. Schließlich kann in Ausnahmefällen eine institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft die organisatorische Eingliederung begründen. Hiervon kann regelmäßig bei abgeschlossenem Beherrschungsvertrag gem. § 291 AktG oder Eingliederung gem. §§ 319, 320 AktG ausgegangen werden.

Da die personelle Verflechtung nach wie vor die stärkste Form der organisatorischen Eingliederung beschreibt, setzt sich das BMF-Schr. besonders intensiv mit Fallgestaltungen auseinander, in denen mehrere Geschäftsführer bei der Organgesellschaft aktiv sind und nicht alle dieser Geschäftsführer auch gleichzeitig im Leitungsgremium des Organträgers vertreten sind (siehe oben 2b). Letztlich hängt die zutreffende Beurteilung der organisatorischen Eingliederung in diesen Fällen davon ab, ob der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organgesellschaft – wenn auch über eine Beteiligungskette - verfügt. Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

  • Gesamtgeschäftsführungsbefugnis und Entscheidungen per Mehrheitsbeschluss in der Organgesellschaft: personenidentische Geschäftsführer verfügen über Stimmenmehrheit = organisatorische Eingliederung gegeben.
  • Gesamtgeschäftsführungsbefugnis und Entscheidungen per Mehrheitsbeschluss in der Organgesellschaft: personenidentische Geschäftsführer verfügen aber nicht über Stimmenmehrheit = organisatorische Eingliederung nur, wenn zusätzlich institutionelle Absicherung der Durchsetzung der Willensbildung des Organträgers.
  • Einzelgeschäftsführungsbefugnis auch der fremden Geschäftsführer = organisatorische Eingliederung nur, wenn zusätzlich institutionelle Absicherung der Durchsetzung der Willensbildung des Organträgers.

Eine institutionell abgesicherte Eingriffsmöglichkeit liegt dann vor, wenn:

  • Ein Geschäftsführer die notwendige Personenidentität aufweist und der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organgesellschaft verfügt;
  • Der einzelgeschäftsführungsbefugte fremde Geschäftsführer bei Meinungsverschiedenheiten der Willensbildung des personenidentischen Geschäftsführers unterliegt und aus Gründen des Nachweises und der Haftung hierüber ein schriftlich vereinbartes Letztentscheidungsrecht (z.B. in Form einer Geschäftsführerordnung, einer Konzernrichtlinie) vorliegt.

Ausdrücklich klargestellt wird indes, dass nicht ausreichend ist:

  • Eine vertragliche Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung über die Geschäftsführung;
  • Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung;
  • Zustimmungserfordernisse bei außergewöhnlichen Geschäften;
  • Das bloße Recht zur Abberufung von Geschäftsführern ohne weitergehende personelle Verflechtungen über das Geschäftsführungsorgan;
  • Die Zusicherung „umfassender Beherrschungsmöglichkeiten“ zugunsten des Mehrheitsgesellschafters.

Die neuen Anweisungen der Verwaltung gelten grundsätzlich in allen noch offenen Fällen. Allerdings wird nicht beanstandet, wenn ein vermeintlicher Organkreis unter Berufung auf die bis zum 31.12.2012 geltende Fassung in Abschn. 2.8 Abs. 7 UStAE von einer organisatorischen Eingliederung ausgeht. Dessen Umsätze können bis zum 31.12.2013 weiterhin als nicht steuerbare Umsätze gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG behandelt werden. Umsätze dieses Gebildes, nach dem 31.12.2013 ausgeführt, beurteilen sich nach der neuen Anweisung, verlangen also eine Beurteilung als Organschaft nach dem neuen Abschn. 2.8 Abs. 8 bis 11 UStAE und können dann eventuell steuerbar sein.

Praxishinweis

Die Organschaft bietet nach wie vor viele Gestaltungsmöglichkeiten in der Umsatzsteuer. Wenn eine Organschaft gewollt ist, müssen sich die Beteiligten aber über die Konsequenzen einer fehlerhaften Bewertung im Klaren sein. Sollte eine Organschaft gewünscht sein, liegen aber die Eingliederungsvoraussetzungen aus Sicht der Finanzverwaltung nicht vor, schuldet der im vermeintlichen Organkreis Handelnde die Umsatzsteuer rückwirkend auf den Zeitpunkt der Leistungsausführung. Die Verzinsung gem. § 233a AO wäre unausweichlich. Der Leistungsempfänger erhält nach immer noch h.M. den Vorsteuerabzug erst im Zeitpunkt des Rechnungszugangs, eine Rückwirkung der Rechnung ist unzulässig. Es empfiehlt sich daher, im Vorfeld die Eingliederungsvoraussetzungen sehr sorgfältig zu prüfen, notfalls eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt zu beantragen.