Kapitalvermögen eines Altersversorgungssystems kein steuerbefreites „Sondervermögen“

EuGH, Urt. v. 7.3.2013 – Rs. C-424/11 – Wheels Common Investment Fund Trustees Ltd. u.a.

Praxisproblem

Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreit als Umsatz die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definiertem Sondervermögen. Damit räumt das Unionsrecht den Mitgliedstaaten das Recht ein, den Begriff „Sondervermögen“ selbst definieren zu können. Wenngleich damit eine weitgehende Freiheit in der Definition verbunden ist, muss das jeweilige Mitgliedsland aber dennoch die mit der Steuerbefreiung verfolgten Ziele und den Grundsatz der Neutralität beachten. Vom Ziel her soll durch die Steuerbefreiung erreicht werden, einem Anleger die steuerneutrale Wahl zwischen einer Anlage in Wertpapieren und über Organismen für Anlagen zu ermöglichen. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verlangt, dass gleichartige und infolgedessen in Wettbewerb stehende Umsätze nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen.

Im vorliegenden Streitfall ging es um die Frage, ob das Kapitalvermögen eines Altersversorgungssystems und der Investmentfonds, in dem es zusammengeführt ist, die Merkmale aufweist, die ein „Sondervermögen“ iSv Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL voraussetzt. Als Sondervermögen kommen danach Fonds in Betracht, die Organsimen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren iSd OGAW-Richtlinie (Richtlinie 85/611 EWG v. 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) in der Fassung von RL 2001/108/EG v. 21.1.2002) sind. Sie verfolgen insoweit das auch durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL Ziel, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung in Wertpapieren anzulegen. Sondervermögen sind aber auch Fonds, die dieselben Merkmale wie die Organismen für gemeinsame Anlagen iSd OGAW-Richtlinie darstellen, also dieselben Umsätze tätigen, denen zumindest ähnlich sind und damit in Wettbewerb mit diesen stehen. Maßgebliches Vergleichskriterium ist aber nach Auffassung des EuGH das von der Verwaltung ausgehende Risiko.

Sachverhalt

Die Wheels Common Investment Fonds Trustees Ltd. (im Folgenden Wheels) ist Treuhänderin eines Fonds, in dem das Kapitalvermögen betrieblicher Altersversorgungssysteme, die die Ford Motor Company geschaffen hat, zu Anlagezwecken zusammengeführt wird. Jedes dieser Systeme zahlt einer Kategorie ehemaliger Arbeitnehmer Renten, die auf der Grundlage des letzten Gehalts der Mitglieder und ihrer Beschäftigungsdauer in dem Unternehmen berechnet werden. Der Arbeitgeber beteiligt sich ebenfalls mit Beiträgen in Höhe eines Betrages zum Ausgleich der Finanzierung der restlichen Kosten der Rentenleistungen. Wheels nahm Fondsverwaltungsdienstleistungen durch die Capital International Limited in Anspruch. Im Streit war die Steuerpflicht dieser Umsätze gegenüber Wheels.

Entscheidung

Der EuGH hat das Kapitalvermögen eines Altersversorgungssystems und den Investmentfonds, in dem es zusammengeführt wird, nicht als Sondervermögen gem. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL definiert. Maßgebend hierfür waren die Besonderheiten des angestrebten Systems, in dem die Mitglieder insbesondere nicht die Risiken der Verwaltung des Investmentfonds – anders als die privaten Anleger, die ihr Vermögen in einem Organismus für gemeinsame Anlagen anlegen – tragen. Der EuGH stellte hierfür auch darauf ab, dass die Rente eines Mitglieds des Altersversorgungssystems in keiner Weise vom Wert des Kapitalvermögens des Systems und den Ergebnissen der von den Verwaltern des Systems getätigten Anlagen, sondern durch die Dauer seiner Beschäftigung bei dem Arbeitgeber und der Höhe seines Gehaltes abhängt.