Kosten für Strafverteidigung nicht als Vorsteuer abziehbar

EuGH aktuell

EuGH, Urt. v. 21.2.2013 – Rs. C-104/12 – Wolfram Becker

Praxisproblem

Die deutschen Regeln zum Vorsteuerabzug finden sich in § 15 UStG und setzen eine dreistufige Prüfung voraus. Auf Stufe 1 ist zu prüfen, ob die den Vorsteuerabzug auslösende Eingangsleistung für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt worden ist, § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Liegt ein solcher Leistungsbezug für das Unternehmen verlangt die Prüfung auf Stufe 2 die Verwendung dieser Eingangsleistung für Ausgangsumsätze, die ihrerseits grundsätzlich steuerpflichtig sind, § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Für den Fall, dass die Eingangsleistung sowohl für steuerpflichtige als auch für steuerfreie Ausgangsumsätze verwendet wird, ist der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen (3. Prüfungsstufe).

Im Unterschied hierzu sieht Art. 168 MwStSystRL für den Vorsteuerabzug lediglich vor, dass die Eingangsleistung „für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden“. In Interpretation dieser vom deutschen Recht abweichenden Normierung des Vorsteuerabzugsrechts hat der EuGH – ohne Unterscheidung der Prüfungsstufen 1, 2 und 3 – den Vorsteuerabzug davon abhängig gemacht, dass zwischen der Eingangsleistung und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die für die Eingangsleistung getätigten Aufwendungen müssen zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden, Ausgangsumsätze gehören. Ausnahmsweise darf auch ohne direkten und unmittelbaren Zusammenhang der Vorsteuerabzug aus der Eingangsleistung in Anspruch genommen werden, wenn die Kosten der Eingangsleistung zu den allgemeinen Aufwendungen gehören und als solche Bestandteil des Preises der vom Unternehmer gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind.

Für den vorlegenden BHF war in diesem Zusammenhang noch unklar, ob die Feststellung des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs rein objektiv zu bestimmen sei oder ob auch hierfür der Entstehungsgrund der bezogenen Leistung maßgeblich mit heranzuziehen ist.

Konkret ging es um die Frage, ob die vom Geschäftsführer einer GmbH ausgelösten Strafverteidigerkosten zum Vorsteuerabzug berechtigen, die dieser zu tragen hatte, weil er im Interesse seiner Gesellschaft mit dem Vorwurf der Bestechung konfrontiert war. Abzuwägen war auf der einen Seite der objektive Inhalt der durch die Strafverteidigungskosten ausgelösten Kosten. Dieser objektive Inhalt diente direkt und unmittelbar alleine dem Schutz der privaten Interessen des Geschäftsführers, nicht strafrechtlich belangt zu werden. Auf der anderen Seite diente das den strafrechtliche Vorwurf auslösende Verhalten des Geschäftsführers wirtschaftlich dem Unternehmen. Die Strafverteidigung wäre nicht erbracht worden, wenn der Geschäftsführer keine zu einem Umsatz führende und damit steuerpflichtige Tätigkeit ausgeübt hätte. Nach dem Entstehungsgrund der Kosten läge ein Vorsteuerabzugsrecht vor.

Sachverhalt

Der Kläger, Herr Becker, war Einzelunternehmer, Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH, die steuerpflichtige Bauleistungen erbrachte. Zwischen dem Kläger und der A-GmbH lag eine Organschaft vor, bei der der Kläger als Organträger fungierte. Nachdem die A-GmbH einen Bauauftrag erhalten und steuerpflichtig ausgeführt hatte, eröffnete die zuständige Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger (und den weiteren Geschäftsführer der A-GmbH, den Prokuristen P). Es bestand der Verdacht, die A-GmbH habe vor der Vergabe des Bauauftrags vertrauliche Informationen über die vom konkurrierenden Unternehmen abgegebenen Angebote erhalten und deshalb das günstigste Angebot abgeben können. In dem Ermittlungsverfahren, das gegen Zahlung einer Geldstrafe eingestellt wurde, wurde der Kläger durch einen Rechtsanwalt vertreten. Mandanten des Rechtsanwalts waren zum einen der Kläger als Beschuldigter und die A-GmbH, die alleine die Honorarvereinbarung – vertreten durch die Geschäftsführer – unterschrieben hatte. Im Streit war der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Rechtsanwalts, adressiert an die A-GmbH, der von dem Kläger als Organträger der A-GmbH vorgenommen wurde.

Entscheidung

Der EuGH war vorliegend der Auffassung, dass alleine der objektive Inhalt der fraglichen Eingangsleistung zu berücksichtigen sei. Ist objektiv der Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz nicht direkt und unmittelbar, kann auch über den Entstehungsgrund alleine der Vorsteuerabzug nicht gerechtfertigt werden. Der Entstehungsgrund kann den mangelnden objektiven Inhalt nicht heilen. Lediglich umgekehrt ist das Abstellen auf den Entstehungsgrund in der Lage, den eigentlich objektiven Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz wieder zu negieren. In der vom BFH zitierten Entscheidung Investrand (EuGH, Urt. v. 8.2.2007 – Rs. C-435/05 - Investrand BV) hatte der EuGH festgestellt, dass die für den Vorsteuerabzug fraglichen Ausgaben vom Steuerpflichtigen auch dann getätigt worden wären, wenn er keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hätte. Damit versagte er den direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung, obwohl objektiv die Eingangsleistung mit einer steuerpflichtigen Ausgangstätigkeit hätte verknüpft werden können. Im vorliegenden Fall lehnte er aber bereits, unter Berücksichtigung des objektiven Inhalts den direkten und unmittelbaren Zusammenhang ab.

Praxishinweis

Obwohl die Vorlagefragen des BFH einen atypischen Spezialfall betreffen, der als Einzelfall vom BFH selbst hätte entschieden werden müssen, zeigt das mögliche Argumentationsspektrum die in der Praxis schwierige und kaum befriedigend zu lösende Problematik auf, ob und inwieweit die Eingangsleistung den Vorsteuerabzug auslösen kann. Die mangelnde Konformität zwischen deutschem und Unions-Recht dient weiter dazu, dass jede Entscheidung letztlich eine Einzelfallentscheidung bleiben muss.