Steuerfreiheit für die Verwaltung von Sondervermögen bei ausgelagerter Verwaltungstätigkeit

EuGH, Urt. v. 7.3.2013 – Rs. C-275/11 – GfBk Gesellschaft für Börsenkommunikation mbH

Praxisproblem

Finanzdienstleistungen können die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 8 UStG (Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g MwStSystRL) auslösen. § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG setzt die Unionsvorgabe aus Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL um. Danach ist die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierte Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften steuerfrei. Im Streit war im vorliegenden Fall die auf einen Dritten ausgelagerte Beratungsleistung gegenüber einer Gesellschaft, die einen Publikumsfonds als Sondervermögen verwaltete. Der EuGH ist von folgenden bereits entschiedenen Vorgaben ausgegangen:

  • Unstreitig ist eine ausgelagerte Verwaltertätigkeit steuerfrei iSd Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, sofern die Tätigkeit des Verwalters eine Verwaltungsdienstleistung darstellt.
  • Eine Verwaltungsdienstleistung muss eine im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagevermögen spezifisch und wesentlich sein.
  • Nicht ausschlaggebend für die Qualifizierung der Tätigkeit als begünstigte Verwaltertätigkeit ist, dass mit der erbrachten Beratungs- und Informationsleistung keine Änderung der rechtlichen und finanziellen Lage des Fonds bewirkt wird.
  • Die Steuerbefreiung schließt grundsätzlich nicht die Aufteilung der Verwaltung in verschiedene Dienstleistungen aus.
  • Die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. g normierte Steuerbefreiung dient dem Schurz der Kleinanleger, denen die Anlage in Wertpapieren über Organismen für gemeinsame Anlage durch Wegfall der Mehrwertsteuerkosten erleichtert werden soll. Letztlich  soll damit eine Gleichbehandlung zu der steuerfreien unmittelbaren Anlage in Wertpapieren (Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL)hergestellt werden.
  • Schließlich verlange der Grundsatz der Neutralität, dass eine Kapitalanlagegesellschaft mit eigenem Anlageberater nicht besser gestellt werden dürfe als eine solche Gesellschaft, die ohne eigenen Anlageberater die Verwaltertätigkeit auslagern muss.

Sachverhalt

GfBk ist ein Unternehmen zur Vorbereitung von Börseninformationen und Börsenempfehlungen, der Beratung bei der Anlage von Finanzinstrumenten und dem Vertrieb von Kapitalanlagen. Ende 1999 schloss sie mit der KAG, die einen Publikumsfonds als Sondervermögen nach dem KAG verwaltete, einen Vertrag. Hierin verpflichtete sich die GfBk, die KAG bei der Verwaltung des Fondsvermögens zu beraten, ihr unter ständiger Beobachtung des Fondsvermögens Empfehlungen für den Kauf und Verkauf von Vermögensgegenständen zu erteilen und hierbei den Grundsatz der Risikomischung der gesetzlichen Anlagenbeschränkung sowie der Anlagebedingungen zu beachten. Im Rahmen dieses Vertrages übermittelte die GfBk in den Jahren 1999 bis 2002 Empfehlungen zum Ankauf- und Verkauf von Wertpapieren per Telefon, Telefax oder E-Mail an die KAG.Auch wenn die KAG keine eigene Auswahl bei der Verwaltung des Anlagevermögens traf, so verblieb ihr dennoch die Letztentscheidung und Letztverantwortung.

Während die GfBk die ihr für die Beratung zufließenden Vergütungen nicht der Umsatzsteuer unterwarf, sah die Finanzbehörde keinen Raum für eine Steuerbefreiung.

Entscheidung

Der EuGH bejahte die Steuerbefreiung gem. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStsystRL trotz der Auslagerung der Verwaltertätigkeit auf die GfBk. Die Art der erbrachten Dienstleistung seitens der GfBk weise eine enge Verbindung zu der spezifischen Tätigkeit der KAG auf, deren Tätigkeit darin bestanden habe, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung Wertpapiere anzulegen. Insbesondere mögliche Besonderheiten aus der RL 85/611 ( idF der RL 2001/107/EG v. 21.-1.2002 – zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren – OGAW) beeinflussen die rechtliche Bewertung anhand der Vorgaben aus Art. 135 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL nicht.

Praxishinweis

Die vorstehende Entscheidung ging unstreitig vom Vorliegen eines „Sondervermögens“ aus, das die KAG verwaltete. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein verwaltetes Vermögen „Sondervermögen“ sein kann, musste der EuGH mangels Vorlagefrage nicht beantworten. Diese Frage stellte sich erst in der Entscheidung in Sachen Wheels vom gleichen Tage (siehe nachfolgend).