Vorsteuerabzug und unentgeltliche Wertabgabe bei der Erzeugung und Lieferung von Strom und Wärme durch den Betreiber eines Blockheizkraftwerks

BFH Aktuell BFH,

Urt. v. 12.12.2012, XI R 3/10

Praxisproblem

Die Betreiber von Solarbetriebenen Dachmodulen oder Blockheizkraftwerken (sog. Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen) nutzen den erzeugten Strom und die erzeugte Wärme teilweise selbst, teilweise speisen sie den erzeugten Strom – gegen eine staatlich garantierte Vergütung – in das öffentliche Netz ein. Umsatzsteuerlich werden sie bislang mit dem Betreiben der Voltaikanlage bzw. dem Blockheizkraftwerk als Unternehmer behandelt, der aus den Anschaffungs-/Herstellungskosten der betreffenden Anlage den Vorsteuerabzug vollumfänglich – so er die Anlage vollumfänglich seinem Unternehmensvermögen zugeordnet hat - geltend machen kann. Der Verwendung des erzeugten Stroms und/oder der Wärme für den privaten Bereich löst eine unentgeltliche Wertabgabe in Form einer Entnahme von Gegenständen gem. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG aus. Diese Entnahme ist gem. § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG mit dem Einkaufspreis für den Gegenstand oder für einen vergleichbaren Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten im Zeitpunkt des Umsatzes zu bemessen.

Während im entschiedenen Fall die Finanzverwaltung mangels eines konkreten Einkaufspreises die Selbstkosten mit 10% der Anschaffungs-/Herstellungskosten der Anlage ansetzen wollte, hat der BFH zutreffend darauf hingewiesen, dass der Ansatz der Selbstkosten nur dann in Betracht kommen kann, wenn ein Einkaufspreis für die entnommenen Gegenstände nicht ermittelt werden kann. Auch wenn es keine Einkaufspreise für die konkret entnommenen Gegenstände gibt – der abgegebene Strom und die abgegebene Wärme wurden selbst erzeugt – ist auf den Einkaufspreis vergleichbarer Gegenstände abzustellen. Hinsichtlich des eingespeisten Strom kann jederzeit Strom aus dem Netz bezogen und die Eigenproduktion unterlassen werden. Die Ermittlung eines Einkaufspreises für gleichartige, von dem Vertrags-Energieversorgungsunternehmen des Einspeisers erzeugten Stroms ist jederzeit möglich. Bei der zur Beheizung eines Hauses genutzten eigenerzeugten Wärme kann dies auch grundsätzlich möglich sein; es muss allerdings für den Ansatz des (fiktiven) Einkaufspreises eine für den Verbraucher ebenso erreichbare und einsetzbare Fernwärme vorhanden sein. Hierfür ist ein Anschluss an das Fernwärmenetzt eines Energieanbieters im Zeitpunkt des Selbstverbrauchs Voraussetzung. Die Bemessung eines solchen Umsatzes nach den Einkaufspreisen vergleichbarer Energieträger, wie Heizöl, Gas oder Elektrizität, scheidet wegen der andersartigen Investitionsaufwendungen aus.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt in dem von ihr und ihrer Familie selbstbewohnten Haus ein Blockkraftwerk. Die Anlage produziert unter Verbrennung von Erdgas gleichzeitig Strom und Wärme. Der selbst erzeugte Strom wird in der Regeln insoweit in das öffentliche Netz eingespeist, als er nicht in dem Gebäude verbraucht wird.

Entscheidung

  1. Der Erzeuger der von dem Blockkraftwerk erzeugten Wärme und Strom ist Unternehmer, soweit er den Strom und die Wärme teilweise, regelmäßig und nicht nur gelegentlich gegen Entgelt an das allgemeine Stromnetz einspeis.
  2. Er kann die gesamte Anlage – unter Beachtung von § 15 Abs. 1 Satz2 UStG – vollumfänglich seinem Unternehmensvermögen zuordnen und damit den Vorsteuerabzug zur Gänze in Anspruch nehmen.
  3. Die Verwendung des Stroms und der Wärme für den Eigenbedarf löst eine unentgeltliche Wertabgabe gem. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG aus.
  4. Die Bemessungsgrundlage für diesen Eigenverbrauch bemisst sich gem. § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG nur dann (hilfsweise) nach den Selbstkosten, wenn ein Einkaufspreis für Strom und Wärme nicht zu ermitteln ist.

Praxishinweis

Der EuGH muss demnächst die Frage entscheiden, ob der Betreiber einer Fotovoltaikanlage überhaupt unternehmerisch tätig sein kann, wenn seine Anlage technisch so ausgelegt ist, dass er dauerhaft privat mehr Strom verbraucht, als er durch seine Anlage produziert (EuGH, Rs. C-219/12 – Fuchs; vgl. hierzu Schlussantrag der Generalanwältin Sharpston v. 7.3.2013). Sollte der EuGH die Unternehmertätigkeit ablehnen, hätte dies unmittelbare Konsequenzen für alle Voltaikanlagenbetreiber: die Neuinstallation würde keinen Vorsteuerabzug mehr auslösen, in den Altfällen käme eine Vorsteuerberichtigung in Betracht.