BMF zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Bitcoins und anderen sog. virtuellen Währungen nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 22.10.2015, C-264/14, Hedqvist

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 27.02.2018

Praxisproblem

Der EuGH hatte in der Rs. C-264/14 entschieden, dass es sich bei dem Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der sog. virtuellen Währung Bitcoin und umgekehrt um eine Dienstleistung gegen Entgelt i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSysRL handelt, die unter die Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSysRL fällt. Daneben können den Urteilsgrundsätzen auch generelle Ausführungen zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von sog. virtuellen Währungen entnommen werden, die wie der Bitcoin als vertragliches unmittelbares Zahlungsmittel zwischen Wirtschaftsteilnehmern akzeptiert werden und die keinem anderen Zweck als der Verwendung als Zahlungsmittel dienen.

Der EuGH begründet seine Entscheidung u. a. damit, dass die verschiedenen Sprachfassungen von Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL es nicht erlauben, unter Heranziehung des Wortlautes eindeutig festzustellen, ob diese Bestimmung nur auf Umsätze anwendbar ist, die sich auf konventionelle (gesetzliche) Währungen beziehen, oder ob sie vielmehr auch Umsätze unter Einbeziehung anderer Währungen erfasst. Bestehen sprachliche Unterschiede - so der EuGH -, lasse sich die Bedeutung des fraglichen Ausdrucks nicht auf der Grundlage einer ausschließlich grammatikalischen Auslegung ermitteln. Deswegen sei es notwendig, die Vorschrift in ihrem Kontext und nach Sinn und Zweck auszulegen. Hiernach müsse die Steuerbefreiung gem. Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL auch Umtauschgeschäfte erfassen, die sich auf nicht konventionelle (nicht gesetzliche) Währungen beziehen. Zum einen handele es sich hierbei nämlich um Finanzgeschäfte, soweit diese Währungen von den an der Transaktion Beteiligten als alternatives Zahlungsmittel zu den gesetzlichen Zahlungsmitteln akzeptiert worden sind und sie keinem anderen Zweck als der Verwendung als Zahlungsmittel dienen. Zum anderen bezwecke die Steuerbefreiung insbesondere, die im Rahmen der Besteuerung von Finanzgeschäften auftretenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer zu beseitigen. Diese Schwierigkeiten würden ebenso auftreten beim Umtausch von konventionellen Währungen in virtuelle, beidseitig handelbare Währungen - oder umgekehrt -, die, ohne gesetzliches Zahlungsmittel zu sein, ein von den an einer Transaktion Beteiligten akzeptiertes Zahlungsmittel sind. Eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf Umsätze mit konventionellen Währungen würde dagegen dazu führen, dass die Bestimmung einen Teil ihrer Wirkung verlöre.

Beim Bitcoin handelt es sich um eine digitale Währung, die zumeist von (spekulativen) Anlegern – mittlerweile auch an der Chicagoer Börse – gehandelt wird. Der Bitcoin unterliegt erheblichen Kursschwankungen und es besteht für Anleger die Gefahr eines Totalverlustes. Es gibt bislang europäisch und international keinen einheitlichen regulatorischen Umgang mit virtuellen Währungen. Einzelne Staaten, z. B. China, haben den Handel mit Bitcoins mittlerweile verboten.

Der Bitcoin ist eine in einem Peer-to-PeerNetzwerk („von Rechner zu Rechner unter Gleichen“) agierende digitale Währung, die auf der Blockchain-Technologie basiert. 2008 wurde der Bitcoin von einer Person oder Personengruppe unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto geschaffen und 2009 in Umlauf gebracht. Bitcoins existieren nur digital und werden durch Computerprogramme in dezentralen Netzwerken geschöpft (sogenanntes „Mining“). Bitcoins kennen keine greifbare Institution als Herausgeber. Zentral- oder Geschäftsbanken sind an der Schaffung nicht beteiligt. Auch besteht keine Verbindung zur Schaffung von Bar- oder Buchgeld. Bitcoins können jedoch in Bar- oder Buchgeld getauscht werden. Das Übertragungssystem erfolgt über eine Blockchain (sog. Distributed Ledger Technology = DLT). Die Blockchain-Technologie dient der dezentralen Speicherung, Autorisierung und Durchführung von Transaktionen verschiedenster Art mittels eines Computernetzwerks. Sie ist vergleichbar mit öffentlichen Registern oder Kontobüchern, in denen alle Transaktionen in zeitlicher Reihenfolge aufgezeichnet werden. Dabei verfügt jeder Netzwerkteilnehmer über ein identisches Register / Kontobuch, wodurch die Manipulationsmöglichkeiten stark erschwert werden.

Entscheidung

Die Verwaltung hat sich mit BMF-Schreiben v. 27.02.2018 zu den Urteilsgrundsätzen des EuGH geäußert. Danach handelt es sich bei dem Umtausch von konventionellen Währungen in Bitcoin und umgekehrt um eine steuerbare sonstige Leistung, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei ist.

Die Verwendung von Bitcoin wird der Verwendung von konventionellen Zahlungsmitteln gleichgesetzt, soweit sie keinem anderen Zweck als dem eines reinen Zahlungsmittels dienen. Die Hingabe von Bitcoin zur bloßen Entgeltentrichtung ist somit nicht steuerbar. Bei Zahlung mit Bitcoin bestimmt sich das Entgelt beim Leistenden grundsätzlich nach dem Gegenwert in der Währung des Mitgliedsstaates, in dem die Leistung erfolgt und zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Leistung ausgeführt wird. In analoger Anwendung des Art. 91 Abs. 2 MwStSystRL soll die Umrechnung zum letzten veröffentlichten Verkaufskurs (z. B. auf entsprechenden Umrechnungsportalen im Internet) erfolgen. Diese muss der leistende Unternehmer dokumentieren.

Beim sog. Schürfen (mining) von Bitcoins handelt es sich um nicht steuerbare Vorgänge. Die sog. Transaktionsgebühr, welche die Miner von anderen Nutzern des Systems erhalten können, wird freiwillig gezahlt und steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Leistungen der Miner. Auch die Entlohnung in Form des Erhalts neuer Bitcoin durch das System selbst ist nicht als Entgelt für die Minerleistungen anzusehen, da die Minerleistungen nicht im Rahmen eines Leistungsaustauschverhältnisses erbracht werden. Dieses setzt neben dem Leistenden das Vorhandensein eines identifizierbaren Leistungsempfängers voraus.

Sog. „Wallets“ (elektronische Geldbörsen), die auf einem Computer, Tablet oder Smartphone gespeichert werden und der Aufbewahrung der sog. virtuellen Währung dienen, können z. B. eine App für ein Smartphone sein, die aus einem Appstore heruntergeladen werden kann. Soweit Anbieter für die digitalen Wallets eine Zahlung von Gebühren verlangen, liegen auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen i. S. d. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG vor, die nach Maßgabe des § 3a Abs. 2 bzw. Abs. 5 Satz 1 UStG steuerbar und steuerpflichtig sind, soweit der Leistungsort im Inland liegt (vgl. hierzu Abschn. 3a.9a Abs. 1 bis 8 UStAE).

Stellt der Betreiber einer Handelsplattform seine Internetseite als technischen Marktplatz zum Erwerb bzw. Handel von Bitcoin den Marktteilnehmern zur Verfügung, handelt es sich um die Ermöglichung der rein EDV-technischen Abwicklung. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 UStG kommt hierfür nicht in Betracht. Soweit der Betreiber der Plattform allerdings den Kauf und Verkauf von Bitcoin als Mittelsperson im eigenen Namen vornimmt, kann die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG greifen.

Angesichts der Begründung im EuGH-Urteil C-264/14 und unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes stellt das BMF-Schreiben v. 27.02.2018 auch andere sog. virtuelle Währungen den gesetzlichen Zahlungsmitteln gleich, soweit diese Währungen von den an der Transaktion Beteiligten als alternatives vertragliches und unmittelbares Zahlungsmittel akzeptiert worden sind und keinem anderen Zweck als der Verwendung als Zahlungsmittel dienen. Dementsprechend ist der Umtausch solcher sog. virtuellen Währungen in gesetzliche Zahlungsmittel und umgekehrt steuerbefreit. Dies gilt nicht für virtuelles Spielgeld (sog. Spielwährungen oder Ingame-Währungen, insbesondere in Onlinespielen), da dieses kein Zahlungsmittel i. S. d. MwStSystRL darstellt.

Praxishinweis

Die Grundsätze dieser Neuregelungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Da es sich bei Bitcoins mangels entsprechender staatlicher Anerkennung nicht um ein gesetzliches Zahlungsmittel handelt, werden zwar derartige Umsätze nicht vom Wortlaut der nationalen Vorschrift des § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG erfasst. Weil die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG aber der Umsetzung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL dient, kann diese jedoch richtlinienkonform im Sinne des o. g. EuGH-Urteils ausgelegt werden.

An der bisherigen (nationalen) Auffassung, wonach die Hingabe von Bitcoin für eine an den Leistungsempfänger erbrachte sonstige Leistung oder Lieferung als sonstige Leistung im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes zu qualifizieren ist, hält die Verwaltung nicht mehr fest. Dagegen stellt sich weiterhin die Frage, wie das Entgelt für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen bei Bezahlung durch Hingabe von Bitcoins zu ermitteln ist. Bei Zahlung mit Bitcoins bestimmt sich das Entgelt grundsätzlich nach dem Gegenwert in der Währung des Mitgliedsstaates (gesetzliches Zahlungsmittel), in dem die Lieferung erfolgt und zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Lieferung ausgeführt wird. Mangels Referenzwechselkursen am Devisenmarkt sowie von der EZB veröffentlichter Umrechnungskurse soll hier in analoger Anwendung des Art. 91 Abs. 2 MwStSystRL eine Umrechnung zum letzten veröffentlichten Verkaufskurs (z. B. auf entsprechenden Umrechnungsportalen im Internet) erfolgen.

Hinsichtlich des Mining von Bitcoins berücksichtigt das BMF-Schreiben, dass es sich bei dem Mining um ein auf mathematischen Algorithmen beruhendes Programm mit einem dezentralen Ansatz handelt, der die digitale Währung vor einer doppelten Ausgabe von Bitcoin bewahren soll. Die Miner erfüllen hierin eine zentrale Aufgabe und ihre Rechenleistung ist Grundvoraussetzung, um das gesamte System sicherzustellen. Die Miner werden hierbei in einer doppelten Funktion tätig. Das Programm stellt eine Aufgabe (das Problem). Die Miner versuchen mithilfe der Rechenleistung ihrer Computer das Problem zu lösen. Derjenige, der als Erster die Lösung findet und damit einen sogenannten Block berechnet, erhält als Entlohnung vom System neu geschaffene Bitcoins. Das System ist so programmiert, dass nur alle zehn Minuten ein neuer Block gefunden werden kann. Dieser Block enthält alle innerhalb der letzten zehn Minuten mit bereits vorhandenen Bitcoin durchgeführten Transaktionen. Mit dem Finden der Lösung wird der aktuelle Block signiert und an die Blockchain angehängt. Somit werden gleichzeitig alle Transaktionen der letzten zehn Minuten durch den Miner auf ihre Echtheit bestätigt. Hierfür kann der Miner von denjenigen, die die Transaktionen durchgeführt haben, eine (sehr geringe) Transaktionsgebühr erhalten, deren Zahlung freiwillig ist und die mit einem Trinkgeld verglichen werden kann. Letztendlich ist die Transaktionsgebühr nur Mittel zum Zweck, da Sinn und Zweck einzig das Zurverfügungstellen der Rechenleistung zur Aufrechterhaltung des Systems ist. Die Miner stellen ihre Rechenleistung dem System (der Gemeinschaft) zur Verfügung und bekommen dafür vom System eine Entlohnung in Form von Bitcoin. Für sie ist statistisch vorhersehbar, wieviel Lohn sie pro Tag für die Größe ihrer beigetragenen Rechenleistung erhalten werden. Für die Annahme eines Leistungsaustauschs spricht zwar, dass die Miner in Erwartung einer Vergütung tätig werden, und zwar sowohl in Form der Transaktionsgebühr als auch in Form der Bitcoin. Hinsichtlich der Transaktionsgebühr ist jedoch zu beachten, dass diese freiwillig gezahlt wird und folglich kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Miners und der Zahlung der Gebühr vorliegen kann.

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BMF-Schreiben v. 27.02.2018

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