Ort der Dienstleistung, Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, Buchhaltungslehrgang

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 13.03.2018, C-647/17, Srf konsulterna AB

Praxisproblem

Bei dem schwedischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Ortsregelung für Eintrittsberechtigungen gem. Art. 53 MwStSystRL. Danach gilt als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen betreffend die Eintrittsberechtigung sowie die damit zusammenhängenden Dienstleistungen für Veranstaltungen auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Unterhaltung oder für ähnliche Veranstaltungen wie Messen und Ausstellungen der Ort, an dem diese Veranstaltung tatsächlich stattfinden.

Sachverhalt

Im Streitfall ging es um die Veranstaltung von Lehrgängen, die in einem anderen EU-Staat als Schweden stattfanden. Die Klägerin, die im Eigentum eines Berufsverbands für Buch- und Lohnbuchhalter steht, bietet Fortbildungen in Form unabhängiger Kurse für Mitglieder des Verbands oder andere an. Einige Lehrgänge finden außerhalb Schwedens in anderen EU-Ländern statt. Die Lehrgänge werden an Unternehmer erbracht, die den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung in Schweden haben. Die Lehrgänge setzen voraus, dass die Teilnehmer Kenntnisse in Buchhaltungsfragen und Erfahrung in der Arbeit mit solchen Fragen haben. Für die Teilnahme an einem Lehrgang müssen die Anmeldung und die Zulassung vor dem Beginn des Lehrgangs erfolgt sein. Das Unternehmen hat Zugang zu Angaben zur Identität der Teilnehmer wie Name, Anschrift, Personennummer oder Registernummer. Die Bezahlung erfolgt im Voraus.

Die Klägerin wollte im Rahmen eines Vorbescheides wissen, ob fünftägige Buchhaltungslehrgänge, die in einem anderen EU-Land anfallen, in Schweden umsatzsteuerbar sind.

Der Steuerrechtsausschuss entschied, dass die Lehrgänge als in Schweden erbracht anzusehen sind und daher schwedische MwSt anfalle. Art. 53 MwStSystRL sei nicht einschlägig, da diese Bestimmung eher auf das Recht abziele, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, als z. B. auf das Recht, an Unterricht teilzunehmen. Die streitgegenständlichen Lehrgänge zeichneten sich aber vielmehr durch das Recht aus, an einem bestimmten Unterricht teilzunehmen. Daher finde die allgemeine Ortsregel für B2B-Dienstleistungen nach Art. 44 MwStSystRL Anwendung. Die Wendung „Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen“ sei in Art. 53 MwStSystRL eingeführt worden, um den Anwendungsbereich der Ausnahmeregeln einzuschränken und den Anwendungsbereich der Grundregel entsprechend zu erweitern. Die gewöhnliche Bedeutung von „Eintrittsberechtigung“ sei das Recht, ein Gelände zu betreten oder in eine Räumlichkeit einzutreten, daher beziehe sie sich in erster Linie auf diesen Eintritt und sei an einen physischen Ort geknüpft. Eine solche Auslegung sei mit den Bestimmungen in Art. 32 MwSt-DVO (VO 282/2011) vereinbar.

Die schwedische Steuerverwaltung (Skatteverket) und die Klägerin hielten den Vorbescheid im Ergebnis für zutreffend, wendeten sich aber gegen dessen Begründung. Nach ihrer Auffassung ist die Ortsregelung für Eintrittsberechtigungen restriktiv auszulegen. Der Skatteverket trug vor, dass Art. 53 MwStSystRL bezweckt, es für den Verkäufer einfacher zu machen, wenn die Identität des Käufers unbekannt ist, z. B. beim Kartenverkauf für Konzerte oder Vorträge, die sich an ein breites Publikum richten. Die in Rede stehenden Lehrgänge stellten Unterrichtsveranstaltungen dar, da jedoch der Verkäufer in diesem Fall Zugang zu ausreichenden Angaben habe, um sich der Identität des Käufers zu vergewissern und damit festzustellen, ob es sich bei diesem um einen Unternehmer handelt, gehe es nicht um eine Eintrittsberechtigung im Sinne der Bestimmung. Die vom Steuerrechtsausschuss vorgenommene Auslegung könne dagegen Abgrenzungsprobleme bei der Beurteilung bereiten, ob es sich in einem Einzelfall um das Recht handelt, sich an einem Ort aufzuhalten, oder um das Recht, an einem Unterricht teilzunehmen.

Die Klägerin begründete die enge Anwendung des Art. 53 MwStSystRL mit praktischen Erwägungen: Die Anwendung der Ausnahmeregelung bringe ein kompliziertes Verfahren mit höherem Verwaltungsaufwand [Registrierungspflicht und Steuerpflicht in einem anderen EU-Staat] mit sich als die Anwendung der Grundregel.

Vor diesem Hintergrund wollte das vorlegende Gericht wissen, ob der Ausdruck "Eintrittsberechtigung für eine Veranstaltung" in Art. 53 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass er eine Dienstleistung in Form eines fünftägigen Buchhaltungslehrgangs erfasst, der ausschließlich an Unternehmer erbracht wird und voraussetzt, dass Anmeldung und Bezahlung im Voraus erfolgen.

Entscheidung

Der EuGH bestätigt seine ständige Rechtsprechung, dass die Art. 44 und 45 MwStSystRL keinen Vorrang vor den Art. 46 bis 59a MwStSystRL haben. In jedem Einzelfall ist zu zunächst festzustellen, ob er einem der in den Art. 46 bis 59a MwStSystRL genannten Fälle entspricht. Anderenfalls fällt er unter die Art. 44 und 45 MwStSystRL. Somit ist der vorliegend streitige Art. 53 MwStSystRL nicht als eng auszulegende Ausnahme von einem allgemeinen Grundsatz anzusehen. Nach Art. 53 MwStSystRL, so der EuGH, gilt als Ort einer Dienstleistung an Steuerpflichtige betreffend die Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, insbesondere auf dem Gebiet des Unterrichts der Ort, an dem diese Veranstaltungen tatsächlich stattfinden. Nach Art. 32 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c MwStDVO, so vorliegend der EuGH, gehören zu den Dienstleistungen im Sinne des Art. 53 MwStSystRL betreffend die Eintrittsberechtigung zu Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft, wie z. B. Konferenzen und Seminare, Dienstleistungen, deren wesentliche Merkmale darin bestehen, gegen eine Eintrittskarte oder eine Vergütung das Recht auf Eintritt zu einer Veranstaltung zu gewähren. Die Lehrgänge, die die physische Anwesenheit der Teilnehmer voraussetzen, fallen demnach in die Kategorie der Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts im Sinne von Art. 32 MwStDVO. Die Eintrittsberechtigung für die Seminare, die den Teilnehmern gegen eine Vergütung gewährt wird, beinhaltet nach dem EuGH-Urteil zwangsläufig die Möglichkeit, ihnen beizuwohnen und an ihnen teilzunehmen. Diese Teilnahme ist daher eng verbunden mit der Eintrittsberechtigung für die Seminare. Deshalb folgt der EuGH der Unterscheidung der schwedischen Steuerrechtskommission zwischen dem Recht, einen Ort zu betreten, und dem, an einem bestimmten Unterricht teilzunehmen, für die Anwendung von Art. 53 MwStSystRL nicht. Deshalb muss die Bestimmung des Orts, an dem Buchhaltungslehrgänge wie im Streitfall erbracht werden, nach Art. 53 MwStSystRL erfolgen. Der Ort dieser Leistungen liegt dann dort, wo sie tatsächlich erbracht werden, d. h. in den Mitgliedstaaten, in denen die Lehrgänge veranstaltet werden. Dass Anmeldung und Bezahlung für die streitigen Lehrgänge im Voraus erfolgten, ist nach dem Urteil für die Anwendung von Art. 53 MwStSystRL unerheblich.

Praxishinweis

Die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens hätte fraglich sein können, da sich die Beteiligten im Ergebnis einig waren (keine Anwendung der Ortsregel nach Art. 53 MwStSystRL) und sowohl die schwedische Steuerverwaltung als auch die Klägerin eine Bestätigung des Vorbescheides beantragt hatten. Gleichwohl hat der EuGH eine Entscheidung getroffen und festgestellt, dass Buchhaltungslehrgänge als Unterrichtsveranstaltungen unter Art. 53 MwStSystRL fallen.

Das deutsche Recht ist von dem Urteil grundsätzlich betroffen. Die Ortsregel des Art. 53 MwStSystRL wurde in § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG umgesetzt. Nach Abschn. 3a.6 Abs. 13 UstAE setzt die Anwendung der Ortsregel bei Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft voraus, dass die Veranstaltung für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich ist. Aufgrund der Zulassungsbeschränkungen der streitgegenständlichen Lehrgänge könnte nach deutscher Verwaltungsauffassung eher die Grundregel des Art. 44 MwStSystRL einschlägig sein. Dies ist nach dem vorliegenden Urteil aber wohl kein Abgrenzungskriterium.

Zur Frage, wann eine Eintrittsberechtigung für eine Veranstaltung auf dem Gebiet des Unterrichts i. S .d. Art. 53 MwStSystRL vorliegt, und zur Abgrenzung zu den allgemeinen Ortsregeln existierte bisher weder einschlägige Rechtsprechung des EuGH, noch enthält die Bestimmung des Art. 32 MwSt-DVO insoweit nähere Ausführungen. Nach Art. 32 Abs. 1 MwSt-DVO gehören zu den Dienstleistungen i. S. v. Art. 53 MwStSystRL Dienstleistungen, deren wesentliche Merkmale darin bestehen, gegen eine Eintrittskarte oder eine Vergütung, auch in Form eines Abonnements, einer Zeitkarte oder einer regelmäßigen Gebühr, das Recht auf Eintritt zu einer Veranstaltung zu gewähren. Aus Art. 32 Abs. 2 MwSt-DVO geht hervor, dass Art. 32 Abs. 2 insbesondere für u. a. das Recht auf Eintritt zu Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft wie z. B. Konferenzen und Seminare gilt. Nach Art. 33 MwSt-DVO gehört zu den untergeordneten Dienstleistungen, auf die in Art. 53 MwStSystRL Bezug genommen wird, insbesondere die Nutzung von Garderoben oder sanitären Einrichtungen. Nach dem vorliegenden Urteil ist der Begriff der Veranstaltung auf dem Gebiet des Unterrichts für Zwecke der Ortsbestimmung eher weit auszulegen, d. h. es kommt regelmäßig darauf an, wo die Veranstaltung tatsächlich stattfindet. Dies ist für die Praxis in Deutschland von wesentlicher Bedeutung – auch wenn es die bisherige Auffassung eigentlich nur bestätigt.

 

 

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