Abholung und Entsorgung von Speiseabfällen durch Landwirt

BFH, Urt. v. 24.1.2013, V R 34/11

Praxisproblem

§ 24 UStG ermöglicht Land- und Forstwirten die sog. Pauschalbesteuerung. Diese führt letztlich dazu, dass in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb weder die Steuer für die eigenen Umsätze noch die Vorsteuer besonders ermittelt werden. Die Steuer und der gem. § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG pauschale Vorsteuerabzug gleichen sich aus, so dass nur eine sog. Scheinbesteuerung vorliegt. Dies gilt uneingeschränkt für den Anwendungsfall des § 24 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 UStG, für die Anwendungsfälle des § 24 Abs. 1 Nr. 2 UStG nur in Bezug auf die Vorsteuerpauschalierung. Voraussetzung für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Pauschalbesteuerung nach § 24 UStG ist zum einen eine Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse bzw. landwirtschaftliche Dienstleistungen und zum anderen das Vorliegen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. In richtlinienkonformer Auslegung der unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 295 MwStSystRL hat allerdings das Vorliegen einer Tätigkeit im Rahmen eines land-und forstwirtschaftlichen Betriebes insoweit an Bedeutung verloren, als nur landwirtschaftliche Dienstleistungen und die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse die Pauschalbesteuerung auslösen können. Jede andere Tätigkeit – auch soweit im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erbracht – unterliegt der Regelbesteuerung. Vor diesem Hintergrund musste der BFH die Frage entscheiden, ob die von einem Landwirt bewirkte Entsorgung von Speiseresten aus Restaurants und Großküchen als „landwirtschaftliche Dienstleistungen“ bewertet werden könne, die in der Lage sind, die Pauschalbesteuerung gem. § 24 UStG auszulösen.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Landwirt, betrieb einen Mastbetrieb für Rinder und Scheine. Er holte in den Streitjahren mit einem Spezialfahrzeug gegen Bezahlung organische Abfälle (Speiseabfälle) von Großküchen und Restaurants ab. Während der Landwirt für die Entsorgung der Speiseabfälle die Durchschnittssatzbesteuerung gem. § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG zur Anwendung bringen wollte, besteuerte das Finanzamt die Leistung mit dem Regelsteuersatz.

Entscheidung

Unter Hinweis auf den unionsrechtlichen Rahmen des Art. 295 MwStSystRL hat der BFH die Anwendung der Pauschalbesteuerung gem. § 24 Abs. 1 UStG vorliegend verneint. Begünstigt seien nur die vorliegend alleine in Betracht kommenden landwirtschaftlichen Dienstleistungen gem. Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL, soweit diese in Anhang VIII aufgeführt sind. Die begünstigten Dienstleistungen müssen normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Die Sonderregelung des Art. 295 MwStSystRL werde vom EuGH eng ausgelegt. Die Steuerbelastung auf den von den Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen wird bei landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausüben, durch die Zahlung eines Pauschalausgleichs ausgeglichen, wenn landwirtschaftliche Erzeugnisse geliefert oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbracht werden. Unter Beachtung dieser unionsrechtlichen Vorgaben verbiete sich eine Ausdehnung des § 24 UStG auf die vom Kläger erbrachte Speisenresteentsorgung als „landwirtschaftliche Dienstleistung“, da sie nicht in Anhang VIII zu Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL ausdrücklich genannt sei.

Praxishinweis

Die unionsrechtlich vorgesehene Pauschalregelung für Land- und Forstwirte setzt einen Pauschalausgleich entweder durch den Leistungsempfänger oder durch die öffentliche Hand voraus. Der deutsche § 24 UStG gewährt einen Pauschalausgleich durch den Leistungsempfänger, indem der Land- und Forstwirt seine Leistungen nicht mit den Steuersätzen des § 12 Abs. 1 und Abs. 2 UStG, sondern mit den in § 24 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 UStG festgesetzten Steuersätzen bei gleichzeitig pauschalierter Vorsteuer berechnet. Die Leistungsempfänger können die pauschalierte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. In der näheren Ausgestaltung weicht die deutsche Norm des § 24 UStG erheblich von den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 295 MwStSystRL ab. Der BFH überwindet diese mangelnde Kompatibilität mit Hilfe der richtlinienkonformen Auslegung  des § 24 UStG. Deswegen ist das Abstellen auf einen Nebenbetrieb iSd § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG unionsrechtlich unbeachtlich, soweit keine begünstige Lieferung oder Dienstleistung vorliegt.