EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug aus Aufwendungen eines Gründungsgesellschafters für seine neu zu gründende Gesellschaft

BFH Aktuell

BFH, Beschl. v. 20.02.2013, XI R 26/10

Praxisproblem

Bislang galt umsatzsteuerlich bei Investitionsmaßnahmen im Zusammenhang mit Gesellschaftsgründungen die sog. Trennungstheorie. Ein Gesellschafter, der eine Investitionsmaßnahme außerhalb seiner eigenen wirtschaftlichen (sprich: unternehmerischen) Tätigkeit erwirbt und seiner Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung überlässt, ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Gesellschaft kann aber auch den Vorsteuerabzug nicht geltend machen, da die Investitionsmaßnahme nicht von ihr für ihr Unternehmen erworben wurde. Hierin könnte nach Auffassung des BFH (XI. Senat) möglicherweise ein Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer liegen, wie der EuGH in der Rechtssache Polski Trawertyn (EuGH, Urt. v. 1.3.2012 – Rs. C-280/10 – Polski Trawertyn, UR 2012, 366) ausdrücklich hervorgehoben hat.

In der Rechtssache Polski Trawertyn ging es um die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft. Im April 2007 gründeten die Gesellschafter G. und W. die Gesellschaft Polski Trawertyn, die am 5.6.2007 im Handelsregister eingetragen wurde. Bereits im Dezember 2006 erwarben die Gesellschafter mit einer auf ihren Namen ausgestellten Rechnung ein Grundstück mit einem Natursteinbruch. Im Streit war u.a. der Vorsteuerabzug der Gesellschaft aus dem Erwerb des Grundstücks, da im Zeitpunkt des Erwerbs die Gesellschaft noch nicht gegründet bzw. nicht im Handelsregister eingetragen war und nach polnischem Recht unstreitig weder die Gesellschafter noch die Gesellschaft berechtigt waren, die Vorsteuer aus Gründungskosten und Investitionsmaßnahmen anlässlich der Gründung einer Gesellschaft abziehen zu können. Der Einbringungsvorgang war nach polnischem Recht steuerfrei.

Ein Steuerpflichtiger, dessen einziger Geschäftszweck die Vorbereitung der wirtschaftlichen Tätigkeit eines anderen Steuerpflichtigen sei und der keinen steuerbaren Umsatz ausführe, kann nach Auffassung des EuGH sein Vorsteuerabzugsrecht im Zusammenhang mit den Ausgangsumsätzen des zweiten Steuerpflichtigen geltend machen. Hieraus folge, dass eine nationale Regelung, die das Vorsteuerabzugsrecht sowohl des Gesellschafters als auch der Gesellschaft ausschließe, gegen den Grundsatz der Neutralität verstoße.

Im Streit zwischen dem V. Senat (Beschl. v. 6.12.2012 – V ER-S 2/12, BFH/NV 2013, 418) und dem XI. Senat (Beschl. v. 14.11.2012 – XI R 26/10, BFHNV 2013, 417) ist die Frage, ob die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Polski Trawertyn verallgemeinerungsfähig dergestalt ist, dass grundsätzlich dem Gesellschafter aus seinen Investitionsmaßnahmen zugunsten der neu zu gründenden Gesellschaft der Vorsteuerabzug zusteht und zwar unabhängig davon, ob er selbst wirtschaftlich tätig ist oder nicht.

Sachverhalt

Im Streit ist der Vorsteuerabzug eines Gesellschafters aus der Übernahme eines Teils des Mandantenstamms bei einer Realteilung einer GbR. Der Kläger übernahm einen Teil des Mandantenstamms einer ausgelösten Alt-GbR, an der er beteiligt war. Er überließ den Mandantenstamm einer von ihm neu gegründeten Neu-GbR unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung. Die durch die Realteilung bei der Alt-GbR (unstreitig) ausgelöste Umsatzsteuer stellte die Alt-GbR (vertreten durch den Kläger) dem Kläger mit gesondertem Umsatzsteuer-Ausweis in Rechnung. Unstreitig war der Kläger nicht selbst unternehmerisch tätig.

Entscheidung

Der XI. Senat hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung in der Rechtssache Polski Trawertyn dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer dem Gesellschafter einer neu zu gründenden Gesellschaft den Vorsteuerabzug aus einem erworbenen Mandantenstamm gewähre. Der Mandantenstamm sei alleine zu dem Zweck erworben worden, ihn unmittelbar anschließend der neu gegründeten Gesellschaft unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung zu überlassen.

Praxishinweis

Die (neue) Sichtweise zumindest des XI. Senats führt zu einer praxisgerechten Beurteilung des Vorsteuerabzugs aus allen Investitionsmaßnahmen des Gründungsgesellschafter für seine neu zu gründende Gesellschaft. Sollte der EuGH die Sichtweise des XI. Senats teilen, würde damit die Entscheidung in der Rechtssache Faxworld (EuGH, Urt. v. 29.4.2004 – Rs. C-137/02 - Faxworld, DStR 2004, 772) konsequent weiterentwickelt. In der Rechtssache Faxworld war der Vorsteuerabzug der sog. Vorgründungsgesellschaft einer zu gründenden Kapitalgesellschaft betroffen. Entgegen der bisherigen Sichtweise in Deutschland hat der EuGH auch hier den Vorsteuerabzug der Vorgründungsgesellschaft – obwohl als eine von der späteren Kapitalgesellschaft verschiedenen Rechtspersönlichkeit – zuerkannt. Nichts anderes kann aber eigentlich auch in Anbetracht der Investitionen des Gründungsgesellschafters einer Personengesellschaft gelten. Allerdings sind die Einwände des V. Senats gegen eine Anwendung der Rechtsgrundsätze aus der Entscheidung Polski Trawertyn gewichtig. Vor allem die Frage, ob nur der Gründungsgesellschafter oder eventuell auch die (später) gegründete Gesellschaft vorsteuerabzugsberechtigt sein kann, scheint noch klärungsbedürftig.