Interessantes in Kürze

Ausschluss des § 3 Abs. 8 UStG und Inanspruchnahme der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung mittels AGB

FG München, Urt. v. 20.2.2013, 3 K 2222/10

Praxisproblem

Warenlieferungen aus dem Drittland nach Deutschland werden grundsätzlich dort steuerbar ausgeführt, wo die Warenbewegung beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL). Voraussetzung ist ein feststehender Abnehmer im Zeitpunkt des Transportbeginns. Der Ort verlagert sich allerdings wegen § 3 Abs. 8 UStG (Art. 32 Unterabs. 2 MwStSystRL) ins Inland, wenn der Lieferende Schuldner der deutschen Einfuhrumsatzsteuer ist. Die Steuerschuldnerschaft für die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbare Einfuhr bestimmt sich gem. § 13 Abs. 2 UStG iVm. § 21 Abs. 2 UStG nach den Vorschriften über die Zölle (Art. 201 Abs. 3 Satz 1 Zollkodex). Genau an dieser Nahtstelle zwischen Umsatzsteuer- und Zollrecht eröffnet sich eine interessante Gestaltungsmöglichkeit. Unter der Voraussetzung, dass der Ort sich nicht nach § 3 Abs. 8 UStG ins Inland verlagert, sieht die Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung bei einem Einfuhrwert bis zu 22 € die Steuerbefreiung vor. Bedingung ist alleine, dass nicht der Liefernde Schuldner der deutschen Einfuhrumsatzsteuer sein darf. Das FG München hatte in diesem Zusammenhang die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen eine Verlagerung der Einfuhrumsatzsteuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger mittels vereinbarter AGB zulässig ist.

Sachverhalt

Die Klägerin vertrieb Waren an deutsche Endkonsumenten. Sie bediente sich hierzu eines in der Schweiz ansässigen Dienstleisters, der die Ware zunächst in sein in der Schweiz belegenes Lager verbrachte, wo sie gelagerte und logistisch erfasst wurde. Nach Eingang der Bestellungen wurde die Ware konfektioniert und zum Verteilerzentrum der Deutschen Post in Deutschland verbracht. Von dort aus wurden die Waren an die deutschen Kunden ausgeliefert. Die Waren mit einem Warenwert von bis zu 22 € wurden im Sammelanmeldeverfahren auf „Freischreibung von Sendungen“ im Namen der Endkunden zur Einfuhr nach Deutschland zollamtlich abgefertigt. In den vertraglich mit dem Kaufvertrag vereinbarten AGB fand sich die Klausel: „Wir können in Ihrem Namen alle für die Einfuhr aus der Schweiz nötigen Erklärungen abgeben. Für alle eventuellen Zölle und Steuern kommt A für Sie auf. Dieser Service ist gratis.“ Im Streit war der Ort der Warenlieferung. Die Klägerin begehrte als Ort gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG die Schweiz, die deutsche Finanzverwaltung wollte über § 3 Abs. 8 UStG die Warenlieferung in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig behandeln.

Entscheidung

Das FG beurteilte die von der Klägerin bewirkten Lieferumsätze als gem. § 3 Abs. 8 UStG in Deutschland steuerbar (und steuerpflichtig) ausgeführt. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nicht wirksam die Steuerschuldnerschaft für die Einfuhr mittels ihrer AGB`s auf die jeweiligen Endkunden verlagern konnte. Nur für diesen Fall wäre der Lieferort nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG zu bestimmen gewesen. Maßgeblich komme es gem. Art. 5 Abs. 4 Satz 2 Altern. 2 Zollkodex darauf an, dass die Klägerin mit Vertretungsmacht bei der Übertragung der Steuerschuldnerschaft gehandelt habe. Nur die AGB`S seien hierfür maßgebend. Die hierin befindliche Klausel sei aber für den Endkunden aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers „überraschend“ gewesen. Vor allem die sich aus der Steuerschuldnerschaft ergebenden Pflichten – z.B. bei Insolvenz der Klägerin, bei der Einfuhr bestimmter Waren – verlange mehr als die in den AGB`s der Klägerin vorgenommenen Regelungen.

Praxishinweis

Das Urteil der FG München entspricht den Vorgaben des BFH (Urt. v. 21.3.2007, V R 32/05, UR 2007, 768) und stellt zutreffend darauf ab, dass vor allem der Adressatenkreis – private Endkonsumenten – und die besonderen Bedingungen des vorliegenden Falls – die Klägerin war eine deutsche Firma, die in deutschen Katalogen auf ihre Waren hingewiesen hatte, die Kaufpreise waren auf ein deutsches Konto einzuzahlen – die Bewertung der vereinbarten Klausel als überraschend rechtfertigten. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass selbst bei einer gültigen Klausel das Damoklesschwert des § 42 AO über einer Gestaltung wie im vorliegenden Fall schwebt. Das FG München hat diese Fragestellung ausdrücklich offen gelassen.