Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 Buchst. a oder c UStG bei Ausgleichsmaßnahmen nach dem BNatSchG

BFH, Urt. v. 8.11.2012, V R 15/12

Praxisproblem

Der Gesetzgeber befreit in § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG die „Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken“ und in § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG „die Bestellung, die Übertragung und die Überlassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken“. Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urt. v. 9.10.2001 – Rs. C-409/98 – Mirror Group, UR 2001, 490; EuGH, Urt. v. 12.6.2003 – Rs. C-275/01 – Sinvlair Collis Ltd., UR 2003, 348) liegt eine „Vermietung“ dann vor, wenn dem Mieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Von § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG werden alle dinglichen Nutzungsrechte an Grundstücken erfasst, die aber nicht nur der Absicherung einer Verpflichtung zur Erbringung einer steuerpflichtigen Leistung dienen dürfen (BFH, Urt. v. 13.11.1997, V R 11/97, BStBl. II 1998, 169). Der BFH musste die Frage klären, ob die entgeltliche Zurverfügungstellung eines Grundstücks für Ausgleichsmaßnahmen nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) unter gleichzeitiger Bestellung einer persönlichen Grunddienstbarkeit zugunsten einer Gemeinde auf dem betreffenden Grundstück der Umsatzsteuer unterliegt oder aber gem. § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei ist. 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte – neben Einnahmen aus seiner Angestelltentätigkeit und der Bewirtschaftung eines land-und forstwirtschaftlichen Betriebs im Nebenerwerb – Einnahmen aufgrund eines Vertrages mit einer Gemeinde. Er stellte der Gemeinde ein Grundstück zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen nach dem BNatSchG zur Verfügung und erhielt hierfür eine in zwei Raten zu begleichende „Entschädigung“ unter gleichzeitiger Bestellung einer Grunddienstbarkeit zugunsten der Gemeinde auf den Grundstücken.

Entscheidung

Der BFH verneint zunächst ein „Vermietung“ iSd § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG, da nach den zugrundeliegenden vertraglichen Regelungen der Kläger der Gemeinde nicht die Inbesitznahme des Grundstücks dergestalt habe ermöglichen wollen, andere von der Nutzung ausschließen zu können. Darüberhinaus habe der Kläger der Gemeinde die Nutzung nicht auf eine bestimmte Zeit, sondern „unwiderruflich und auf Dauer“ überlassen. Im vorliegenden Falle sei es durch die unwiderrufliche und dauerhafte Überlassung des Nutzungsrechts, die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen und den umfassenden Entzug von Nutzung als Ackerland zu einem endgültigen und dauerhaften Verlust der wirtschaftlichen Herrschaftsmacht des Klägers über das Grundstück gekommen.

Eine Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG lehnt der BFH unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihrer unionsrechtlichen Regelung in Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL ab. § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG sei durch Art. 17 Nr. 3 Steuerbereinigungsgesetz 1985 unter der Voraussetzung in das Gesetz aufgenommen worden, um eine „gleiche Behandlung aller Grundstücksüberlassungen zur Nutzung“ erreichen zu wollen. Die Steuerfreistellung bislang steuerpflichtiger Umsätze sei jedenfalls nicht beabsichtigt gewesen. Die richtlinienkonforme Auslegung der deutschen Norm anhand der unionsrechtlichen Vorgaben zwinge zudem dazu, dass § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG nur solche bestellten dinglichen Nutzungsrechte erfassen könne, die auch von dem Begriff „Vermietung und Verpachtung“ umfasst seien. Mit der Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sollte aber vorliegend das Recht zur Durchführung einer Ausgleichsmaßnahme gesichert werden. Dies erfüllte aber – wie bereits dargestellt – nicht das Merkmal „Vermietung und Verpachtung“.

Praxishinweis

Es ist zu beachten, dass die Aussagen des BFH zur Steuerbefreiung unter dem Vorbehalt stehen, dass die vom Kläger empfangene Geldzahlung Entgelt für eine vom Kläger erbrachte Leistung und nicht bloß Schadensersatz darstellte. Hiervon ist das FG ausgegangen – und der BFH ist dem unwidersprochen gefolgt. Die Zahlung soll für die Gewährung der Ausgleichsmaßnahme und nicht als Entschädigung für eine Wertminderung des Grundstücks gezahlt worden sein.