BFH zur steuerfreien Lieferung von Pocket-Bikes

BFH, Urt. v. 27.02.2014, V R 21/11, Lieferung von Pocket-Bikes an Privatpersonen in das Gemeinschaftsgebiet ist umsatzsteuerfrei

Sachverhalt

In dem vorliegenden Urteil handelte die Klägerin mit Pocket-Bikes. Dies sind Motorräder, Motorroller, Cross-Bikes und Quads in Miniaturausgabe. Sie haben ein Gewicht von bis zu 24 kg, ihre Sitzhöhe liegt etwa bei 40 bis 50 cm und die Motorisierung besteht aus einem Einzylinder-Zweitaktmotor. Mit einem Pocket-Bike erreicht man eine Höchstgeschwindigkeit von teilweise über 70 km/h. In Deutschland sind die von der Klägerin gelieferten Pocket-Bikes nicht für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen.

Im Streitjahr 2006 lieferte die Klägerin Pocket-Bikes an Privatpersonen in das übrige Gemeinschaftsgebiet als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge. Das Finanzamt versagte die Steuerbefreiung für diese Lieferungen und setzte entsprechend erhöht Umsatzsteuer fest. Die Pocket-Bikes seien nicht für den Personentransport bestimmt, sondern könnten nur für sportliche Zwecke und zum Umherfahren auf privatem Gelände genutzt werden

Entscheidung


Der BFH hob das Urteil des FG auf und gab der Klage statt.

Unstrittig war, dass die von der Klägerin vertriebenen Pocket-Bikes in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG) wurden. Gemäß Art. 28a Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG sowie der nationalen Umsetzungsnorm unterliegen diese in den jeweiligen Mitgliedstaaten der Umsatzbesteuerung (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Unerheblich ist, ob die Gegenstände in dem jeweiligen Mitgliedsstaat tatsächlich besteuert werden. Der Steuerbefreiung steht die Gefahr von Steuerausfällen durch Nichtbesteuerung im Erwerbstaat nicht entgegen.

Der BFH entschied, dass die Pocket-Bikes „neue Fahrzeuge“ i.S.v. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. § 1b UStG sind. In § 1b Abs. 2 Nr. 1 UStG werden Fahrzeuge wie folgt definiert: „motorbetriebene Landfahrzeuge mit einem Hubraum von mehr als 48 Kubikzentimetern oder einer Leistung von mehr als 7,2 Kilowatt“. Wie das FG festgestellt hat, liegen diese technischen Voraussetzungen im Streitfall vor. Bei unionskonformer Auslegung erfasst die Steuerfreiheit nur motorbetriebene Landfahrzeuge, die zur Personen- oder Güterbeförderung bestimmt sind. Pocket-Bikes sind generell zur Personenbeförderung bestimmt, denn sie befördern Personen oder Güter von einem Ort zu einem anderen. Unerheblich für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Fahrzeugen ist es, auf das Motiv und den wirtschaftlichen Sinn ihres Einsatzes abzustellen. Relevant ist demnach ihre tatsächliche Nutzungsmöglichkeit und nicht ob und ggf. in welchem Umfang die Pocket-Bikes auch oder nur zur Durchführung sportlicher Wettkämpfe oder zum Umherfahren auf privatem Gelände genutzt werden.

Praxishinweis

Durch das Urteil des BFH wird lediglich der Export von Pocket-Bikes von der deutschen Umsatzsteuer befreit. Der innergemeinschaftliche Erwerb dieser unterliegt hingegen der Umsatzbesteuerung im jeweiligen Heimatland des Käufers und wird mit dem dort geltenden Steuersatz besteuert.

Im Umkehrschluss wird auch der Erwerb von Pocket-Bikes durch Privatpersonen im Inland der Besteuerung zu unterwerfen sein.