BMF zur Steuerbefreiung für die Seeschiff- und Luftfahrt

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 04.04.2014, IV D 3 - S 7155-a/07/10002 zur Steuerbefreiung der Umsätze für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt

Praxisproblem

Mit seinem Urteil v. 19.07.2012, C-33/11, A Oy hatte der EuGH entschieden, dass die Vorstufenbefreiung für Umsätze in der Luftfahrt auch für die Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer gilt, der selbst nicht zu den begünstigten Luftfahrtgesellschaften i.S.v. Art. 148 Buchst. e MwStSystRL gehört, sondern das gelieferte Flugzeug zum Zweck der ausschließlichen Nutzung durch eine begünstigte Luftfahrtgesellschaft erwirbt (wie im Vorlagefall der Erwerb zur Nutzungsüberlassung an eine Luftfahrtgesellschaft).

Die Steuerbefreiung der Lieferung eines Luftfahrzeugs, dessen begünstigte Zweckbestimmung im Zeitpunkt der Lieferung feststeht und ordnungsgemäß belegt sein muss, bleibt nach dem EuGH-Urteil grundsätzlich auch in dem Fall erhalten, in dem der Erwerber des Luftfahrzeugs eine Kapitalgesellschaft ist, die die ihr von dem das Flugzeug nutzenden Luftfahrtunternehmen in Rechnung gestellten Wartungs- und Flugkosten auf eine Privatperson abwälzt, die alleiniger Anteilseigner der erwerbenden Gesellschaft ist und die das Luftfahrzeug hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke in Anspruch nimmt, wobei die Luftfahrtgesellschaft auch die Möglichkeit hat, es für andere Flüge einzusetzen. Es kommt einzig auf die nachprüfbare und belegte Zweckbestimmung des Flugzeugs (Nutzung durch eine begünstigte Luftfahrtgesellschaft) an.

Da der EuGH ausdrücklich seine bisherige strenge Auslegung der Steuerbefreiung der Vorumsätze für die Seeschifffahrt nicht aufgegeben hatte, konnte hinterfragt werden, ob das BMF-Schreiben v. 24.01.2008, IV A 6 - S 7155-a/07/0002, BStBl. I, 295 hinsichtlich der Lieferungen von Seeschiffen, die nicht unmittelbar an den Betreiber eines Seeschiffes, sondern auf einer Vorstufe (z.B. an ein Leasingunternehmen, das das Seeschiff an den Reeder verleast) veräußert werden, nach dem EuGH-Urteil unionsrechtlich noch zulässig war.

Nach dem BMF-Schreiben v. 24.01.2008 wurde es von der Verwaltung bis auf weiteres nicht beanstandet, wenn Unternehmer die Lieferungen von Wasserfahrzeugen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG und die Lieferungen von Luftfahrzeugen i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UStG abweichend von Abschn. 145 Abs. 1 und Abschn. 146 Abs. 1 UStR 2008 (jetzt Abschn. 8.1 Absatz 1 bzw. 8.2 Absatz 1 UStAE) umsatzsteuerfrei behandeln. Dies galt unter der Voraussetzung, dass die Zweckbestimmung bezüglich der Wasserfahrzeuge gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG und die Zweckbestimmung bezüglich der Luftfahrzeuge gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UStG im Zeitpunkt der Lieferung endgültig feststand und vom Unternehmer nachgewiesen wurde.

Inhalt des BMF-Schreibens

Mit dem BMF-Schreiben v. 04.04.2014 ist Abschn. 8.1 Abs. 1 UStAE geändert worden. Nach dem neu eingefügten Satz 2 ist die Lieferung eines Wasserfahrzeuges i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG auch dann umsatzsteuerfrei, wenn die Lieferung an einen Unternehmer erfolgt, der das Wasserfahrzeug zum Zweck der Überlassung an einen Betreiber eines Seeschiffes oder die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger zu deren ausschließlicher Nutzung erwirbt und diese Zweckbestimmung im Zeitpunkt der Lieferung endgültig feststeht und vom liefernden Unternehmer nachgewiesen wird. Nach dem geänderten Satz 3 kann die Steuerbefreiung sich nicht auf Umsätze auf den vorhergehenden Stufen erstrecken.

Praxishinweis

Das BMF-Schreiben ist Abschn. 8.2 UStAE unverändert geblieben ist, so dass die neuen Regelungen zur entsprechenden Anwendung von Abschn. 8.1 Abs. 1 bis 3 auf Umsätze für die Luftfahrt, wegen des Verweises in Abschn. 8.2 Abs. 1 UStAE sinngemäß auch für die Lieferungen von Luftfahrzeugen gelten.

Mit dem vorliegenden BMF-Schreiben wurde im Ergebnis die mit dem BMF-Schreiben v. 24.01.2008, BStBl. I, 295 getroffene Nichtbeanstandungsregelung in den UStAE aufgenommen und damit verstetigt (das BMF-Schreiben v. 24.01.2008 selbst ist aufgehoben worden). Diese Nichtbeanstandungsregelung wurde durch das vorliegende BMF-Schreiben jedoch (infolge des EuGH-Urteils v. 19.07.2012, C-33/11, A Oy) ausdrücklich auf die letzte Lieferung in einer möglichen Lieferkette bzw. auf die unmittelbare Lieferung an den Unternehmer beschränkt, der im Rahmen einer sonstigen Leistung das Wasser- oder Luftfahrzeug an einen anderen Unternehmer für die begünstigten Zwecke überlässt. Lieferungen auf vorangehenden Handelsstufen sind weiterhin ausnahmslos nicht begünstigt.

Die Vergünstigung gilt ungeachtet des EuGH-Urteils v. 19.07.2012, C-33/11, A Oy auch für Lieferungen von Wasserfahrzeugen. Insofern ist man verwaltungsseitig offensichtlich davon ausgegangen, dass für Seeschiffe, die ins Schiffsregister eingetragen werden müssen, nicht anderes gelten kann, als für Luftfahrzeuge. Nach § 3 Abs. 2 SchiffsregisterO werden Seeschiffe in Schiffsregister eingetragen. Ihre Zweckbestimmung folgt bereits aus §§ 1 und 2 Flaggenrechtsgesetz (Recht von Kauffahrteischiffen und sonstigen zu Seeschifffahrt bestimmten Schiffen (Seeschiffe) zur Führung der Bundesflagge).

Das vorliegende BMF-Schreiben gilt nur für Lieferungen von Luftfahrzeugen und von Seeschiffen. Es gilt nicht etwa für Flugzeugteile (wie z.B. Triebwerke), die auf einer vorhergehenden Handelsstufe geliefert werden, selbst wenn solche Teile zulassungs- bzw. registrierungspflichtig sind. Insofern berücksichtigt die Verwaltung offensichtlich, dass es im Sachverhalt des EuGH-Urteils v. 19.07.2012, C-33/11 nicht um Flugzeugteile, sondern um ganze Flugzeuge ging.