FG Düsseldorf zu Vorsteuerabzugsberechtigung einer Einzelperson vor Gründung einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft

Anmerkung zu: FG Düsseldorf, Urt. v. 30.01.2015 1 K 1523/14 U; ein Steuerpflichtiger kann als Einzelperson unter gewissen Umständen über bezogene Beratungsleistungen zum Zwecke der Vorbereitung und Errichtung einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft in Rechnung gestellte Vorsteuerbeträge abziehen

Praxisproblem

Ein Steuerpflichtiger, der eine „Ein-Mann-Kapitalgesellschaft“ gründen möchte, um anschließend eine unternehmerische Tätigkeit mittels dieser Gesellschaft auszuüben, wird in vielen Fällen selbst nie unternehmerisch tätig. Werden nun Beratungsleistungen durch den Steuerpflichtigen bezogen, stellt sich die Frage, ob der Steuerpflichtige, auch wenn er selbst nie steuerpflichtige Umsätze ausführt, die Vorsteuern aus für die Gründung in Anspruch genommene Beratungsleistungen abziehen kann.

Wird die Vorsteuerabzugsberechtigung in diesem Fall grundsätzlich für möglich gehalten, ergeben sich Folgeprobleme, falls es – aus welchen Gründen auch immer – tatsächlich nicht zur Gründung der Ein-Mann-Kapitalgesellschaft kommt und es weder durch den Steuerpflichtigen noch durch die Gesellschaft zu keinem Zeitpunkt zu umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätzen kommt. Das FG Düsseldorf hat entscheiden, dass auch die Vorsteuern aus derartigen vergeblichen Beratungsleistungen auf Ebene des Steuerpflichtigen, d.h. des Gründungswilligen, abgezogen werden können.

Sachverhalt

Der Kläger wollte sich selbstständig machen und einen bestehenden Betrieb erwerben. Dazu ließ er sich beraten und ein Konzept für die Übernahme erstellen. Tatsächlich ist es wegen Finanzierungsproblemen nicht zur Betriebsübernahme gekommen. Der Kläger erklärte in der Folge daher auch keine Umsätze gegenüber dem Finanzamt, begehrte aber den Vorsteuerabzug aus den bezogenen Beratungsleistungen. Den Existenzgründungsbericht übermittelte der Kläger dem Finanzamt mit seiner Erklärung. Nach dem Bericht plante er, eine Folgegesellschaft der C-GmbH zu gründen. Die Unternehmensnachfolge sollte als Asset Deal (Verkauf des Vermögens durch die C-GmbH an die neue zu gründende GmbH des Klägers) ausgestaltet werden. Die Folge-Gesellschaft sollte als GmbH betrieben werden. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer sollte der Kläger werden.

Der Beklagte lehnte die Vorsteuererstattung ab, da der Kläger die Unternehmereigenschaft (§ 2 UStG) nicht erfülle. Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, dass nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH eine zur Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtete Vorgründungsgesellschaft auch dann zum Abzug der Vorsteuer für den Bezug von Dienstleistungen und Gegenständen berechtigt sei, wenn die Vorgründungsgesellschaft selbst nicht die Absicht gehabt habe, besteuerte Umsätze auszuführen, weil ihr einziger Gesellschaftszweck die Vorbereitung der Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft gewesen sei. Für ihn müsse dasselbe gelten. Der Beklagte wendet dagegen ein, dass die vom Kläger angeführte Rechtsprechung auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht übertragen werden könne. Der dort beurteilten Vorgründungsgesellschaft habe es nicht an der Unternehmereigenschaft i.S.d. § 2 UStG gemangelt. Es seien konkrete Vorbereitungshandlungen (Erwerb von Anlagegütern etc.) von der Vorgründungsgesellschaft vorgenommen worden, welche die ernsthafte Absicht für die spätere Ausführung von entgeltlichen Leistungen belegt hätten. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall gewesen. Darüber hinaus sei hier weder eine Vorgründungsgesellschaft gegründet, noch eine Veräußerung der bezogenen Leistung an die Kapitalgesellschaft vorgenommen worden. Nur unter diesen Umständen sei ggf. ein Vorsteuerabzug möglich.

Entscheidung

Das Finanzgericht Düsseldorf hat dem Steuerpflichtigen den Vorsteuerabzug aus den vergeblichen Beratungsleistungen zugesprochen.

Soweit § 15 Abs. 1 S. 1  Nr. 1 UStG für den Vorsteuerabzug voraussetzt, dass „der Unternehmer“ die Leistungen „für sein Unternehmen“ bezogen haben muss, sind diese Anforderungen vorliegend erfüllt. Zwar wollte der Kläger bei Bezug der Eingangsleistungen in der Anfangsphase der (gescheiterten) Ein-Mann-GmbH-Gründung nicht selbst als natürliche Person besteuerte Umsätze ausführen, ihm steht jedoch der Vorsteuerabzug – vergleichbar einer Vorgründungsgesellschaft –  aus den bezogenen Beratungsleistungen zur Vorbereitung einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft zu. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 9 und 168 MwStSystRL, der Rechtsprechung des EuGH, der Rechtsprechung des BFH und der Maßgabe der Neutralität der Umsatzsteuer. Seit dem EuGH-Urteil „Faxworld“ (EuGH, Urt. v. 29.04.2004, C-137/02) ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass bereits eine Vorgründungsgesellschaft, die allein mit dem Ziel der Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtet wurde, als vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmerin angesehen werden kann, wenn diese Eingangsleistungen für die später gegründete Kapitalgesellschaft bezieht und andere Ausgangsumsätze von vornherein nicht beabsichtigt hatte. Dem Vorsteuerabzug der Vorgründungsgesellschaft steht dabei nicht entgegen, dass nach nationalem Zivilrecht das von der Vorgründungsgesellschaft erworbene Vermögen und die von ihr begründeten Rechte und Pflichten nicht ohne weiteres auf die zu gründende Kapitalgesellschaft übergehen, sondern durch besonderes Rechtsgeschäft übertragen werden müssen, und deshalb die beabsichtigte Tätigkeit nicht von demselben Unternehmer ausgeübt wird (vgl. BFH, Urt. v. 15.07.2004 V R 84/99). Denn es wäre mit dem Neutralitätsgrundsatz der Umsatzsteuer nicht zu vereinbaren, der Vorgründungsgesellschaft den Vorsteuerabzug zu versagen, weil sie die Leistungen nicht für eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit bezieht, und der später gegründeten Kapitalgesellschaft den Vorsteuerabzug ebenfalls nicht zu gewähren, weil sie die Leistungen nicht bezogen hat.

Diese Maßgaben sind auf den hier zu entscheidenden Fall übertragbar. Zwar kann bei Gründung einer Ein-Mann-GmbH vor der notariellen Beurkundung zivilrechtlich keine Vorgründungsgesellschaft angenommen werden, weil der zur GmbH-Gründung entschlossene Gesellschafter allein keine GbR oder OHG mit sich errichten kann. Diese zivilrechtliche Besonderheit, dass bei Gründung einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft eine der Vorgründungsgesellschaft entsprechende Organisation nicht existiert, ist nach Auffassung des Senates jedoch kein sachlicher Grund, um dem (späteren) Alleingesellschafter den Vorsteuerabzug aus den ersten Investitionsausgaben, die er zur Vorbereitung der wirtschaftlichen Tätigkeit der noch zu gründenden Ein-Mann-Kapitalgesellschaft tätigt, zu versagen. Vielmehr muss nach dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität auch dem späteren Alleingesellschafter einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft in der Vorgründungsphase für solche Eingangsleistungen der Vorsteuerabzug ebenso zustehen wie der Vorgründungsgesellschaft einer (Zwei-Mann-) Kapitalgesellschaft. Zwingende Gründe, die eine Ungleichbehandlung des zur Gründung entschlossenen Alleingesellschafters zu einer (aus mindestens zwei Personen bestehenden) Vorgründungsgesellschaft im Hinblick auf den Vorsteuerabzug rechtfertigen können, sind für den Senat nicht ersichtlich und wurden vom Beklagten auch nicht vorgetragen.

Im Streitfall hatte der Kläger hinsichtlich der bezogenen Eingangsberatungsleistungen keine andere Wahl, als die streitigen Beratungsleistungen selbst als (natürliche) Einzelperson in Auftrag zu geben, denn die bezogenen Eingangsleistungen dienten gerade der Klärung der Frage, ob eine noch zu gründende Ein-Mann-Kapitalgesellschaft, deren Gesellschaftsanteile insgesamt vom Kläger gehalten werden sollten, wirtschaftlich erfolgreich sein könnte. Eine andere, betriebswirtschaftlich unzweckmäßige Reihenfolge (welche der Beklagte offensichtlich für eine Vorsteuerabzugsberechtigung voraussetzt),d.h. zunächst die Gründung der Ein-Mann-GmbH, die dann eine Rentabilitätsstudie in Auftrag gibt, ob ihre Tätigkeit eine gute Chance auf Erfolg hat, kann nach Auffassung des Senates keine andere Möglichkeit der Gestaltung im Sinne der o.g. Rechtsprechung darstellen.

Soweit der V. Senat des BFH (Urt. v. 17.01.2002, V R 64/01) – vor Ergehen des EuGH-Urteils „Faxworld“ v. 29.04.2004 a.a.O. – bereits entschieden hat, dass der Vorsteuerabzug einer später gegründeten Ein-Mann-GmbH nicht schon daran scheitert, dass der der Eingangsleistung zugrunde liegende Vertrag schon vor Errichtung der Kapitalgesellschaft vom späteren Alleingesellschafter geschlossen wurde, ist dies für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ohne Bedeutung. Die Frage, ob ggf. die später tatsächlich gegründete Ein-Mann-Kapitalgesellschaft als Unternehmerin aufgrund von Eingangsleistungen, die der Alleingesellschafter in der Vorgründungsphase bezogen hat, zum Vorsteuerabzug aus den bezogenen Eingangsleistungen berechtigt ist, stellt sich vorliegend nicht, weil es gar nicht zur Gründung der geplanten Ein-Mann-Kapitalgesellschaft gekommen ist.

Auch der Umstand, dass im Streitfall tatsächlich keine Ausgangsumsätze ausgeführt wurden, steht einer Unternehmereigenschaft und der Berechtigung zum Vorsteuerabzug vorliegend nicht entgegen. Auch der umsatzlos gebliebene sog. „erfolglose Unternehmer“ kann unter bestimmten Voraussetzungen für Leistungen im Zusammenhang mit der Vorbereitung seiner beabsichtigten Unternehmertätigkeit den Vorsteuerabzug vornehmen (vgl. nur BFH, Beschl. v. 23.05.2002, V B 104/01). Denn als Steuerpflichtiger im Sinne des Unionsrechts hat zu gelten, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt. Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerverwaltung bereits bei der erstmaligen Festsetzung der Steuer bekannt ist, dass die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit, die zu steuerbaren Umsätzen führen sollte, nicht ausgeübt werden wird (vgl. EuGH, Urt. v. 08.06.2000, C-400/98, Breitsohl). Im Streitfall steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Kläger ernsthaft die Absicht hatte, eine Ein-Mann-Kapitalgesellschaft zu gründen und mit dieser durch Montage von bzw. Handel mit Bauelementen umsatzsteuerpflichtige Umsätze zu erzielen. Objektive Anhaltspunkte für eine beabsichtigte unternehmerische Tätigkeit bieten die bezogenen Eingangsleistungen, weil diese als unternehmensbezogene Vorbereitungshandlungen anzusehen sind. Soweit der Beklagte meint, die vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen seien – anders als der Erwerb von Anlagegütern – keine konkrete Vorbereitungsmaßnahmen, steht diese Auffassung im Widerspruch zu UStAE Absch. 2. 6. Abs. 1 und Abs. 2, wonach auch die Anforderung einer Rentabilitätsstudie eine solche Vorbereitungshandlung darstellt, mit der der Nachweis der Ernsthaftigkeit der Absicht, später entgeltliche Leistungen ausführen zu wollen, geführt werden kann.

Der Kläger hat die Eingangsleistungen vorliegend auch für „sein“ Unternehmen bezogen. Nach dem Inhalt des Existenzgründungsberichtes wurde der Kläger nicht in seiner Eigenschaft als Gesellschafter dahingehend beraten, ob die Investition in Gesellschaftsanteile für den Kläger rentabel sein könnte, sondern die Beratung zielte vielmehr darauf ab, ob eine Unternehmung, deren Anteile insgesamt vom Kläger gehalten werden sollten, wirtschaftlich erfolgreich sein könnte.

Praxishinweis

Bei der Entscheidung des FG Düsseldorf handelt es sich um eine begrüßenswerte und praktische Entscheidung, die die bislang zum Vorsteuerabzug von Vorgründungsgesellschaften ergangene Rechtsprechung eins zu eins auf zu gründende Ein-Mann-Kapital-Gesellschaften überträgt. Es ist auch nicht fernliegend, dass die getroffene Entscheidung von BFH bestätigt wird. Gleichwohl musste das FG Düsseldorf einige nicht unerhebliche Unterschiede zu den in der bisherigen Rechtsprechung behandelten Fällen umschiffen, um zu diesem Ergebnis zu gelangen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung des BFH in dieser Sache sollten sich daher Einzelexistenzgründer darum bemühen, eine möglichst große Nähe zu bereits durch den BFH entschiedenen Fälle herzustellen. In dem vom BFH entschiedenen Sachverhalt (BFH, Urt. 15.07.2004, V R 84/99) wurden die bezogenen Eingangsleistungen an die zu gründende Gesellschaft weiterveräußert. Sollte diese Weiterveräußerung steuerbar und steuerpflichtig sein, so wäre der Existenzgründer originär Umsatzsteuersubjekt. Handelt es sich um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) so wird nach dem BFH auf die Tätigkeit des Erwerbers durchgeblickt. Sinnvoll ist es daher, im frühestmöglichen Zeitpunkt eine Weiterveräußerungsabsicht der Leistungen an die zu gründende Gesellschaft zu dokumentieren. Von besonderer Bedeutung ist außerdem, dass nicht der Anschein erweckt wird, es handele sich um eine Beratungsleistung betreffend die Investition in Geschäftsanteile.