BFH zur Einreihung von Schlachtnebenerzeugnissen

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 07.07.2015, VII R 65/13; Geltung des ermäßigten Steuersatzes auch für in einem Futtermittelbetrieb getrocknete Schweineohren

Praxisproblem

Nach dem BMF-Schreiben v. 16.10.2006, BStBl. I 2006, 620 (vgl. auch Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UStAE) werden genießbare getrocknete Schweineohren (Schlachtnebenerzeugnis) – auch wenn als Tierfutter verwendet – in die Unterposition 0210 99 49 des Zolltarifs (ZT) eingereiht. Umsätze mit diesen Erzeugnissen unterliegen dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 2 der Anlage 2 zum UStG). Getrocknete Schweineohren (Schlachtnebenerzeugnis), die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind, werden jedoch der Unterposition 0511 99 90 ZT zugewiesen. Umsätze mit diesen Erzeugnissen unterliegen dem allgemeinen Steuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG).

Der BFH hatte zu getrockneten Schweineohren in einem Fall zu entscheiden, in dem streitig war, ob mit der Trocknung von im frischen Zustand genießbaren Schweineohren in einem Futtermittelbetrieb die Schweineohren noch genießbare Schlachtnebenerzeugnisse i.S.d. Nr. 2 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt einen Lebensmittelhandel. Für die Streitjahre 2006 und 2007 unterwarf sie die Lieferung getrockneter Schweineohren dem ermäßigten Steuersatz. Das FG Nürnberg hatte mit Urteil v. 04.12.2012, 2 K 1568/10 entschieden, für die Lieferungen komme eine Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG weder i.V.m. Nr. 2 noch i.V.m. Nr. 37 der Anlage 2 in Betracht. Mit der Trocknung der im frischen Zustand genießbaren Schweineohren in Futtermittelbetrieben seien die Schweineohren keine genießbaren Schlachtnebenerzeugnisse i.S.d. Nr. 2 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG mehr. Eine ermäßigte Besteuerung als „Rückstände und Abfälle der Lebensmittelindustrie; zubereitetes Futter“ gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 37 der Anlage 2 komme mangels einer Zubereitung im Sinne der Verarbeitung eines Erzeugnisses ebenfalls nicht in Betracht. Die Schweineohren seien vielmehr in Kap. 5 der KN einzuordnen. Die Umsätze seien daher gem. § 12 Abs. 1 UStG nach dem Regelsteuersatz zu versteuern.

Mit der Revision hatte die Klägerin vorgetragen, die Unterscheidung zwischen genießbaren getrockneten Schweineohren sei nicht anhand des Ortes der Trocknung und der damit verbundenen Frage der Einhaltung von lebensmittel- und hygienerechtlichen Vorschriften zu treffen.

Entscheidung

Der BFH hat im Sinne der Klägerin entschieden. Für die Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 zum UStG kommt es allein auf die zolltariflichen Vorschriften und Begriffe an. Entgegen der Auffassung des FG Nürnberg kommt es somit für die Einreihung in das Kap. 2 nicht maßgeblich auf die Bestimmungen des nationalen Lebensmittelrechts, auf hygienerechtliche Vorschriften oder den Verwendungszweck der Schweineohren (ob als Tierfutter oder für den menschlichen Verzehr) an. Entscheidend ist, ob die Produkte genießbar, d.h. für den menschlichen Verzehr geeignet sind.

Nach Auffassung des BFH sind im Streitfall die getrockneten Schweineohren nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften als für den menschlichen Verzehr geeignet anzusehen. Wie sich aus der zolltariflichen Einreihungs-VO Nr. 1125/2006 ergebe, beeinträchtige das Trocknen der im frischen Zustand genießbaren Schweineohren in einem Futtermittelbetrieb nicht deren Eignung zum menschlichen Verzehr. Durch das Trocknen werde die Vermehrung von Keimen und das Verderben der Schweineohren gehemmt. Dies gilt nach dem Urteil grundsätzlich auch dann, wenn sie in einer Anlage außerhalb der Lebensmittelkette getrocknet werden. Da Schweineohren von Menschen ohnehin regelmäßig nicht in getrocknetem Zustand, sondern erst nach einem Garvorgang verzehrt werden können, verlieren die Ohren nach dem BFH-Urteil ihre Eignung für den menschlichen Verzehr auch nicht allein deshalb, weil sie in einem den Anforderungen des deutschen Lebensmittelrechts nicht unterliegenden Betrieb getrocknet wurden. Vielmehr müssten weitere Umstände hinzukommen, durch die die Eignung der Schweineohren für den menschlichen Verzehr aufgehoben wird (wie z.B. Fäulnis, Schimmel oder sonstige ein Verderben und damit die Ungenießbarkeit herbeiführende Umstände).

Praxishinweis

Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln rechtsverbindlich festgelegt sind. Beachtlich ist jedoch, dass der BFH nicht die Entscheidung des EuGH in der derzeit anhängigen Rechtssache C-233/15, SIA Oniors Bio (Vorabentscheidungsersuchen eines litauischen Gerichts) abgewartet hat. Dort geht es u.a. um die Bedeutung des Lebensmittelrechts der EU und der Mitgliedstaaten bei der Auslegung der Begriffe „Lebensmittelerzeugnis“ und „anderes Erzeugnis als Lebensmittel“ und um die Frage, ob der Verwendungszweck des Erzeugnisses ein objektives Einreihungskriterium ist.