EuGH - Urteil zum Leistungsaustausch, tauschähnlicher Umsatz

Steuerbarkeit, Leistungsaustausch, tauschähnlicher Umsatz, Umsatz zwischen einer GmbH und ihrem Gesellschafter

EuGH, Urteil vom 26.9.2013, C-283/12 (Serebryannay vek EOOD)

Praxisproblem

Das Wirtschaftsleben orientiert sich nicht an umsatzsteuerlichen Normen und so sind regelmäßig Abgrenzungsfragen zum Leistungsaustausch, zum Tausch und tauschähnlichen Umsatz von den Unternehmen zu beantworten, da anderenfalls Umsatzsteuer fehlerhaft deklariert und abgerechnet wird. Das nachfolgende Urteil gibt nähere Anhaltspunkte zur Beurteilung der Abgrenzungsfragen.

Sachverhalt

Bei dem bulgarischen Verfahren ging es um die Auslegung der Art. 2 Abs. 1 Buchst. c sowie der Art. 26, 62 und 63 MwStSystRL. Fraglich war die umsatzsteuerliche Behandlung der Durchführung von Baumaßnahmen an einer Immobilie, hinsichtlich derer der Klägerin von einer verbundenen Person ein dingliches Nutzungsrecht ohne Mietzins eingeräumt wurde. Zudem ging es um die Frage, ob hinsichtlich der Baumaßnahmen, für die der Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde, eine private Nutzung vorliegt, wenn es zu der beabsichtigten Vermietung nicht gekommen ist und die Immobilie auch nicht anderweitig genutzt wird.

Der Klägerin, einer GmbH nach bulgarischem Recht, wurde von ihrem alleinigen Anteilseigner und Geschäftsführer (natürliche Person) im Jahr 2009 für die Dauer von fünf Jahren ein dingliches Nutzungsrecht an zwei Appartements im Rohbau eingeräumt. Es handelte sich um ein eigenständiges Appartement in einem Appartementhotel und um ein Büro. Gemäß den Verträgen verpflichtete sich die Klägerin zur Durchführung der abschließenden Reparatur-/Montagearbeiten, einschließlich der Einrichtung, zur Vollendung und Inbetriebnahme der Immobilien auf eigene Rechnung und im eigenen Namen. Nach den Verträgen wollte die Klägerin die Appartements zur Untervermietung an Dritte nutzen und schuldete dem Anteilseigner (Alleingesellschafter) keinen Mietzins. Die Klägerin ließ die Immobilien fertig stellen und machte aus den bezogenen Bauleistungen den Vorsteuerabzug geltend. Die Ausgaben wies sie in der Bilanz in Zusammenhang mit dem Erwerb von Vermögensgegenständen aus. Eine tatsächliche Vermietung oder andere Nutzung wurde nicht festgestellt.

Die bulgarische Steuerverwaltung kam mit Steuerprüfungsbescheid aus Dezember 2011 zu dem Ergebnis, dass ein Tauschvorgang vorliege, weil ungeachtet dessen, dass in den Verträgen keine Vergütung vereinbart worden sei, die Klägerin die Appartements im Gegenzug gegen die Dienstleistung der Reparatur und Einrichtung faktisch zur Miete erhalten habe. Zeitpunkt der von der Klägerin erbrachten Dienstleistung sei die Erteilung der bauaufsichtsrechtlichen Nutzungsgenehmigung bzw. die baurechtliche Abnahme. Steuerbemessungsgrundlage sei der Normalwert.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass kein Tausch vorliege, da keine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungen vereinbart worden seien. Vielmehr werde im Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe des Vermögensgegenstandes im verbesserten Zustand eine unentgeltliche Dienstleistung erbracht. Die Erhebung von MwSt auf eine unentgeltliche, für Zwecke einer unabhängigen wirtschaftlichen Tätigkeit erbrachte Dienstleistung, verstoße gegen die MwStSystRL, wonach nur entgeltliche Umsätze steuerbar seien.

Das vorlegende Gericht war der Auffassung, dass die vorliegenden Rechtsbeziehungen zu Unrecht als Miete eingestuft worden seien. Bei der unentgeltlichen Überlassung einer Immobilie zur Nutzung für einen bestimmten Zeitraum handele es sich um eine Leihe. Ein Tausch liege nicht vor, da die Parteien keine Verpflichtungen zu im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungen eingegangen seien. Das Gericht ging davon aus, dass von der Klägerin eine Dienstleistung zur Verbesserung eines fremden Vermögensgegenstandes erbracht wurde, die ertragsteuerlich ein immaterielles Anlagegut darstelle. Die Person, die die Verbesserung bewirke, erhalte vom Eigentümer keine Vergütung für die erbrachte Dienstleistung, sondern erlange im Gegenzug für die Ausgaben für eine solche Dienstleistung einen Vermögensgegenstand. Unter diesen Umständen stelle sich die Frage, ob ein entgeltlicher Umsatz vorliege.

Bei der Dienstleistung (zur Verbesserung eines fremden Vermögensgegenstandes) handele es sich um eine unentgeltliche Dienstleistung, die für die Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin erbracht worden sei, und hinsichtlich derer - trotz des ausgeübten Vorsteuerabzugs - keine Grundlage gegeben sei, um sie einem entgeltlichen Umsatz gleichzustellen. Hinsichtlich der beabsichtigen Mietumsätze ging das Gericht von deren Steuerbarkeit aus.

Das vorlegende Gericht wies auf folgende Regelungen des bulgarischen Umsatzsteuerrechts hin: Der unentgeltliche Umsatz zur Verbesserung eines gemieteten oder zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstandes stellt einen steuerbaren Umsatz dar, es sei denn der Vermögensgegenstand wurde tatsächlich ununterbrochen für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren gemietet oder zur Nutzung überlassen. Der Steuertatbestand tritt zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe des Vermögensgegenstandes im reparierten und/oder verbesserten Zustand ein. Steuerbemessungsgrundlage für einen solchen steuerbaren Umsatz ist der Normalwert.

Angesichts des Umstandes, dass die Parteien der Geschäfte verbundene Personen sind, und dass während der Vertragsdauer keine steuerbaren Umsätze bewirkt wurden, stellte sich nach Ansicht des Gerichts die Frage, ob wegen der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs der Fall einer privaten Nutzung im Sinne von Art. 26 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL (einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellte Umsätze) vorliegt. Weiter wies das vorlegende Gericht im Hinblick auf den Steuerentstehungszeitpunkt auf die Verlängerbarkeit der Verträge hin. Hinsichtlich der Steuerbemessungsgrundlage wies es darauf hin, dass nach Art. 80 MwStSystRL die Mitgliedstaaten nur in Fällen entgeltlicher Umsätze zwischen verbundenen Unternehmen den Normalwert ansetzen können.

Entscheidung

Der EuGH hat die Frage, ob nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL die Dienstleistungen der Instandsetzung und Einrichtung des Appartements als entgeltlich anzusehen ist, wenn sich der Leistende nach dem mit dem Eigentümer des Appartements geschlossenen Vertrag zum einen verpflichtet, die Dienstleistungen auf eigene Rechnung zu erbringen, und zum anderen das Recht erhält, über das Appartement zu verfügen, um es, ohne zur Zahlung von Mietzins verpflichtet zu sein, für die Dauer des Vertrags für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen, während der Eigentümer das hergerichtete Appartement bei Vertragsende zurückerhält, bejaht.

Der EuGH hat in dem Vorgang einen steuerbaren Leistungsaustausch erkannt. Es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Instandsetzungsarbeiten und der von dem Leistenden im Austausch tatsächlich empfangenen Gegenleistung, nämlich dem Recht, über das betreffende Appartement zu verfügen, um es für die Dauer des Vertrags für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen. Der Umstand, dass die Dienstleistungen dem Eigentümer des Appartements erst nach Vertragsende zugutekommen, ändert hieran nichts, da sich die Parteien eines solchen synallagmatischen Vertrags mit Vertragsabschluss einander verpflichtet hätten, gegenseitige Leistungen zu erbringen.

Die weiteren Vorlagefragen musste der EuGH demzufolge nicht mehr beantworten.

Praxishinweis

Auch nach deutschem Recht wäre im Vorlagefall von einem Leistungsaustausch auszugehen gewesen. Dies hat der EuGH bestätigt. Damit war auch die Einräumung des Nutzungsrechts an der von dem Gesellschafter privat erworbenen Immobilie gegenüber der GmbH eine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit.

Im Vorlagefall lag wegen der festgestellten Steuerbarkeit ein tauschähnlicher Umsatz vor (Einräumung des Nutzungsrechts an einer Immobilie durch den Gesellschafter gegen die Übernahme der Instandsetzungsarbeiten durch die GmbH). Beim Tausch und bei tauschähnlichen Umsätzen gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Der Wert des anderen Umsatzes wird durch den subjektiven Wert für die tatsächlich erhaltene und in Geld ausdrückbare Gegenleistung bestimmt. Subjektiver Wert ist derjenige, den der Leistungsempfänger der Leistung beimisst, die er sich verschaffen will und deren Wert dem Betrag entspricht, den er zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. 4. 2008, XI R 56/06, BStBl II S. 909, und EuGH-Urteil vom 2. 6. 1994, C-33/93, EuGHE I S. 2329).

Im Übrigen enthält das deutsche Recht keine dem bulgarischen Recht vergleichbaren Regelungen zur Besteuerung einer Dienstleistung zur Verbesserung eines fremden Vermögensgegenstandes.