BMF zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Bestelleintritts in Leasingfällen

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 31.08.2015,  III C 2 - S 7100/07/10031 :005

Praxisproblem

Bei der Beschaffung von Investitionsgütern kommt es häufig zu einem Dreiecksverhältnis, bei dem der Kunde (künftiger Leasingnehmer) zunächst einen Kaufvertrag über den Liefergegenstand mit dem Lieferanten und anschließend einen Leasingvertrag mit dem Leasing-Unternehmen abschließt. Durch Eintritt in den Kaufvertrag (sog. Bestelleintritt) verpflichtet sich das Leasing-Unternehmen zur Zahlung des Kaufpreises und erlangt den Anspruch auf Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an dem Gegenstand. Mit Urteil v. 08.09.2011, V R 43/10 hatte der BFH entschieden, dass es dem Vorsteuerabzug aus einer Lieferung i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG nicht entgegensteht, dass der Lieferer zivilrechtlich nicht Eigentümer des Liefergegenstands ist und darüber hinaus beabsichtigt, den gelieferten Gegenstand vertragswidrig nochmals an einen anderen Erwerber zu liefern. Das Urteil war zusammen mit dem BMF-Schreiben v. 07.02.2014, BStBl. I, 271 veröffentlicht worden und wird damit von der Verwaltung allgemein angewendet. Dennoch konnte die Frage auftreten, ob das BFH-Urteil möglicherweise im Widerspruch zur bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung zum nachträglichen Bestelleintritt steht.

Sachverhalt

Der BFH geht in seinem Urteil v. 08.09.2011, V R 43/10, dem offenbar ein Sachverhalt mit nachträglichem Bestelleintritt zugrunde lag, generell von einer Lieferung des Lieferanten an das Leasing-Unternehmen aus. Der Sachverhaltsdarstellung des Ausgangsfalles lassen sich insoweit jedoch keine näheren Informationen entnehmen. Möglicherweise hatte die Verwaltung daher bisher keinen Anlass gesehen, auf Grund des BFH-Urteils von ihrer bisherigen Auffassung abzugehen.

Die bisherige Verwaltungsauffassung zu umsatzsteuerlichen Auswirkungen eines sog. nachträglichen Bestelleintritts bei Leasing- bzw. Mietkaufverträgen lässt sich wie folgt skizzieren: Für die Entscheidung, von wem eine Leistung erbracht und von wem sie empfangen wird, ist für Zwecke der Umsatzsteuer darauf abzustellen, wer aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, das dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, berechtigt und verpflichtet ist. Bis zur Ausführung der Leistung können die Vertragspartner jederzeit mit umsatzsteuerlicher Wirkung ausgetauscht werden, z.B. durch einen Bestelleintritt oder jede andere Form der Vertragsübernahme. Nach Ausführung der Leistung eingetretene Vertragsänderungen sind dagegen umsatzsteuerlich unbeachtlich, weil mit Leistungsausführung der für die Umsatzsteuer maßgebliche Vorgang beendet ist. Daran kann auch eine – lediglich einseitige – Anzeige eines möglicherweise bevorstehenden Bestelleintritts vor Ausführung der Lieferung nichts ändern. Ob eine andere Beurteilung angezeigt ist, wenn zwischen dem Lieferanten und dem Leasing-Unternehmen eine Rahmenvereinbarung zur Absatzfinanzierung besteht, dürfte vom jeweiligen Einzelfall abhängen. Grundsätzlich gilt aber, dass eine nur im Innenverhältnis zwischen dem Lieferanten und dem Leasing-Unternehmen bestehende Vereinbarung keine Auswirkungen auf ein Liefergeschäft mit dem Kunden haben kann. Ansonsten müsste der Kaufvertrag mit dem Kunden ausdrücklich auf die Rahmenvereinbarung Bezug nehmen und Regelungen für den Abschluss eines Leasingvertrags zwischen dem Kunden und dem Leasing-Unternehmen enthalten. Ergänzt wurden diese Grundsätze durch die bisherigen  Ausführungen zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Leasingverträgen in Abschn. 3.5. Abs. 5 bis 7 UStAE. Diese Regelungen wiederum beruhen zum Teil auf den Formulierungen in Abschn. 25 Abs. 4 bis 6 der UStR 2008 sowie des BMF-Schreibens vom 04.12.2008, BStBl. I 2008, 1084.

Entscheidung

Mit BMF-Schreiben v. 31.08.2015, mit dem in Abschn. 3.5 ein neuer Abs. 7a eingefügt wurde, werden die Fälle des Bestelleintritts in Leasingfällen umfassend geregelt. Für die Frage, von wem in diesen Fällen der Leasing-Gegenstand geliefert und von wem er empfangen wird, ist darauf abzustellen, wer aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, das dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, berechtigt und verpflichtet ist (vgl. Abschn. 2.1 Abs. 3 und Abschn. 15.2b Abs. 1 UStAE). Maßgebend dafür sind die Vertragsverhältnisse im Zeitpunkt der Leistungsausführung. Bis zur Ausführung der Leistung können die Vertragspartner mit umsatzsteuerlicher Wirkung ausgetauscht werden, z.B. durch einen Bestelleintritt oder jede andere Form der Vertragsübernahme. Vertragsänderungen nach Ausführung der Leistung sind dagegen umsatzsteuerlich unbeachtlich. Das BMF-Schreiben unterscheidet hiernach zwei Fälle:

  • Tritt das Leasing-Unternehmen vor der Lieferung des Leasing-Gegenstandes an den Kunden in den Kaufvertrag ein, liefert der Lieferant den Leasing-Gegenstand an das Leasing-Unternehmen, weil dieses im Zeitpunkt der Lieferung aus dem Kaufvertrag berechtigt und verpflichtet ist. Die körperliche Übergabe des Leasing-Gegenstandes an den Kunden steht dabei einer Lieferung an das Leasing-Unternehmen nicht entgegen (§ 3 Abs. 1 UStG). Das sich anschließende Leasing-Verhältnis zum Kunden führt je nach ertragsteuerlicher Zurechnung des Leasing-Gegenstandes zu einer Vermietungsleistung oder einer weiteren Lieferung (vgl. Abschn. 3.5 Abs. 5 UStAE).
  • Tritt das Leasing-Unternehmen in den Kaufvertrag aber erst ein, nachdem der Kunde bereits die Verfügungsmacht über den Leasing-Gegenstand erhalten hat (sog. nachträglicher Bestelleintritt), liegt eine Lieferung des Lieferanten an den Kunden vor. Diese Lieferung wird nach dem BMF-Schreiben durch den Bestelleintritt des Leasing-Unternehmens nicht nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG rückgängig gemacht. Der Kunde hat die Verfügungsmacht an dem Leasing-Gegenstand bereits durch die Auslieferung an ihn erlangt und verliert diese anschließend nicht mehr, da ihm der Leasing-Gegenstand auch nach der Vertragsübernahme durch das Leasing-Unternehmen zur Nutzung zur Verfügung steht. Die Leistung des Leasing-Unternehmens an den Kunden besteht in diesen Fällen in einer Kreditgewährung; zwischen dem Lieferanten und dem Leasing-Unternehmen liegt dagegen keine umsatzsteuerrechtlich relevante Leistung vor. Eine nur im Innenverhältnis zwischen dem Lieferanten und dem Leasing-Unternehmen bestehende Rahmenvereinbarung zur Absatzfinanzierung hat im Regelfall keine Auswirkungen auf die umsatzsteuerlichen Lieferbeziehungen.

Praxishinweis

Mit dem BMF-Schreiben v. 31.08.2015 wird die Verwaltungsauffassung umfassend dargestellt. Die Grundsätze der Regelung sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Inhaltlich wird an der bislang vertretenen Verwaltungsauffassung festgehalten, insbesondere auch zur Beurteilung einer etwaigen zwischen dem Lieferanten und dem Leasing-Unternehmen bestehenden Rahmenvereinbarung zur Absatzfinanzierung. Dennoch ergibt sich als Konsequenz dass im Falle eines Bestelleintritts der Eintretende sich vergewissern muss, dass nicht bereits eine Lieferung an den ursprünglichen Lieferungsempfänger erfolgt ist, da er ansonsten nicht weiß, dass eine Lieferung an ihn nicht mehr möglich ist.