BMF zur Steuerbefreiung für Vorumsätze in der Seeschifffahrt und in der Luftfahrt

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 05.09.2018

Praxisproblem

Nach § 4 Nr. 2 i. V. m. § 8 UstG sind sog. Vorstufenumsätze für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt steuerfrei. Hierbei handelt es sich um Umsätze, die auf Wirtschafts- und Umsatzstufen getätigt werden, die der eigentlichen Seeschifffahrt und Luftfahrt vorausgehen. Es handelt sich um Umsätze, die regelmäßig an die Unternehmer der Seeschifffahrt und der Luftfahrt bewirkt werden. Von den Unternehmern der Seeschifffahrt und der Luftfahrt werden diese Vorumsätze entweder generell für den Betrieb ihrer Unternehmen oder speziell für die nicht steuerbaren oder steuerfreien Umsätze dieser Unternehmen verwendet. Nach der bisherigen EuGH-Rechtsprechung war diese Steuerbefreiung eng auszulegen. Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Steuerbefreiung für die Versorgungsleistungen in der Seeschifffahrt der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen gleichgestellt ist, hatte der EuGH z. B. entschieden, dass die Steuerbefreiung nur für Lieferungen von Gegenständen an einen Betreiber von Schiffen anwendbar ist, der diese Gegenstände zur Versorgung der Schiffe verwendet. Die Steuerbefreiung sollte sich deshalb nicht auf Lieferungen dieser Gegenstände erstrecken können, die auf einer vorhergehenden Handelsstufe bewirkt werden. Gleiches wurde für die Steuerbefreiung der Luftfahrt angenommen.

Demgegenüber hatte der EuGH mit Urteil vom 04.05.2017, Rs. C-33/16 (A Oy), entschieden, dass zum einen nicht nur Dienstleistungen im Bereich des Beladens und Entladens eines Schiffes im Sinne von Art. 148 Buchst. a MwStSystRL steuerfrei sein können, die auf der letzten Handelsstufe einer solchen Dienstleistung erbracht werden, sondern auch auf einer vorausgehenden Handelsstufe erbrachte Dienstleistungen, wie etwa eine von einem Unterauftragnehmer an einen Auftraggeber, die dieser dann einem Speditions- oder Transportunternehmen weiterberechnet. Auch können Be- und Entladedienstleistungen steuerfrei sein, die an den Verfügungsberechtigten dieser Ladung, etwa deren Ausführer oder Einführer, erbracht werden.

Mit BMF-Schreiben v. 06.10.2017 hatte die Verwaltung sich dieser Rechtsprechung, die der Steuerbefreiung für Vorumsätze in der Seeschifffahrt und der Luftfahrt wesentlich mehr Anwendungsbreite gibt, unter Änderung von Abschnitt 8.1 UStAE angeschlossen. Wir haben in unserem Newsletter aus Oktober 2017 darüber berichtet.

Fraglich war jedoch auch nach Ergehen des BMF-Schreibens für die der Auslieferung eines neu gebauten Schiffes vorgelagerten Umsätze, ob die Steuerbefreiung nur für Leistungen greift, die unmittelbar an den Betreiber von Schiffen erbracht werden und wie die Lieferung der Teile, die für den Bau eines neuen Schiffes notwendig sind, zu behandeln ist.

Entscheidung

Mit Schreiben v. 05.09.2018 hat das BMF in diesem Kontext eine weitere Konkretisierung vorgenommen. Nach dem neugefassten Satz 3 in Abschnitt 8.1 Abs. 1 UStAE kann sich die Steuerbefreiung dann nicht auf Umsätze auf den vorhergehenden Stufen erstrecken, wenn im Zeitpunkt dieser Leistungen deren endgültige Verwendung für den Bedarf eines konkreten, eindeutig identifizierbaren Seeschiffes ihrem Wesen nach nicht feststeht. Steht aber im Zeitpunkt der Leistung deren endgültige Verwendung für den Bedarf eines solchen Seeschiffes fest und ist die endgültige Zweckbestimmung der Leistung bereits aufgrund der Befolgung der steuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (Beleg- und Buchnachweis) sowie der Befolgung der Aufbewahrungspflichten und nicht erst durch besondere Kontroll- und Überwachungsmechanismen nachvollziehbar, kann sich die Steuerbefreiung auch auf vorhergehende Stufen erstrecken. Nach den neugefassten Sätzen 1 und 2 von Abschnitt 8.1 Abs. 2 UStAE muss es sich bei den begünstigten Schiffen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG) bereits vorhandene Wasserfahrzeuge handeln, die nach ihrer Bauart dem Erwerb durch die Seeschifffahrt oder der Rettung Schiffbrüchiger zu dienen bestimmt sind. Mit dem BMF-Schreiben wird nunmehr zusätzlich geklärt, dass ein Wasserfahrzeug frühestens ab dem Zeitpunkt seines (klassischen) Stapellaufs oder seines Aufschwimmens im Trockendock als „vorhanden“ anzusehen ist.

Praxishinweis

Die Verwaltung ist mit diesem Schreiben im Prinzip zu einer in Abschn. 145 Abs. 4 Nr. 3 UStR 2005 getroffenen Regelung zurückgekehrt. Dort hieß es bereits: "Zu den Gegenständen der Schiffsausrüstung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 UStG) gehören: … 3. Teile von Schiffen und andere Gegenstände, die in ein bestimmtes nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG begünstigtes Wasserfahrzeug eingebaut werden sollen oder die zum Ersatz von Teilen oder zur Reparatur eines begünstigten Wasserfahrzeugs bestimmt sind. Diese Lieferungen sind jedoch nur dann steuerfrei, wenn sie für ein bereits vorhandenes begünstigtes Wasserfahrzeug bestimmt sind. Ein Wasserfahrzeug ist spätestens ab dem Zeitpunkt des Stapellaufs oder des Aufschwimmens im Dock als "vorhanden" anzusehen. … Lieferungen von Gegenständen, die nachweislich an eine Schiffswerft für ein Schiff nach seinem Stapellauf oder seinem Aufschwimmen im Dock bewirkt werden, sind deshalb steuerfrei.“

Somit ist nunmehr ausdrücklich grundsätzlich ausgeschlossen, dass Leistungen zum Neubau eines Seeschiffes (z. B. Leistungen auf Vorstufen zur Werklieferung eines Schiffes, etwa Leistungen an eine Werft, wie z. B. Lieferung einer Schiffsschraube, die zum Einbau in ein neu herzustellendes Seeschiff benötigt wird) unter die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 UStG fallen können. Dies setzt eine Seetüchtigkeit des Schiffes bzw. dessen Stapellauf voraus und schließt eine Einbeziehung von vorausgegangenen Herstellungsleistungen in die Steuerbefreiung aus. Dies bedeutet, dass insbesondere Leistungen der Wartung eines Seeschiffes bzw. Lieferungen, die zur Ausrüstung eines Seeschiffes bestimmt sind, voraussetzen, dass das Seeschiff als solches bereits vorhanden ist. Somit sind insbesondere Leistungen, die der Herstellung eines Seeschiffes dienen, bzw. Leistungen während des Baus eines Seeschiffes nicht von der Steuerbefreiung für Vorumsätze in der Seeschifffahrt (oder auch der Luftfahrt) umfasst.

Unverändert bleibt Abschn. 8.1 Abs. 2 UStAE insofern, als für das Vorliegen eines begünstigten Schiffes i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG die zolltarifliche Einordnung maßgebend ist. Dies bedeutet, dass nach dem Stapellauf eines Schiffes nicht zwingend alle Herstellungsarbeiten am Seeschiff abgeschlossen sein müssen und somit noch nicht in allen Fällen die Fertigstellung und Seetüchtigkeit erreicht sein muss. Denn von den hier betroffenen begünstigten Positionen des Zolltarifs (8901, 890200, 89039210, 890400 und 89069010) werden nicht nur vollständige betriebsfähige Wasserfahrzeuge erfasst, sondern auch unvollständige oder unfertige Fahrzeuge, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware haben. Die Lieferung der Teile kann somit (nur) dann unter die Steuerbefreiung fallen, wenn bereits ein (ggf. unvollständiges) Wasserfahrzeug vorliegt, in das die gelieferten Teile verbaut werden.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Steuerbefreiung für Vorumsätze in der Seeschifffahrt bzw. Luftfahrt keinem Wahlrecht unterliegt. Liegen die Voraussetzungen zur Anwendung der Steuerbefreiung vor, ist diese zwingend anzuwenden.

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