Wachstumschancengesetz endgültig verabschiedet – die E-Rechnung kommt zum 1.1.2025

Das Wachstumschancengesetz war bereits am 17. November 2023 vom Bundestag verabschiedet worden, BT Drucks. 20/9341.

Am 24. November 2023 hatte der Bundesrat zu dem Gesetz den Vermittlungsausschuss angerufen, der am 21. Februar 2024 ein Verhandlungsergebnis zu einem veränderten Gesetz annahm. Der Bundestag hatte am 23. Februar 2024 dem Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zugestimmt. Nunmehr hat auch der Bundesrat am 22. März 2024 dieser Gesetzesfassung zugestimmt. Nach Ausfertigung und Verkündung im BGBl. wird das Gesetz somit in Kraft treten.

Im Umsatzsteuerrecht kommt es damit zu folgenden Änderungen:

I. Inkrafttreten am Tag nach Verkündung des Gesetzes
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG wird geändert.

Die Änderung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG stellt klar, dass die Steuersatzermäßigung nur auf Leistungen von Zweckbetrieben nach den §§ 66 - 68 AO anzuwenden ist. Bei Leistungen von Zweckbetrieben nach § 65 AO findet hingegen keine umsatzsteuerrechtliche Prüfung der Wettbewerbsrelevanz dieser Leistungen statt. 

Der neue § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 4 UStG stellt klar, dass ermäßigt besteuerte Leistungen auch dann vorliegen, wenn die von dem jeweiligen gemeinnützigen Zweck erfassten Personen entweder Empfänger der Leistung sind oder, wie z. B. bei Inklusionsbetrieben, bei der Leistungserbringung mitwirken.

II. Inkrafttreten zum 1.1.2024
Ausweitung der Steuerbefreiungen der Leistungen der Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Personen sowie in der Jugendhilfe
Nach dem neuen § 4 Nr. 16 Buchst. m UStG sind steuerfrei Leistungen von Einrichtungen, die als Verfahrenspfleger nach den §§ 276, 297, 298, 317 und 419 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestellt worden sind, wenn die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern. In § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG wurde die Steuerbefreiung der Vollständigkeit halber um die im Rahmen einer Unterbringung oder freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 167 Abs. 1 i. V. m. § 317 FamFG für Minderjährige tätige Verfahrensbeistände ergänzt. 

Reverse-Charge-Verfahren für Emissionszertifikate
Nach dem neu gefassten § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG gilt die Vereinfachungsregelung, wonach der Leistungsempfänger als Steuerschuldner anzusehen ist, wenn der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger für einen Umsatz die Regelung des § 13b Abs. 2 UStG angewandt haben, obwohl dies nach Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Voraussetzungen nicht zutreffend war, auch für die in § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG enthaltene Übertragung von Emissionszertifikaten, was bisher nicht der Fall war.

Istversteuerung
Die Umsatzgrenze für die Anwendbarkeit der Istversteuerung (Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr) in § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG wurde von 600.000 Euro auf 800.000 Euro angehoben. Damit wird ein Gleichlauf mit der Buchführungsgrenze nach § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, die ebenfalls von 600.000 Euro auf 800.000 Euro angehoben wurde, beibehalten. 

III. Inkrafttreten zum 1.1.2025: 
Einführung der E-Rechnung

Auf Grundlage der aktuellen Fassung der MwStSystRL ist in § 14 UStG bisher der Vorrang der Papierrechnung vor der elektronischen Rechnung (E-Rechnung) geregelt. Ausstellung und Empfang einer E-Rechnung sind bisher nur vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers möglich. Dieses Zustimmungserfordernis wird in bestimmten Fällen zum 1.1.2025 entfallen, so dass die E-Rechnung zu diesem Zeitpunkt verpflichtend ist. Die obligatorische Verwendung der E-Rechnung ist Voraussetzung für die zu einem späteren (bisher nicht feststehenden) Zeitpunkt einzuführende Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich durch Unternehmer an ein bundeseinheitliches elektronisches System der Verwaltung (Meldesystem). Durch die Einführung der obligatorischen Verwendung der E-Rechnung nach dem neu gefassten § 14 Abs. 2 UStG soll das Verfahren für die Unternehmer zeitlich entzerrt werden sowie die Nutzung der bestehenden Möglichkeiten der Digitalisierung in der Wirtschaft gefördert werden. Die obligatorische E-Rechnung wurde daher bereits jetzt im Vorgriff auf die Einführung des vorgenannten Meldesystems eingeführt. 

Rechnungsbegriff
Nach den Änderungen in § 14 Abs. 1 UStG zum Rechnungsbegriff wird zwischen elektronischer Rechnung und sonstiger Rechnung unterschieden. Eine Rechnung kann als elektronische Rechnung oder vorbehaltlich von § 14 Abs. 2 UStG als sonstige Rechnung übermittelt werden. 

Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. 

Eine sonstige Rechnung ist eine Rechnung, die in einem anderen elektronischen Format oder auf Papier übermittelt wird. 

Übermittlung der elektronischen Rechnung
Die Übermittlung einer elektronischen Rechnung oder einer sonstigen Rechnung in einem elektronischen Format bedarf der Zustimmung des Empfängers, soweit keine Verpflichtung zur Übermittlung einer E-Rechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG besteht. 

Format der elektronischen Rechnung
Das strukturierte elektronische Format einer elektronischen Rechnung

1. muss der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen gemäß der RL 2014/55/EU entsprechen 

oder

2. kann zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger vereinbart werden. Voraussetzung ist, dass das Format die richtige und vollständige Extraktion der nach dem UStG erforderlichen Angaben aus der elektronischen Rechnung in ein Format ermöglicht, das der v.g. europäischen Norm entspricht oder mit dieser interoperabel ist.

Damit wurde entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurf die Möglichkeit geschaffen, dass sich Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger gemeinsam auf die Verwendung eines anderen strukturierten elektronischen Formats einigen. Voraussetzung in diesem Fall ist, dass die für Zwecke der Umsatzsteuer erforderlichen Informationen so aus dem verwendeten Rechnungsformat richtig und vollständig extrahiert werden können, dass das Ergebnis der CEN-Norm EN 16931 entspricht oder mit dieser kompatibel ist. Ist dies sichergestellt, erfüllen insbesondere über EDI-Verfahren ausgestellte Rechnungen, deren Formate den Vorgaben der CEN-Norm EN 16931 nicht entsprechen, ebenfalls die Formatvorgaben für elektronische Rechnungen. Die Formulierung ist technologieoffen und erlaubt auch eine Anwendung auf weitere – auch neue – elektronische Rechnungsformate. 

Pflicht zur Ausstellung einer E-Rechnung 
Die Pflicht zur Ausstellung einer E-Rechnung ergibt sich aus dem neuen § 14 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Danach muss für eine Leistung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen (B2B) die Rechnung als elektronische Rechnung ausgestellt werden, wenn der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger im Inland oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete ansässig sind. D.h. die elektronische Rechnungstellung gilt nur für B2B-Umsätze (Lieferungen und sonstige Leistungen) zwischen im Inland ansässigen Unternehmern (somit z.B. nicht für grenzüberschreitende B2B-Umsätze an ausländische Unternehmer wie z.B. innergemeinschaftliche Lieferungen) bzw. für Leistungen durch ausländische Unternehmer, die der Umsatzsteuer im Inland unterfallen. 

Übergangsregelungen
Es gelten hinsichtlich der Übermittlung einer E-Rechnung noch Übergangsregelungen, wonach unter bestimmten Umständen für eine gewisse Zeit noch die herkömmliche Rechnungstellung möglich ist. Danach kann

  1. bis zum 31.12.2026 für einen nach dem 31.12.2024 und vor dem 1.1.2027 ausgeführten Umsatz die Rechnung auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers in einem elektronischen Format, das nicht § 14 Abs. 1 Satz 4 UStG entspricht, übermittelt werden; 
     
  2. bis zum 31.12.2027 für einen nach dem 31.12.2026 und vor dem 1.1.2028 ausgeführten Umsatz die Rechnung auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers in einem elektronischen Format, das nicht § 14 Abs. 1 Satz 4 UStG entspricht, übermittelt werden, wenn der Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) des die Rechnung ausstellenden Unternehmers im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 Euro betragen hat;
     
  3. bis zum 31.122027 für einen nach dem 31.12.2025 und vor dem 1.1.2028 ausgeführten Umsatz die Rechnung vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers in einem elektronischen Format, das nicht § 14 Abs. 1 Satz 6 UStG entspricht, ausgestellt werden, wenn diese mittels elektronischem Datenaustausch (EDI) übermittelt wird. 

Zu beachten ist allerdings, dass der leistende Unternehmer diese Übergangsregelungen nicht in Anspruch nehmen muss. Soweit ein Unternehmer von der Übergangsregelung keinen Gebrauch macht, muss der Leistungsempfänger in der Lage sein, einen Empfang der elektronischen Rechnung ab dem 1.1.2025 sicherzustellen. 

Kleinbetragsrechnungen/Fahrausweise
Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV) sowie Fahrausweise (§ 34 UStDV) dürfen immer als sonstige Rechnung im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 5 UStG übermittelt werden. D.h. insoweit gelten keine Anforderungen an eine elektronische Rechnungstellung. 

Änderungen im Besteuerungsverfahren (§ 18 UStG)
a) Abgabe Umsatzsteuer-Voranmeldung, § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG 

Nach dieser Vorschrift hat der Unternehmer dem Finanzamt unter den Voraussetzungen von § 18 Abs. 2 und 2a UStG eine Umsatzsteuer-Voranmeldung zu übermitteln. Dies gilt jedoch nach der Änderung der Vorschrift i. d. R. nicht in den Fällen, in denen die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch genommen wird. 

b) Voranmeldungszeitraum, § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG
Nach dieser Vorschrift kann der Unternehmer bisher durch das Finanzamt von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldung und Entrichtung der Vorauszahlung befreit werden, wenn die Steuer für das vorausgegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 Euro betragen hat. Dieser Schwellenwert wurde auf 2.000 Euro angehoben.

c) Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr, § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG
Nach dieser Regelung hat der Unternehmer dem Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr zu übermitteln. Dies gilt jedoch nach der Änderung der Vorschrift i. d. R. nicht in den Fällen, in denen die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch genommen wird.

Änderungen bei der Kleinunternehmerregelung, § 19 UStG
a) Bleibende Anwendbarkeit bestimmter Regelungen

§ 19 Abs. 1 Satz 4 UStG wurde neu gefasst. Zur Bürokratieentlastung werden Kleinunternehmer künftig grundsätzlich auch von der Übermittlung von Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr befreit. Dies betrifft jedoch nicht die Fälle des § 18 Abs. 4a UStG (d.h. Unternehmer, die ausschließlich USt in den Fällen von innergemeinschaftlichen Erwerben, des Reverse-Charge-Verfahrens oder von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften zu entrichten haben). In den dort genannten Fällen haben Kleinunternehmer dem Finanzamt weiterhin Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr zu übermitteln. Auch bleibt die Erklärungspflicht in dem Fall bestehen, in dem der Kleinunternehmer vom Finanzamt zur Abgabe aufgefordert wird. Die grundsätzliche Befreiung von den umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten gilt nur solange, wie die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG zur Anwendung kommt. 

b) Verzicht auf Anwendung der Kleinunternehmerregelung
§ 19 Abs. 2 UStG wurde neu gefasst. Der Unternehmer kann auf die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG verzichten. Bisher war die Verzichtserklärung gegenüber dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) möglich. Nunmehr hat der Unternehmer seinen Verzicht bis zum Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres (also binnen einer kürzeren Frist) gegenüber dem Finanzamt zu erklären. Der Verzicht gilt für mindestens 5 Kalenderjahre (an der Bindungsfrist ändert sich somit nichts). Die Verzichtserklärung kann nur mit Wirkung von Beginn des folgenden Kalenderjahres an widerrufen werden (bisher musste der Widerruf spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für den er gelten soll, erklärt werden).

Anwendungszeitraum der Neuregelungen zu den §§ 18 und 19 UStG
Die Änderungen in § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG, § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG sowie § 19 Abs. 2 UStG sind erstmals auf den Besteuerungszeitraum 2024 anzuwenden.

IV. Sonstiges
Anders als in dem ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen, ist die bis 31.3.2024 befristete Steuersatzermäßigung für Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz und für Lieferungen von Wärme über ein Wärmenetz nicht bereits am 29.2.2024 ausgelaufen.

Anders als in dem ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen, ist es nicht dazu gekommen, dass der Durchschnittssatz bzw. die Vorsteuerpauschale für Land- und Forstwirte ab 1.1.2024 von bisher 9,0 % auf 8,4 % abgesenkt wird.
 

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