Geplante Einführung von elektronischen Rechnungen im B2B-Bereich in Deutschland

Vorschlag der EU-Kommission zur einer von der MwStSystRL abweichenden Sondermaßnahme

Praxisproblem:
Bereits im Koalitionsvertrag vom 24.11.2021 haben die jetzigen Regierungsparteien im Bund – SPD, FDP und Grüne – die schnellstmögliche Einführung eines bundesweit einheitlichen elektronischen Meldesystems zur Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen vereinbart. Vorrangiges Ziel sollte es dabei sein, die Betrugsanfälligkeit des Mehrwertsteuersystems zu senken und gleichzeitig die Schnittstelle zwischen Verwaltung und den (steuerpflichtigen) Unternehmen zu modernisieren und gleichzeitig zu entbürokratisieren. Damit verweist der Koalitionsvertrag auch auf das nach wie vor im deutschen, aber auch im europäischen Mehrwertsteuersystem bestehende Problem des anhaltenden Steuerbetruges und der Steuerhinterziehung.

Das Problem des Mehrwertsteuer- bzw. Umsatzsteuerbetruges liegt auf der Hand und beschert nicht nur Deutschland, sondern allen EU-Mitgliedsstaaten jährlich erhebliche Steuermindereinnahmen. Die sogenannte „Mehrwertsteuerlücke“, als geschätzte Differenz zwischen den erwarteten und tatsächlichen Mehrwertsteuereinnahmen, betrug allein im Jahr 2020 nach Schätzungen der EU-Kommission ca. 93 Milliarden Euro (Bericht zur Mehrwertsteuerlücke aus dem Jahr 2022- VAT GAP Report 2022), wovon allein auf Deutschland  ca. 11 Milliarden Euro entfallen. Das Schließen dieser „Lücke“ bleibt daher ein wesentliches Ziel der EU sowie der jeweiligen Mitgliedsstaaten.

Initiativen auf EU- und nationaler Ebene
Am 08.12.2022 hatte die EU-Kommission dementsprechend dem Ministerrat der EU drei Rechtsetzungsvorschläge zur Modernisierung der Mehrwertsteuer „im digitalen Zeitalter“ (VAT in the Digital Age – VIDA, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter, COM(2022) 701 final, 2022/0407 (CNS)) vorgelegt (Hinweis: die Rechtsetzungsvorschläge der EU-Kommission „VAT in the Digital Age“ – VIDA vom 08.12.2022 haben wir in unserem Newsletter 28/2022 ausführlich vorgestellt). Neben Änderungen bei den Umsatzsteuerpflichten für Betreiber elektronischer Handelsplattformen sowie der Ausdehnung einer einheitlichen umsatzsteuerlichen Registrierungspflicht bei grenzüberschreitenden Umsätzen wurde vor dem Hintergrund des anhaltenden EU-weiten Mehrwertsteuerbetruges auch die Einführung digitaler Meldepflichten (Digital Reporting Requirements – DRRS) vorgeschlagen. Im Zuge einer entsprechenden Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) soll eine standardmäßige elektronische Rechnungsstellung zum 01.01.2024 sowie ein digitales Meldesystem für innergemeinschaftliche Transaktionen zum 01.01.2028 eingeführt werden.

Im Vorgriff auf den Vorschlag der EU-Kommission hinsichtlich der Einführung von elektronischen Rechnungen („E-Rechnungen“ bzw. „E-Invoices“) und mit Blick auf die genannten Vorgaben des Koalitionsvertrages zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetruges, beabsichtigt die Bundesregierung nunmehr die nationale Einführung der obligatorischen Nutzung elektronsicher Rechnungen im B2B-Bereich, also nur zwischen umsatzsteuerlichen Unternehmern, bereits zum 01.01.2025. Mit Einführung der elektronischen Rechnung soll die spätere Implementierung (zum 01.01.2028 nach den Planungen der EU-Kommission) eines zentralen Meldesystems zur Auswertung von Rechnungsdaten vorbereitet werden. Diesbezüglich strebt die Bundesregierung die Änderung des Umsatzsteuergesetzes, insbesondere von § 14 UStG („Ausstellungen von Rechnungen“) an, um die erwähnte Einführung elektronischer Rechnungen umzusetzen. So soll die Rechnung für eine im Inland steuerbare Leistung als elektronische Rechnung auszustellen sein, wenn der leistende Unternehmer im Inland ansässig ist und die Leistung nicht nach § 4 Nummer 1 bis 7 UStG steuerfrei ist.

Zu beachten ist hierbei, dass Rechnungsersteller bereits ab dem 27.11.2020 dazu verpflichtet sind, Lieferungen und Leistungen an öffentliche Einrichtungen des Bundes, bei denen dieser als Auftraggeber auftritt, mittels Rechnung in elektronischer Form gemäß § 3 E-Rechnungsverordnung- ERechV abzurechnen. Grundlage hierfür sind die Vorgaben aus der Richtlinie 2014/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen.

Eine rechtliche Hürde für die Implementierung einer nationalen Regelung zur Einführung einer obligatorischen E-Rechnung im B2B-Bereich findet sich jedoch zunächst einmal in der MwStSystRL selbst. Dabei erkennt Art. 218 MwStSystRL als Rechnungen grundsätzlich auch Papierrechnungen an und macht in Art. 232 MwStSystRL die Verwendung einer elektronischen Rechnung von der Zustimmung des Rechnungsempfängers abhängig. Soweit Deutschland von diesen Vorgaben für Rechnungen in Form einer verpflichtenden elektronischen Rechnungsstellung abweichen will, ist dieses zwar in Ausnahmefällen möglich, bedarf aber nach Art. 395 MwStSystRL eines Antrages zur Ermächtigung einzelner Mitgliedstaaten durch den Rat der EU zur Einführung von Sondermaßnahmen zur Steuervereinfachung oder Betrugsbekämpfung.

Einen solchen Antrag, Rechnungen von in Deutschland ansässigen Unternehmern abweichend von Art. 218 MwStSystRL nur dann zu akzeptieren, wenn sie in elektronischer Form ausgestellt werden sowie abweichend von Art. 232 MwSystRL die Verwendung elektronischer Rechnungen, die von in Deutschland ansässigen Unternehmern ausgestellt wurden, nicht von der Zustimmung des Rechnungsempfängers abhängig zu machen, hat die Bundesregierung am 07.11.2022 der EU-Kommission übersandt (Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Einführung einer Sondermaßnahme nach Artikel 305 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 07.11.2022).

Vorschlag der EU-Kommission vom 23.06.2023
Nach dem Antrag der Bundesregierung war die EU-Kommission auf Grundlage der rechtlichen Vorgaben des Art. 395 MwStSystRL verpflichtet, dem Rat der EU einen geeigneten Vorschlag vorzulegen bzw. diesem seine etwaigen Einwände mitzuteilen. Dementsprechend hat die Kommission nunmehr die erste Alternative gewählt und mit Datum vom 23.06.2023 dem Rat der Europäischen Union einen Vorschlag vorgelegt, mit dem Deutschland hinsichtlich der Einführung eines obligatorischen Systems für elektronische Rechnungen im B2B Bereich von den Vorgaben der MwStSystRL abweichen kann (Vorschlag für einen DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES zur Ermächtigung Deutschlands, eine von den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Sondermaßnahme einzuführen vom 23.06.2023, Com (2023), 340 final, 2023/0193 (NLE)).

In dem Vorschlag teilt die Kommission nunmehr mit, dass Deutschland beantragt hat, eine abweichende Sondermaßnahme gemäß Artikel 395 der MwStSystRL zu nutzen, um eine Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung für Umsätze von in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen einzuführen. Diese Verpflichtung wäre der erste Schritt zur Einführung eines elektronischen Meldesystems für die Übermittlung umsatzbasierter Daten über inländische B2B-Umsätze von Steuerpflichtigen an die Steuerbehörden. Ein solches Meldesystem wäre Deutschland zufolge ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung und würde die Mehrwertsteuererhebung verbessern.

Weiter wiederholt die Kommission die von Deutschland vorgetragenen bisherigen Maßnahmen zur Vermeidung von Umsatzsteuerbetrug und verweist auf die ebenfalls von Deutschland vorgetragene zu erwartende Kostenersparnis für die Unternehmen durch die Einführung elektronischer Rechnungen.

Deutschland erklärt zudem, dass nach Auffassung der Bundesregierung die mit der Sondermaßnahme verfolgten Ziele im Einklang mit den Plänen der Europäischen Kommission für ein europäisches Meldesystem stehen und sie den Richtlinienvorschlag zur Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter bei den Arbeiten zur Umsetzung des finalen nationalen Meldesystems berücksichtigen wird. Zu den Kernelementen des in Zukunft geplanten nationalen Systems soll dabei die zeitnahe Übermittlung von Rechnungsdaten – anfänglich beschränkt auf den B2B-Bereich – an ein zentrales Meldesystem gehören. Deutschland wird die Übermittlung von Daten über strukturierte Rechnungen in einem auf der CEN-Norm EN 16931 basierenden Standard-Format akzeptieren, um die Interoperabilität der nationalen und EU-weiten Systeme zu erleichtern.

Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, und das erwähnt die EU-Kommission in ihrem Vorschlag, dass Ermächtigungen, von den Art. 218 und 232 der MwStSystRL abzuweichen, um eine obligatorische elektronische Rechnungsstellung einzuführen, durch den Rat bereits Italien, Frankreich und Polen erteilt wurden.

Fazit:
Der Umsatzsteuerbetrug in der EU bleibt ein Thema und die Digitalisierung in Unternehmen und Behörden schreitet merklich voran. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auf nationaler Ebene und Ebene der EU kontinuierlich an Maßnahmen gearbeitet wird, um beiden Aspekten gerecht zu werden. Was aber so technisch und kompliziert in europäisches Verfahrensrecht eingekleidet erscheint, hat es in sich. Deutschland hat ausweislich des Vorlagebeschlusses der EU-Kommission vom 23.06.2023 konkrete Schritte unternommen, um bereits zum 01.01.2025 ein System obligatorischer Rechnungen in Deutschland im B2B-Bereich einzuführen, so dass Papierrechnungen hier zukünftig nicht mehr akzeptiert werden. Das alles ist ein erster Schritt zu einem Deutschland- und EU-weiten transaktionsbezogenen elektronischen Meldesystems.

Noch ist ungewiss, wann nach erfolgter und zu erwartender Zustimmung des EU-Ministerrates das deutsche Umsatzsteuergesetz entsprechend geändert wird. Sollte es jedoch beim Stichtag 01.01.2025 für die Einführung elektronischer Rechnungen bleiben, ist die Zeit für Anpassung im Vertrieb, dem Accounting und Steuerabteilungen der Unternehmen eng bemessen.

Wir als AWB halten Sie über die weitere Entwicklung der E-Rechnung in Deutschland auf dem Laufenden und stehen Ihnen auch in Zukunft gerne als Ansprechpartner in Sachen Umsatzsteuer zur Verfügung.


Link:

Durchführungsbeschluss des Rates zur Ermächtigung Deutschlands, eine von den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Sondermaßnahme einzuführen

Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter

Quelle:

Europäische Kommission

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