Vermietung von Grundstücken, Vorsteuerabzug, Vorsteuerberichtigung, Option zur Steuerpflicht

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 28.02.2018, C-672/16, Imofloresmira – Investimentos Imobiliários SA

Praxisproblem

Bei dem portugiesischen Vorabentscheidungsersuchen ging es  um den Vorsteuerabzug bzw. die Vorsteuerberichtigung bei Immobilienumsätzen. Ferner ging es um die Auslegung der portugiesischen Regelung über den Verzicht auf die Steuerbefreiung (Option) bei Umsätzen in Bezug auf Immobilien. Nach portugiesischem Recht muss in Fällen von Immobilienleerständen für jedes Jahr des Leerstands eine Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs vorgenommen werden.

Das Vorlagegericht wollte im Wesentlichen wissen, ob es in dem Fall, dass eine Immobilie, obwohl sie während eines Zeitraums von zwei oder mehr Jahren leer steht, vermarktet wird, d. h., dass der Eigentümer nachweislich die steuerpflichtige Verpachtung der Immobilie beabsichtigt und die erforderlichen Anstrengungen unternimmt, um diese Absicht umzusetzen, mit den Art. 167, 168, 184, 185 und 187 MwStSystRL vereinbar ist, eine Einstufung als „fehlende tatsächliche Nutzung der Immobilie für die Zwecke des Unternehmens“ und/oder „fehlende tatsächliche Nutzung der Immobilie bei steuerbaren Umsätzen“ im Sinne und für die Zwecke von Art. 26 Abs. 1 des PT-MwStG und Art. 10 Abs. 1 Buchst. b PT-MwStG  über den Verzicht auf die Steuerbefreiung bei Umsätzen in Bezug auf Immobilien vorzunehmen und infolgedessen davon auszugehen ist, dass der ursprünglich vorgenommene Vorsteuerabzug zu berichtigen ist.

Das Verfahren entsprang sehr spezifischen portugiesischen Regelungen zur Pflicht der Vorsteuerberichtigung bei Immobilienleerständen bzw. zu den Voraussetzungen des Optionsrechts (Art. 137 MwStSystRL). Die portugiesische Finanzbehörde war der Auffassung, Art. 137 Abs. 2 und 3 MwStSystRL sehe vor, dass die Mitgliedstaaten mittels nationaler Rechtsvorschriften die Regeln für die Ausübung der Option zur Steuerpflicht festlegen können, wobei ihnen ein Spielraum gewährt werde, um je nach Bedarf und nach der Finanz- und Wirtschaftspolitik eines jeden Landes mehr oder weniger weitreichende Beschränkungen vorzusehen. Die Klägerin habe angesichts des Leerstands der Teile bzw. der fehlenden tatsächlichen Nutzung ihrer Immobilien Vorsteuerberichtigungen vornehmen müssen bzw. könne nicht in dem von ihr gewünschten Umfang zur Steuerpflicht optieren und sich so den Vorsteuerabzug sichern.

Entscheidung

Der EuGH hat seine frühere Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug aus Immobilieninvestitionen bestätigt. Im Ausgangsfall unterbricht der Umstand, dass eine Immobilie während eines bestimmten Zeitraums leer steht, nach Auffassung der portugiesischen Finanzbehörde die betriebliche Zuordnung der Immobilie, was den Unternehmer zur Vorsteuerberichtigung zwingt, selbst wenn er erwiesenermaßen immer noch die Absicht hat, die Immobilie steuerpflichtig zu vermieten. Der EuGH hat bestätigt, dass der Unternehmer sein Vorsteuerabzugsrecht behält, sobald dieses Recht entstanden ist, auch wenn der Unternehmer die Gegenstände oder Dienstleistungen, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht im Rahmen besteuerter Umsätze verwenden konnte.

Entgegen der Auffassung Portugals würde die Auffassung, dass es für die Feststellung von „Änderungen“ i. S. v. Art. 185 MwStSystRL genügt, dass ein Gebäude nach der Auflösung eines entsprechenden Pachtvertrags aus vom Willen seines Eigentümers unabhängigen Umständen leer gestanden hat, selbst wenn dieser erwiesenermaßen noch immer die Absicht hat, dieses für eine besteuerte Tätigkeit zu nutzen, und die dazu erforderlichen Schritte unternimmt, zu einer Beschränkung des Vorsteuerabzugs mittels der Vorschriften über die Vorsteuerberichtigung führen.

Zwar räumt Art. 137 Abs. 2 MwStSystRL den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen ein, die Ausübungsmodalitäten des Optionsrechts festzulegen und dieses sogar auszuschließen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.01.2006, C-246/04, Turn- und Sportunion Waldburg), jedoch können die Mitgliedstaaten diese Befugnis nicht nutzen, um gegen die Art. 167 und 168 MwStSystRL zu verstoßen, indem sie ein bereits entstandenes Vorsteuerabzugsrecht wieder entziehen. Eine Beschränkung der Vorsteuerabzüge, die in Verbindung mit steuerpflichtigen Umsätzen vorgenommen werden, nach der Ausübung des Optionsrechts würde nicht den „Umfang“ des Optionsrechts, das die Mitgliedstaaten gemäß Art. 137 Abs. 2 MwStSystRL einschränken können, sondern die Folgen der Ausübung des Optionsrechts betreffen.

Praxishinweis

Das Urteil hat für das deutsche Recht kaum Bedeutung. Der EuGH hat seine frühere Rechtsprechung vollumfänglich bestätigt. Bereits nach dem EuGH-Urteil v. 15.01.1998 (C-37/95, Ghent Coal Terminal) bleibt bei Fehlinvestitionen das einmal entstandene Vorsteuerabzugsrecht erhalten. Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 29.02.1996 (C-110/94, INZO), wonach ein einmal gewährtes Vorsteuerabzugsrecht auch dann bestehen bleibt, wenn die beabsichtigte unternehmerische Tätigkeit nicht zu Ausgangsumsätzen führt, folgerte der EuGH, dass dies auch in den Fällen gelten muss, in denen gegen den Willen des Unternehmers keine Ausgangsumsätze bewirkt werden können. Nach der Entscheidung ist das Vorsteuerabzugsrecht damit auch gegeben, wenn es bei einzelnen Investitionen an Ausgangsumsätzen mangelt.

Das vorliegende Urteil bestätigt die deutsche Rechtslage, wonach das Vorsteuerabzugsrecht jedenfalls dann besteht, wenn die bezogenen Lieferungen und sonstigen Leistungen unmittelbar in steuerpflichtige Ausgangsumsätze eingehen, aber auch dann, wenn ein solcher unmittelbarer Bezug nicht gegeben ist (z. B. wegen Projektaufgabe oder unternehmerischer Erfolglosigkeit). Für den EuGH ist in diesem Zusammenhang nur erheblich, dass das Vorsteuerabzugsrecht bereits im Zeitpunkt der Investition ausgeübt werden darf und dieses Recht später nicht rückgängig gemacht werden kann, wenn der Unternehmer (Unternehmereigenschaft muss selbstverständlich vorliegen) derartige Eingangsleistungen entweder aufgrund von Erfolglosigkeit oder gegen seinen Willen nicht für Ausgangsumsätze nutzen konnte.

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