Erweiterung der EU-Sanktionen gegen Belarus

Die aus dem Jahr 2006 datierende und seither in Kraft befindliche Sanktionsverordnung gegen Belarus (VO (EG) Nr. 765/2006) wurde, nachdem die dortigen Präsidentschaftswahlen im August 2020 mit Repressionsmaßnahmen gegen Präsidentschaftskandidaten und friedliche Demonstranten einhergingen, seitens der EU mehrfach erweitert. Nach der erzwungenen Landung eines zivilen Verkehrsflugzeugs in Minsk am 23.05.2021 hat die EU Anfang Juni weitere außenwirtschaftsrechtliche Beschränkungen gegen Belarus durch die Verordnung (EU) 2021/907 und den Beschluss zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) 2021/908 erlassen.

Bisherige güterbezogene Sanktionen

Seit 2004 bestanden EU-Sanktionen gegen Belarus wegen des Verschwindens von u. a. oppositionellen Politikern und eines Journalisten in den Jahren 1999/2000. Diese umfassten im Wesentlichen ein Waffenembargo (u. a. Verkaufs- und Ausfuhrverbot für Güter der Gemeinsamen Militärgüterliste der EU bzw. des Teils I Abschnitt A der deutschen Ausfuhrliste als Anlage zur AWV, vgl. §§ 74 ff. AWV) und Beschränkungen i. Z. m. Gütern, die für interne Repressionen verwendet werden können (Anhang III VO (EG) 765/2006). Ebenso waren und sind seit 2011 auch technische Hilfsleistungen im Zusammenhang mit militärischen Gütern verboten; diesbezügliche Vermittlungstätigkeiten sind nach § 75 AWV verboten. Ein weiteres Verbot gilt für technische Hilfe und Vermittlungstätigkeiten in Bezug auf die Repressionsgüter des Anhang III, Art. 1a VO (EG) 765/2006.

Bisherige personenbezogene Sanktionen

Daneben galten und gelten personenbezogene Sanktionsmaßnahmen wie insbes. das Einfrieren von Geldern (Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 765/2006) und das Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Bereitstellung von Geldern und anderen wirtschaftlichen Ressourcen gegenüber den in Anhang I gelisteten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen (vgl. Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 765/2006). Zuletzt – bis zu den belarussischen Präsidentschaftswahlen im Sommer 2020 – waren lediglich noch vier Personen mit diesen Finanzsanktionen belegt (mehrere ehemalige Innenminister bzw. ein Leiter des Sicherheitsdienstes sowie der ehemalige Leiter einer Spezialkräfteeinheit). Darüber hinaus galten und gelten gegenüber bestimmten Personen Reisebeschränkungen (Art. 3 i. V. m. Anhang des Beschlusses 2012/642/GASP). Mit den Sanktionserweiterungen aus Oktober, November und Dezember 2020 sowie aus Februar 2021 erstrecken sich die Finanzsanktionen (Einfrieren von Vermögenswerten und Bereitstellungsverbote) nun auf insg. 95 Personen/Entitäten (88 natürliche Personen, 7 juristische Personen/Einrichtungen/Organisationen). Hierzu zählen, neben Präsident Lukaschenko (Lukashenka) und dessen Sohn, auch (überwiegend staatseigene) Unternehmen. Die erfassten Unternehmen sind u. a. solche, die belarussische Rüstungsgüter herstellen und exportieren, Immobilienentwicklung und Bauleistungen anbieten, oder dem belarussischen Regime Überwachungstechnologien, militärische Fahrzeuge, oder andere Repressionsgüter bereitstellen.

Neue bereichsspezifische Sanktionen (Luftfahrt)

Ende Mai 2021 wurde eine Passagiermaschine beim Überflug nach Vilnius (Litauen) von den belarussischen Behörden zur Landung in Minsk gezwungen und es kam zu der Verhaftung des Journalisten Pratasewitsch und dessen Freundin, die sich an Bord befunden hatten. Als Reaktion auf diesen Eingriff in den zivilen Luftverkehr traten am Tag nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt vom 04.06.2021 neue bereichsbezogene Beschränkungen gegen Belarus in Kraft. Danach ist es belarussischen Luftfahrzeugen – außer in Notsituationen – verboten, im Hoheitsgebiet der EU zu landen, vom Hoheitsgebiet der EU zu starten, oder das Hoheitsgebiet der EU zu überfliegen (Art. 8b VO (EG) 765/2006).

Zu den von diesem Verbot betroffenen Luftfahrzeugen zählen diejenigen, die unmittelbar von einem Luftfahrtunternehmen betrieben werden, welches über eine Betriebsgenehmigung der belarussischen Behörden verfügt. Auch Luftfahrzeuge anderer Unternehmen fallen unter das vorstehende Verbot, wenn diese Unternehmen als Vertriebsunternehmen im Wege von Code-Sharing- oder Blocked-Space-Vereinbarungen mit belarussischen Luftfahrtunternehmen verbunden sind.

Prüfbedarf für Unternehmen

Losgelöst von den sicherlich sehr speziellen luftfahrtrelevanten Verboten für belarussische Luftfahrzeuge, gilt es für EU-Wirtschaftsbeteiligte vornehmlich sicherzustellen, dass im Rahmen des Sanktionslistenscreenings jeweils die (tages-)aktuellen Personenlisten zur Verfügung stehen. Hier kann – ganz losgelöst von den Sanktionsmaßnahmen gegenüber Belarus – ein Austausch mit dem jeweiligen Softwareanbieter lohnend sein, um zu erfahren, mit welcher kleineren oder größeren Verzögerung die im Amtsblatt veröffentlichten Änderungen dann tatsächlich in den betriebsinternen Screenings berücksichtigt werden. Dies gilt nicht nur für länderbezogene, sondern auch für die zunehmenden bereichsspezifischen Personensanktionen (siehe etwa den Beitrag zur VO (EU) 796/2019 zu Cyberangriffen – ebenfalls in diesem Newsletter).

Links

Zeitstrahl der EU-Sanktionen gegen Belarus

Verordnung (EU) 2021/907 vom 4. Juni 2021

Beschluss (GASP) 2021/908 vom 4. Juni 2021

Quellen

Europäischer Rat

EUR-Lex

 

Ihr Ansprechpartner