Neues „Jahressteuergesetz 2023“ in Vorbereitung

Umsatzsteuerliche Neuerungen durch das Wachstumschancengesetz

In der Regel erscheinen jeweils zum Jahresende umfangreiche Steuergesetze, die als sogenannte Jahressteuergesetze zahlreiche Neuerungen und Änderungen im Bereich des Ertrags- und Umsatzsteuerrechts, aber auch der sonstigen Steuerarten, beinhalten. Über die umsatzsteuerlichen Änderungen aus diesen „Jahressteuergesetzen“ berichten wir regelmäßig in unserem AWB-Newsletter (zuletzt im Newsletter 21/2022 zum „Jahressteuergesetz 2022“).

Am 14.07.2023 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nunmehr den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz)“ als Referentenentwurf vorgelegt, der als Grundlage für ein „Jahressteuergesetz 2023“ anzusehen ist. Während schwerpunktmäßig zahlreiche ertrags- und bilanzsteuerliche Neuerungen im Fokus dieses Gesetzesvorhabens stehen, sind auch wieder einige umsatzsteuerliche Änderungen geplant, die wir im Folgenden vorstellen wollen.

Zu beachten ist, dass es sich bei dem jetzigen Entwurf um einen Entwurf auf Referentenebene im BMF handelt. Ein Regierungsbeschluss des Bundeskabinetts ist jetzt im Laufe des August zu erwarten, dann folgen die Gesetzesberatungen im Bundestag und Bundesrat, so dass noch zahlreiche Änderungen, auch in Abstimmung mit den einzelnen Interessenverbänden, zu erwarten sind. Das finale Gesetz dürfte dann Mitte/Ende Dezember 2023 verabschiedet werden.

Bisher geplante Änderungen und Neuerungen im Bereich der Umsatzsteuer:

Folgende umsatzsteuerliche Änderungen und Neuerungen sind im Referentenentwurf vom 14.07.2023 zum Wachstumschancengesetz mit geplantem Inkrafttreten zum 01.01.2024 enthalten. Wir weisen gesondert darauf hin, wenn die jeweilige Änderung/Neuerung nicht zum 01.01.2024 vorgesehen ist:

Leistungen für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStGE

Die Neuregelung hier soll klarstellen, dass § 12 Absatz 2 Nummer 8 Buchstabe a S. 3 UStG nur auf Leistungen von Zweckbetrieben nach den §§ 66 bis 68 AO anzuwenden ist. Zudem soll weiter klargestellt werden, dass nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG begünstigte Leistungen auch dann vorliegen, wenn die von dem jeweiligen gemeinnützigen Zweck erfassten Personen entweder Empfänger der Leistung sind oder, wie z. B. bei Inklusionsbetrieben, bei der Leistungserbringung mitwirken.

Die Neuregelung gilt ab dem Tag der Gesetzesverkündung.

Umsatzsteuerbefreiung für Verfahrenspfleger, § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. m und n UStGE

Auf Grundlage von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie befreien die EU-Mitgliedstaaten eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.

Mit der jetzigen Ergänzung werden nunmehr nach § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. m und n UStG-E alle im Rahmen eines Betreuungs- und Unterbringungsverfahren nach dem 3. Buch des FamFG zur Unterstützung einer hilfsbedürftigen Person tätigen Verfahrenspfleger als begünstigte Einrichtungen anerkannt. Die Steuerbefreiung erfasst künftig demnach alle in diesem Rahmen erbrachten Pflegschaftsleistungen von den zum Verfahrenspfleger bestellten Personen.

Umsatzsteuerbefreiung für Verfahrensbeistände, § 4 Nr. 25 S. 3 Buchst. d UStGE

Die bestehende Steuerbefreiung soll um Verfahrensbeistände ergänzt werden, die im Rahmen einer Unterbringung oder freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 167 Abs. 1 i. V. m. § 317 FamFG für Minderjährige tätig sind.

Verfahrensvereinfachung bei der Übertragung von Emissionszertifikaten

Für bestimmte Umsätze, die der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers unterfallen, enthält § 13b Abs. 5 S. 8 UStG eine Vereinfachungsregelung, wonach der Leistungsempfänger als Steuerschuldner gilt, wenn der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger für diesen Umsatz die Regelung des § 13b Abs. 2 UStG angewandt haben, obwohl dies nach Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Voraussetzungen nicht zutreffend war. Diese Vereinfachungsregelung wird nunmehr auf die Übertragung von Emissionszertifikaten nach § 3 Nr. 2 Brennstoffemissionshandelsgesetzes ausgedehnt, auf die nach § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG die Umkehr der Steuerschuldnerschaft zutrifft.

Keine Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen, § 18 Abs. 2 S. 3 UStGE

Unternehmer sollen künftig durch das Finanzamt von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen und Entrichtung von Vorauszahlungen befreit werden, wenn die Steuer für das vorausgegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 Euro betragen hat. Bisher war das ab einem Betrag von mehr als 1.000 Euro der Fall. Auf die Übermittlung einer Umsatzsteuervoranmeldung wird bei Kleinunternehmern i. S. v. § 19 Abs. 1 UStG grundsätzlich verzichtet.

Verzicht auf Abgabe von Steuererklärungen bei Kleinunternehmern, § 19 UStGE

Umsatzsteuerliche Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG sollen künftig grundsätzlich von der Übermittlung von Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr befreit werden. Diese Befreiung soll jedoch nicht in den Fällen des § 18 Abs. 4a UStG gelten. Ebenso gilt die Befreiung nicht, wenn der Kleinunternehmer durch das Finanzamt zur Abgabe von Steuererklärungen (vgl. § 149 Abs. 1 Satz 2 AO) aufgefordert wird.

Anhebung der Grenze für die Ist-Besteuerung, § 20 S. 1 Nr. 1 UStGE

Die erst zum 01.01.2020 auf 600.000 Euro erhöhte Grenze des § 20 S. 1 Nr. 1 UStG zur Anwendung der Ist-Besteuerung (Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten) soll auf 800.000 Euro angehoben werden. Damit soll eine Anpassung an die Grenze des § 141 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO erfolgen, die ebenfalls auf 800.000 Euro angehoben werden soll.

Anpassung des Durchschnittssatzes und der Vorsteuerpauschale für Landwirte, § 24 Abs. 5 S. 1 UStGE

Im Rahmen der jährlichen Anpassung des Durchschnittsatzes für Landwirte gemäß § 24 Abs. 5 S. 1 UStG wird der Durchschnittssatz und die Vorsteuerpauschale für Landwirte auf 8,4 Prozent angepasst.

Einführung von obligatorischen eRechnungen

Zum 01.10.2025 soll die obligatorische Verwendung von elektronischen Rechnungen (eRechnung) als Voraussetzung für eine zu einem späteren Zeitpunkt einzuführende Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich durch Unternehmer an ein bundeseinheitliches elektronisches System der Verwaltung (Meldesystem) eingeführt werden (wir verweisen für die EU-rechtliche Grundlage und die von Deutschland beantragte Sondermaßnahme zur Einführung einer elektronischen Rechnung auf unseren AWB-Newsletter 15/2023).

Durch Änderung von § 14 Abs. 1 S. 2 bis 8 sowie der Absätze 2 und 3 gilt nur noch eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und dadurch ihre elektronische Verarbeitung ermöglicht, und die den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU entspricht, als elektronische Rechnung. Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format oder auf Papier übermittelt werden, werden unter dem neuen Begriff „sonstige Rechnung“ zusammengefasst. Der Vorrang der Papierrechnung wird gestrichen. Zudem wird die sog. eRechnung obligatorisch, wenn die Leistung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgestellt (B2B) wird.

Für Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro nach § 33 UStDV sowie für Fahrausweise als Rechnungen nach § 34 UStDV bleibt auch zukünftig die Verwendung von sonstigen Rechnungen erlaubt. Die Umsatzsteuerdurchführungsverordnung wird hier entsprechend angepasst.

Als Ausnahmeregelung über einen neuen § 27 Abs. 39 UStGE ist vorgesehen, dass bei einem zwischen dem 01.01. und 31.12.2025 ausgeführten Umsatz befristet bis zum 31.12.2025 statt einer eRechnung auch eine sonstige Rechnung auf Papier oder in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden können soll. Weiter ist vorgesehen, dass zu einem zwischen dem 01.01.2026 und 31.12.2027 ausgeführten Umsatz befristet bis zum 31.12.2027 statt einer eRechnung auch eine sonstige Rechnung in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden kann, wenn diese mittels EDI-Verfahren übermittelt wird. Für beide Ausnahmeregelungen wird die Zustimmung des Empfängers erforderlich sein.

Fazit

Die mit dem Wachstumsgesetz („Jahressteuergesetz 2023“) intendierten umsatzsteuerlichen Neuerungen und Änderungen sind eher kleinerer Natur und betreffen eher graduelle Anpassungen wie z.B. im Bereich der Grenzen für die ISt-Besteuerung.  Anders sieht es hier jedoch mit der – wenn auch erst zum 01.01.2025 – beabsichtigten Einführung einer obligatorischen eRechnung im B2B-Bereich aus. Auch wenn bis Ende 2027 noch einige Erleichterungen hinsichtlich der Verwendung von sonstigen Rechnungen vorgesehen sind, werden hierdurch auf die Mehrheit der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer umfangreiche und insbesondere technische Anpassungsnotwendigkeiten zukommen.

Sobald ein Beschluss der Bundesregierung für einen Entwurf des Wachstumschancengesetzes vorliegt, werden wir Sie selbstverständlich hierüber und über etwaige Änderungen zum Referentenentwurf informieren.

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