Unternehmereigenschaft einer Ltd und Ansässigkeit

Die Finanzministerin des Landes Schleswig-Holstein hat sich in zwei Umsatzsteuer-Kurzinformationen zu praxisrelevanten Einzelfragen geäußert. Konkret geht es um die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft der britischen Limited mit Ort der Geschäftsleitung im Inland sowie um die Anwendung der Lieferfiktion des § 3 Abs. 3a S. 1 UStG bei B2C Verkäufen über elektronische Schnittstellen.

FM Schleswig-Holstein, Kurzinformation. v. 10.3.2022 – VI 3510 - S 7104- 167: Unternehmereigenschaft einer Limited mit Ort der Geschäftsleitung im Inland

Zum 31.01.2020 ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland aus der EU ausgetreten. Für den Übergangszeitraum bis zum 31.12.2020 wurde das Vereinigte Königreich weiterhin wie ein EU-Mitgliedstaat behandelt. Dies hatte zur Folge, dass sich Unternehmen mit britischer Rechtsform und Verwaltungssitz in Deutschland auch nach dem „Brexit“ noch auf die EU-Grundfreiheiten berufen konnten. Unter Beachtung Niederlassungsfreiheit war deshalb bis zum Ablauf des Übergangzeitraums am 31.12.2020 die nach britischen Recht gegründete und gewerbliche Limited („private company limited by shares“) mit Verwaltungssitz in Deutschland als eine rechtsfähige Gesellschaft ausländischen Rechts weiterhin anzuerkennen.

Mit Ablauf des Übergangszeitraums fiel die Limited aus den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit. Es besteht zudem im Handelsabkommen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich keine alternative Vereinbarung, die zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland führt.

Eine Limited mit Verwaltungssitz im Vereinigten Königreich oder im sonstigen Ausland wird hingegen auch nach dem 31.12.2020 uneingeschränkt als nach britischem Recht gegründete Limited und damit als rechtsfähige Gesellschaft anerkannt.

Mit den daraus entstehenden zivilrechtlichen und verfahrensrechtlichen Fragestellungen (insbesondere zur Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten und Vollstreckung) hat sich das Bundesministerium der Finanzen mit dem Schreiben vom 30.12.2020 (BMF, 30.12.2020, IV A 3-S 0284/20/10006:003, FMNR659000020, BStBl I 2021, 46) auseinandergesetzt.

Keine Aussage enthält das BMF-Schreiben dazu, wie die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereigenschaft der Limited mit Verwaltungssitz im Inland zu beurteilen ist. Hierzu teilte die Finanzministerin des Landes Schleswig-Holstein in der Kurzinformation. v. 10.3.2022 – VI 3510 - S 7104- 167 mit, dass eine in Deutschland zivilrechtlich nicht rechtsfähige Limited Unternehmer iSd § 2 UStG sein kann.

Demnach erfolgt die Beurteilung der Unternehmereigenschaft für umsatzsteuerliche Zwecke nach den allgemeinen Regeln. Danach ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 UStG Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Es kommt demnach nicht darauf an, nach welchem Recht eine Gesellschaft gegründet wurde oder wo sie ihren Verwaltungssitz hat. Realisiert die Limited Umsätze in Deutschland, muss sie sich für umsatzsteuerliche Zwecke in Deutschland registrieren lassen. Ausnahme: es handelt sich nur um Umsätze, die gemäß § 13b UStG dem Reverse Charge-Verfahren unterliegen oder um Einfuhren gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG.

FM Schleswig-Holstein, Kurzinformation v. 1.7.2022 – VI 3510 - S 7110-099:
Bestimmung der Ansässigkeit im Sinne von § 3 Abs. 3a S. 1 UStG (Lieferfiktion für elektronische Schnittstellen)

Hintergrund:

Gemäß § 3 Abs. 3a S. 1 UStG wird ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 unterstützt, behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte.

Es wird demnach eine Lieferung des nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Online-Händlers an den Schnittstellenbetreiber und eine Lieferung des Schnittstellenbetreibers an den Endkunden fingiert.

Mit der Kurzinformation v. 1.7.2022 hat die Finanzministerin des Landes Schleswig-Holstein klargestellt, dass ein Unternehmer im Hinblick eines Ausschlusses der Regelung § 3 Abs.3a S. 1 UStG als im Gemeinschaftsgebiet ansässig gilt, wenn sich

  • der Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit (Art. EWG_VO_282_2011 Artikel 10 MwStVO) im Gemeinschaftsgebiet befindet oder
  • er dort über eine
    • feste Niederlassung (Art. EWG_VO_282_2011 Artikel 11 MwStVO)
    • einen Wohnsitz (Art. EWG_VO_282_2011 Artikel 12 MwStVO)
    • oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort (Art. EWG_VO_282_2011 Artikel 13 MwStVO) verfügt.

In allen anderen Fällen gilt der Unternehmer nicht als in der EU ansässig und es findet eine Einbindung des Schnittstellenbetreibers in die Lieferkette statt.

Relevant ist diese Klarstellung sowohl für die Schnittstellenbetreiber als auch für die Onlinehändler. Wird in der EU befindliche Ware von einem im Drittland ansässigen Händler über eine elektronische Schnittstelle (zum Beispiel elektronischer Marktplatz) an eine Privatperson in der EU veräußert, ist die Lieferung des Drittlandhändlers gemäß § 4 Nr. 4c UStG steuerfrei. Die steuerpflichtige Lieferung in der fingierten Lieferkette wird in dieser Konstellation dem Schnittstellenbetreiber zugeschrieben.

Ist der Online-Händler hingegen in der EU ansässig, kommt eine Einbindung des Schnittstellenbetreibers nur gemäß § 3 Abs. 3a S. 2 UStG in Betracht (Ware wird aus dem Drittlandsgebiet eingeführt). Wird die Ware hingegen nicht eingeführt, liegt seitens des Schnittstellenbetreibers keine (fingerte) Lieferung an den Endkunden, sondern regelmäßig eine Dienstleistung an den Onlinehändler vor.

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