Das Handels- und Kooperationsabkommen der EU mit dem Vereinigten Königreich

Freihandelsregelungen bedeuten keine generelle Zollfreiheit

Zur Überraschung vieler informierte die EU-Kommission am 24.12.2020 über den erfolgreichen Abschluss eines Freihandelsabkommens mit dem Vereinigten Königreich (VK). Inzwischen ist das Abkommen auch im Amtsblatt der EU Nr. L 444 vom 31.12.2020 veröffentlicht worden. In dieser Veröffentlichung wurde auch darauf hingewiesen, dass die sprachjuristische Überprüfung in der Kürze der Zeit nicht erfolgen konnte und die veröffentlichten Fassungen womöglich noch technische Fehler oder Ungenauigkeiten enthalten.

Das zunächst vorläufig anzuwendende Abkommen regelt unter anderem Aspekte zur künftigen Zollabwicklung im Warenverkehr zwischen der EU und dem VK. Die erzielte Einigung darf jedoch nicht fehlinterpretiert werden! Anders als teilweise bereits zu lesen war, bedeutet der Abschluss dieser Freihandelsregelungen gerade nicht, dass künftig – wie bisher – alle Warenlieferungen im direkten Warenverkehr mit dem VK zollfrei sind. Sofern die einschlägigen Ursprungskriterien erfüllt werden und ein tauglicher Ursprungsnachweis vorliegt, können lediglich Zollpräferenzen genutzt werden. Dies heißt im Umkehrschluss jedoch, dass bei Lieferungen von Handelswaren (bspw. aus Asien) grundsätzlich Zölle anfallen.

Ebenfalls werden Unternehmen mit Produktionsketten, die Teilprozesse innerhalb der EU sowie innerhalb des VK aufweisen, in Zukunft an den – in der Praxis selten genutzten – Kumulierungsregelungen womöglich nicht mehr vorbeikommen. Bislang ist lediglich eine bilaterale Kumulierung zwischen der EU und dem VK vorgesehen. 

Motoren für PKW der Zolltarifposition 8407 beispielsweise erlangen den Ursprung in der jeweiligen Vertragspartei, wenn der Wert der Vormaterialien ohne Ursprung, die bei der Produktion eingesetzt wurden, 50 % des Ab-Werk-Preises der hergestellten Ware nicht überschreitet. Das ist zwar toleranter als bei manchen anderen Abkommen, aber dennoch kein Selbstläufer. Präferenzkalkulationen sind einzurichten bzw. Systeme um den neuen Inhalt zu erweitern, Vereinfachungen (hier der Registrierte Ausführer) ggf. zu beantragen oder innerbetriebliche Prozesse einzurichten.

Die teilweise neuen Regelungen sowie Besonderheiten des Präferenzrechts aus dem Abkommen zwischen der EU und dem VK dürfen daher keineswegs als Selbstverständlichkeit abgetan werden. Unternehmen sollten zeitnah im Rahmen der eigenen Präferenzkalkulation prüfen, ob Zollpräferenzen genutzt werden können oder künftig Zölle anfallen.

Ein ausführlicherer Beitrag zu den Besonderheiten des Präferenzabkommens wird in unserem kommenden Newsletter enthalten sein.

Eine weitere Besonderheit in diesem Zusammenhang wurde im Amtsblatt der EU Nr. L 446 am 31.12.2020 veröffentlicht. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/2254 wird zugelassen, dass Ausführer für die Zwecke der Anwendung des Abkommens bis zum 31.12.2021 Erklärungen zum Ursprung für Ausfuhren in das Vereinigte Königreich auf der Grundlage von Lieferantenerklärungen ausfertigen dürfen, die der Lieferant erst nachträglich vorlegen muss. Voraussetzung ist, dass diese sich bis zum 01.01.2022 im Besitz des Ausführers befinden.

Erste Informationen hatten wir für Sie bereits in unserem Newsletter Nr. 17/2020 zusammengefasst. Weitere Informationen können Sie den aktuellen Fachbeiträgen (vgl. Fachmeldung vom 04.01.2020) und ATLAS-Informationen der deutschen Zollverwaltung entnehmen. Auch hierauf gehen wir ausführlicher in unserem nächsten Newsletter ein.

Das Zoll-Team der AWB steht Ihnen bei weiteren Fragen jederzeit gern zur Verfügung. Sprechen Sie uns einfach an.

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