Entscheidungen über verbindliche Zollwertauskünfte – Entwürfe der Kommission zur Aufnahme in das EU-Recht

Die EU beabsichtigt, Entscheidungen über verbindliche Zollwertauskünfte („vZWA-Entscheidungen“; englisch: Binding Valuation Information, BVI) in die EU-Zollvorschriften aufzunehmen.

Der Zollwert stellt einen wesentlichen Bestandteil jeder Zollanmeldung dar und hat unmittelbare Auswirkungen auf die Zollabgaben und die Einfuhrumsatzsteuer. Er bestimmt sich nach den zollwertrechtlichen Grundsätzen der Art. 69 ff. UZK und ist im Einzelfall für jede Ware festzulegen. Weiterhin sind bestimmte Hinzurechnungs- und Abzugstatbestände der Art. 71 und 72 UZK zu berücksichtigen. Schwierigkeiten bei der Ermittlung konkreter Zollwerte sind dabei in der Praxis keine Seltenheit und es kommt immer auf den jeweiligen Einzelfall an.

Weiterhin kann es für Importeure eine echte Herausforderung darstellen, wenn die Zollbehörden in der EU unterschiedliche Ansätze bei der Zollwertermittlung verfolgen, was insbesondere bei komplexen Bewertungsfragen (z. B. Behandlung von Lizenzgebühren oder Verrechnungspreisanpassungen) nicht ungewöhnlich ist.

Der derzeitige Art. 35 UZK ermöglicht seinem Wortlaut nach zwar die verbindliche Zollwertauskunft. Diese wurde bisher jedoch nicht von der Kommission in einem delegierten Rechtsakt (vgl. Art 36 Buchst b UZK) umgesetzt.

Nachdem die Kommission bereits im Jahr 2018 im Rahmen ihrer „Exploratory Public Consultation“ eine Umfrage zur Einführung einer verbindlichen Zollwertauskunft durchgeführt hatte, wurden nach eindeutig bekundeter Zustimmung der Befragten zur Einführung eines solchen verbindlichen zollwertrechtlichen Instruments (86,5 % der 200 Befragten sprachen sich dafür aus) weitere Maßnahmen für eine Verankerung im Unionszollkodex ergriffen.

Die Initiative soll Transparenz und Rechtssicherheit gewährleisten und die Einhaltung der Vorschriften und Einheitlichkeit der Zollwertermittlung fördern, was den Wirtschaftsbeteiligten, den Zollbehörden und den finanziellen Interessen der EU zugutekommen soll. Gleichzeitig wird die Einhaltung und einheitliche Behandlung von Zollwertangelegenheiten in der gesamten EU durch dieses Instrument unterstützt. Darüber hinaus wird den internationalen Standards für sog. „Vorabentscheidungen“ für Zollzwecke entsprochen (vgl. Art. General Annex, Chapter 9 Revidierte Kyoto Konvention und Art. 3 Trade Facilitation Agreement) und eine Empfehlung des Europäischen Rechnungshofs aufgegriffen.

Das neue Instrument für die verbindliche Zollwertermittlung (vZWA) wird sich künftig neben den bereits vorhandenen Instrumenten der verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) und der verbindlichen Ursprungsauskunft (vUA) eingliedern und soll im Einzelfall unionsweit Gewissheit über die Anwendung der zollwertrechtlichen Vorschriften bringen.

Am 21.12.2022 hat die Kommission nach bereits durchgeführtem Konsultationsverfahren Vorschläge für eine delegierte Verordnung und für eine Durchführungsverordnung zu diesem Thema bekannt gegeben. Feedback und Kommentare konnten bis zum 18.01.2023 eingereicht werden.

Aus dem Entwurf der delegierten Verordnung geht hervor, dass der Rechtsakt darauf abzielt, Entscheidungen über verbindliche Zollwertauskünfte (vZWA) in das Zollrecht der Union einzuführen und damit den bereits etablierten rechtlichen und operativen Rahmen für die Erteilung von Entscheidungen über verbindliche Auskünfte zur zolltariflichen Einreihung (vZTA) und verbindliche Ursprungsauskünfte (vUA) zu vervollständigen, der seit 1991 (vZTA) bzw. 1996 (vUA) besteht und 2013 durch den UZK weiter überarbeitet wurde.

Mit Entscheidungen über verbindliche Auskünfte soll ein transparentes und förmliches Verfahren eingeführt werden, mit dem Exporteure und Importeure im Voraus verbindliche Entscheidungen der Zollbehörden über die zollrechtliche Behandlung von eingeführten oder ausgeführten Waren beantragen und erhalten können.

In der EU ist eine Entscheidung über eine verbindliche Auskunft, die von einem Mitgliedstaat getroffen wurde, in allen Mitgliedstaaten gültig und für ihren Inhaber wie für die Zollbehörden verbindlich. Der Hauptvorteil solcher Entscheidungen besteht für den Inhaber in der Rechtssicherheit, dass die von der Entscheidung erfassten Vorgänge von den Zollbehörden zum Zeitpunkt der Einfuhr oder Ausfuhr der Waren gemäß dieser Entscheidung behandelt werden. Der Hauptnutzen für die Zollbehörden besteht darin, mit den rechtmäßigen Wirtschaftsbeteiligten die korrekte Behandlung dieser Vorgänge im Voraus festzulegen und so das Risikomanagement zu unterstützen und insgesamt zur Einhaltung der Vorschriften und zur Einheitlichkeit der Zollvorgänge in der EU beizutragen.

Der geplante rechtliche und operative Rahmen für die vZWA-Entscheidungen orientiert sich zwecks Kohärenz an den einschlägigen bestehenden Vorschriften der vZTA- und vUA-Entscheidungen. Zentrale Norm soll der neu einzufügende Art. 18a UZK-DelVO sein. Nach dessen vorgesehenem Abs. 1 treffen die Zollbehörden auf Antrag Entscheidungen über verbindliche Zollwertauskünfte, in denen die geeignete Methode der Zollwertermittlung oder die Kriterien und deren Anwendung für die Ermittlung des Zollwerts von Waren unter bestimmten Umständen festgelegt werden. Damit soll sich der künftige Anwendungsbereich sowohl auf die Anwendung der betreffenden Zollwertmethode als auch auf die konkrete Ermittlung des Zollwerts erstrecken. Vor allem im Hinblick auf den Zusammenhang von Zollwert und Verrechnungspreisen könnte dieser Vorschrift vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung (vgl. BFH, Urteil v. 17.5.2022, VII R 2/19, „Hamamatsu“) Bedeutung zukommen.

Neben dem Anwendungsbereich von vZAW-Entscheidungen definiert die Norm auch Situationen, in denen einem Antrag auf eine vZAW-Entscheidung nicht stattzugeben ist. Dies soll der Fall sein, wenn der Antrag bei derselben oder einer anderen Zollstelle vom Inhaber einer vZAW-Entscheidung für Waren unter denselben Umständen gestellt wird oder bereits gestellt worden ist oder wenn sich der Antrag nicht auf eine beabsichtigte Verwendung der vZAW-Entscheidung oder eine beabsichtigte Verwendung eines Zollverfahrens bezieht.

Weiterhin soll die Norm den verbindlichen Charakter der Entscheidung sowohl für die Zollbehörden als auch für den Inhaber der Entscheidung sowie ihre Gültigkeitsdauer (3 Jahre ab Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entscheidung) durch Bestimmungen festlegen. So sollen beispielsweise die Fristen für den Erlass einer vZWA-Entscheidung, ihre Gültigkeit und ihr Außerkrafttreten sowie ihre Nichtigerklärung oder ihr Widerruf mit den bestehenden Bestimmungen für vZTA- und vUA-Entscheidungen identisch sein oder gegebenenfalls sehr eng mit ihnen abgestimmt werden. Der Entwurf sieht an dieser Stelle die Aufnahme eines neuen Art. 20a UZK-DelVO vor, damit für vZWA-Entscheidungen ähnliche Bestimmungen über die Verwaltung verbindlicher Auskünfte gelten wie sie in Art. 34 UZK für vZTA- und vUA-Entscheidungen vorgesehenen sind.

Darüber hinaus wird der Erlass von vZWA-Entscheidungen ausgesetzt, wenn die korrekte und einheitliche Ermittlung des Zollwerts nicht gewährleistet ist, wie dies bei vZTA- und vUA-Entscheidungen der Fall ist, bei denen die korrekte und einheitliche zolltarifliche Einreihung oder die Bestimmung des Ursprungs nicht gewährleistet ist. Entsprechend soll Art. 20 UZK-DelVO geändert werden.

Für die Anwendung einer vZAW-Entscheidung im Rahmen eines bestimmten Zollverfahrens muss der Inhaber der Entscheidung nachweisen können, dass die betreffenden Waren und die den Zollwert bestimmenden Umstände in jeder Hinsicht den in der Entscheidung beschriebenen Umständen entsprechen. Insoweit gelten für den Wirtschaftsbeteiligten, wie auch bei den anderen Vorabentscheidungen, an dieser Stelle Nachweis- und Dokumentationspflichten.

In Anbetracht der Notwendigkeit eines modernen, kohärenten IT-Verwaltungssystems für alle verbindlichen Entscheidungen in der Union und der Tatsache, dass derzeit nur die vZTA-Entscheidungen über ein IT-System, d. h. die Europäische verbindliche Zolltarifauskunft (EBTI), verwaltet werden, wird vorgeschlagen, dass die Verwaltung der vZWA-Entscheidungen und parallel dazu der vUA-Entscheidungen ebenfalls durch ein IT-System unterstützt wird, das auf dem bestehenden EBTI-System aufbaut, um den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 UZK zu entsprechen. Entsprechend sollen auch die derzeit noch bestehenden Art. 19 Abs. 3 und Art. 21 UZK-DelVO, wonach vUA auch noch mit anderen Mitteln als der elektronischen Datenverarbeitung übermittelt werden können, gestrichen werden.

Aus dem Entwurf der Durchführungsverordnung geht hervor, dass sich der Antrag auf eine Entscheidung über eine vZWA, wie auch schon für die vZTA und die vUA geregelt, nur auf einen einzigen Sachverhalt für die Ermittlung des Zollwerts der Waren beziehen darf. In einem neu gefassten Art. 17 UZK-DVO wird die grundsätzliche Konsultation des elektronischen Systems durch die Zollbehörde bei Anträgen auf Erteilung einer Entscheidung und bei Entscheidungen über eine verbindliche Auskunft festgelegt. Dieses System im Sinne des Art. 16 Abs. 1 UZK, das bisher nur für vZTA vorgesehen ist, wird in Art. 21 UZK-DVO sodann auf Anträge und Entscheidungen in Bezug auf verbindliche Auskünfte entsprechend erweitert.

Die Annahme der finalen Rechtsakte dürfte nach Auswertung des Feedbacks zu erwarten sein. Die Regelungen sollen nach Angaben in den Entwürfen ab dem 1. Dezember 2025 Anwendung finden. Dies dürfte nicht zuletzt auf die Implementierung der entsprechenden elektronischen Systeme zurückzuführen sein. Über die genauen Voraussetzungen und Verfahrenserfordernisse, die final verabschiedet werden, sowie über die Ausgestaltungen auf nationaler Ebene, halten wir Sie in unserem Newsletter auf dem aktuellen Stand.

 

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