BFH, Urteil v. 01.06.2022, VII R 3/20

Hinzurechnung von Beförderungskosten bei passiver Veredelung

Sachverhalt

Die Klägerin meldete nachträglich Beförderungskosten für aus einem Drittland eingeführte Veredelungserzeugnisse an. Gegen den Bescheid über die Festsetzung einer Zollschuld durch das zuständige Hauptzollamt erhob sie Einspruch. Sie vertrat die Auffassung, dass die Beförderungskosten bei Berechnung der Einfuhrabgabenbeträge für Veredelungserzeugnisse aus einer passiven Veredelung nicht zollwerterhöhend hinzugerechnet werden dürfen.

Das FG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen, da die Einfuhrabgaben unter Hinzurechnung der Beförderungskosten zu ermitteln seien. Die Klägerin hat daraufhin Revision eingelegt.

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

Er stellte zunächst den Grundsatz dar, dass der Zollwert vorrangig nach der Transaktionswertmethode im Sinne des Art. 70 UZK ermittelt wird. Danach ist bei der Ermittlung des Zollwerts zugrunde zu legen, welcher Preis für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlt wurde oder zu zahlen wäre. Dieser Preis schließt nach Art. 70 Abs. 2 UZK alle Zahlungen ein, die als Voraussetzung für den Verkauf der eingeführten Waren geleistet werden oder zu leisten sind. Der so berechnete Transaktionswert ist sodann nach Art. 71 UZK um bestimmte Kosten zu erhöhen. Hierzu zählen nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i UZK auch Beförderungskosten.

Diese Methode der Zollwertermittlung bezweckt nach ständiger EuGH-Rechtsprechung, auf die sich der BFH bezieht, dass der tatsächliche wirtschaftliche Wert einer eingeführten Ware im Zollwert widergespiegelt wird und alle Elemente dieser Ware, die einen wirtschaftlichen Wert haben, berücksichtigt werden.

Art. 86 Abs. 5 UZK bestimmt, dass im Falle der passiven Veredelung die Kosten für den Veredelungsvorgang an die Stelle des Transaktionswerts treten. Der BFH stellt in diesem Zusammenhang klar, dass diese Kosten lediglich als Ausgangswert für die Zollwertermittlung anzusetzen sind, der Zollwert aber gerade nicht auf die Veredelungskosten beschränkt wird. Deshalb sind auch im Fall des Art. 86 Abs. 5 UZK die Beförderungskosten (Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i UZK) zur Ermittlung des Zollwertes hinzuzurechnen.

Zur Begründung dieses Ergebnisses zieht der BFH die Systematik und den Zweck des UZK heran.

Da die Vorschriften über den Zollwert in Titel II „vor die Klammer gezogen“ seien, würden diese für alle Einfuhrabgaben geregelt. Daraus, dass Art. 86 UZK in Titel III „Zollschuld und Sicherheitsleistung“ enthalten sei, folge, dass dieser die allgemeinen Regelungen der Art. 69 ff. UZK nicht ausschließe.

Der Sinn und Zweck des Art. 86 Abs. 5 UZK bestehe darin, auszuschließen, dass der Wert ausgeführter Unionswaren in die Besteuerung einbezogen werde. Eine steuerliche Begünstigung der Einfuhr nach passiver Veredelung sei dagegen nicht beabsichtigt. Außerdem diene die zollwerterhöhende Berücksichtigung der Beförderungskosten einer gleichmäßigen Besteuerung, da diese auch im Falle von Einfuhrwaren zollwerterhöhend wirken würden. Dieses Prinzip zeige sich auch im GATT-Zollwertkodex 1994, der in Art. VIII Vorschriften für Hinzurechnungen enthalte, ohne nach der Art der Waren zu differenzieren.

Der BFH gelangte aus den oben genannten Erwägungen zu folgendem Ergebnis:

Bei der Wiedereinfuhr von Veredelungserzeugnissen nach einer passiven Veredelung sind die Beförderungskosten bis zum Ort des Verbringens der Waren in das Zollgebiet der Union gemäß Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i UZK in den Zollwert einzubeziehen und den Kosten für den außerhalb des Zollgebiets der Union vorgenommenen Veredelungsvorgang (Art. 86 Abs. 5 UZK) hinzuzurechnen.

Der Senat sah keinen Anlass zur Vorlage an den EuGH.

Praxishinweis

Aufgrund der hohen praktischen Bedeutung des Verfahrens der passiven Veredelung (Art. 210 Buchst. d UZK i.V.m. Art. 259 ff. UZK) bildet das Urteil des BFH eine wichtige Auslegungshilfe im Zollwertrecht und klärt die Grundsatzfrage, wie die Regelung des Art. 86 Abs. 5 UZK zu verstehen ist. Letztlich wird damit die frühere Rechtslage beibehalten, die schon unter der Geltung des Art. 591 UAbs 3 ZK-DVO Bestand hatte: „Die Artikel 29 bis 35 des Zollkodex finden sinngemäß auf die Veredelungskosten ohne Berücksichtigung der Waren der vorübergehenden Ausfuhr Anwendung.“

Zur Vermeidung von Nachforderungsbescheiden sowie straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Konsequenzen sollten die Beförderungskosten der Waren aus dem Drittland bis zum Ort des Verbringens in das Zollgebiet der Union daher auch weiterhin bereits in der Zollanmeldung angegeben werden.

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