Europäische Kommission veröffentlicht aktualisierten FAQ-Katalog zum Art. 5n Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014

Software-Bereitstellungsverbot

Die Europäische Kommission hat am 06.02.2024 auf ihrer Internetseite ihren aktualisierten Katalog mit FAQs (“Commission Consolidated FAQs on the implementation of Council Regulation No 833/2014 and Council Regulation No 269/2014“) zur Umsetzung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 und der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 veröffentlicht und diesen unter anderem um Ausführungen zum Software-Bereitstellungsverbot aus Art. 5n Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014 ergänzt.  


Hintergrund 
Mit dem 12. Sanktionspaket sind zum Ende des Jahres 2023 weitere Sanktionsverschärfungen im Außenwirtschaftsverkehr mit der Russischen Föderation in Kraft getreten. Neben neuen Beschränkungen im Bereich des Zahlungsverkehrs (Art. 5r VO (EU) Nr. 833/2014), der Pflicht zur Vereinbarung von „Nicht-für-Russland-Klauseln“ (Art. 12g VO (EU) Nr. 833/2014) und weiteren Verschärfungen, wurde dem Art. 5n VO (EU) Nr. 833/2014 ein neuer Absatz 2b mit ausfuhrseitigen Verboten für Software für die Unternehmensführung und Software für Industriedesign und Fertigung gemäß dem neu eingeführten Anhang XXXIX hinzugefügt. 

Art. 5n Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014 lautet nunmehr:
„es ist verboten, unmittelbar oder mittelbar Software für die Unternehmensführung und Software für Industriedesign und Fertigung gemäß Anhang XXXIX zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen, auszuführen oder bereitzustellen für a) die Regierung Russlands oder b) in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen.“ 

Die Europäische Kommission hat nun ihren FAQ-Katalog zu den Sanktionen gegen Russland und Belarus um Fragen und Antworten zum neuen Art. 5n Abs. 2b der VO (EU) Nr. 833/2014 erweitert.


Reichweite der Verbote aus Art. 5n Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014 
Die Verbote finden gemäß den Ausführungen der Europäischen Kommission auf verkörperte Software, also auf einem Speichermedium gespeicherte oder ausgedruckte Software, und auf nicht verkörperte Software (z.B. in einer Cloud gespeicherte Software) Anwendung. Weiterhin stellt die Europäische Kommission in ihren FAQs heraus, dass neben Verkauf, Lieferung, Verbringung, Ausfuhr oder Bereitstellung verbotener Software ist auch die Bereitstellung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten oder anderen Diensten im Zusammenhang mit der benannten Software, sowie die Bereitstellung von Finanzmitteln oder finanzieller Unterstützung verboten. 


Verbotene Software 
Dem Wortlaut des Art. 5n Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014 nach beziehen sich die Verbote auf Software für die Verwaltung von Unternehmen und Software für Industriedesign und Fertigung. Den FAQs der Europäischen Kommission entsprechend, ist Ziel dieser Bestimmung Russlands Kapazitäten im Industriesektor zu schwächen. Der neu eingeführte Anhang XXXIX enthält deshalb zum einen Software für die Verwaltung von Unternehmen, also Systeme, die alle Unternehmensprozesse digital abbilden und steuern kann und zum anderen Design- und  Fertigungssoftware, die in den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen, Bauwesen, Fertigung, Medien, Bildung und Unterhaltung eingesetzt werden. Die Europäische Kommission weist darauf hin, dass sich die Verbote aus Art. 5n Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014 auch auf Software-Updates und Upgrades, der in Anhang XXXIX aufgeführten Software beziehen. Zu beachten sei außerdem, dass die Unterstützung oder Beratung in Bezug auf Software-Updates und Upgrades bereits unter das Verbot der Erbringung von IT-Beratungsdiensten für die russische Regierung oder russische Stellen aus Art. 5n Abs. 2 EU (VO) Nr. 833/2014 fällt. 
 

Erbringung von Softwarediensten für Einrichtungen in Drittländern 
In den FAQs wird klargestellt, dass das Verbot des Artikel 5n Abs. 2b EU (VO) Nr. 833/2014 nicht den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung, die Ausfuhr und die Bereitstellung von Software des Anhang XXXIX an Einrichtungen in anderen Drittländern berührt. Der Artikel 5n Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014 erlaubt deshalb nach der Wertung der Europäischen Kommission weiterhin Software (ebenso Software-Updates und Upgrades) für Kunden in Drittländern (mit Ausnahme von in Russland niedergelassenen juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen) mit internationalen Tochtergesellschaften und verbundenen Unternehmen bereitzustellen, auch wenn die verbundenen Unternehmen selbst unter das Verbot aus Art. 5n Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014 fallen. Anders liege es dann, wenn eine Umgehung vermutet wird, z.B. wenn der Kunde versucht, die Software für eine überwiegende Nutzung durch eine in Russland ansässige Tochtergesellschaft oder eine andere in Russland ansässige juristische Person, Organisation oder Einrichtung zu erwerben. 


Praxishinweis
Im Zusammenhang mit der Einführung des Art. 5n Abs. 2b der VO (EU) Nr. 833/2014 wird in den FAQs der Europäischen Kommission auf die sog. Altvertragsregelung aus Art. 5n Abs. 4b derselben hingewiesen. Hiernach gelten die Verbote des Art. 5n Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014  nicht für den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung, die Ausfuhr oder die Bereitstellung von Software, die unbedingt erforderlich ist, um vor dem 19. Dezember 2023 geschlossene Verträge, die mit diesem Artikel nicht vereinbar sind, oder für deren Erfüllung erforderliche akzessorische Verträge bis zum 20. März 2024 zu beenden. Im Übrigen betont die Europäische Kommission in ihren FAQs, dass Wirtschaftsbeteiligte der Europäischen Union die erforderliche Sorgfalt walten lassen müssen, um zu vermeiden, dass sie an der Umgehung von Verboten beteiligt sind (Umgehungsverbot aus Art. 12 VO (EU) Nr. 833/2014). 


Keine Ausführungen enthalten die FAQs mit Blick auf den Art. 5n Abs. 7 n. F. der VO (EU) 833/2014, welcher vor dem 12. Sanktionspaket ohne Befristung eine Ausnahme für die Erbringung von nach den Art. 5n Abs. 1 – Abs. 2a VO (EU) Nr. 833/2014 verbotenen Dienstleistungen zu Gunsten von Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen bzw. von Unternehmen aus Partnerländern beinhaltete. Im Art. 5n Abs. 7 VO (EU) Nr. 833/2014 wird nun zwar auf den neuen Art. 5n Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014 Bezug genommen, aber gleichzeitig die Ausnahme bis zum 20. Juni 2024 befristet. In diesem Zusammenhang wurde mit dem Art. 5n Abs. 10 lit. h) der VO (EU) Nr. 833/2014 eine neue Genehmigungsmöglichkeit geschaffen, auf die in den FAQs der Europäischen Kommission ebenfalls nicht Bezug genommen wird.


Eine Vielzahl von Unternehmen erbringt derzeit noch im Rahmen der Verbotsausnahme Dienstleistungen (Art. 5n Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a der VO (EU) Nr. 833/2014) für Tochtergesellschaften in Russland. Häufig ist es zudem so, dass russische Tochtergesellschaften in Russland in eine gemeinsame gruppen-, bzw. konzernweite ERP-Systemstruktur eingebunden sind oder jedenfalls Sublizenzen eines ERP-Systems erhalten, um dieses lokal nutzen zu können. Nach den Ausführungen in den FAQs, welche auch die Betroffenheit einer intangiblen Zurverfügungstellung entsprechender Software herausstellen, ist davon auszugehen, dass entsprechende Zurverfügungstellungen von Lizenzen den Verboten des Art. 5n Abs. 2b der VO (EU) Nr. 833/2014 unterfallen.


Unternehmen mit Tochtergesellschaften in Russland sollten sich daher mit auseinandersetzen, inwieweit diese die Voraussetzungen der neuen Genehmigungsmöglichkeit des Art. 5n Abs. 10 lit. h) VO (EU) Nr. 833/2014 erfüllen, sofern Dienstleistungen für die russische Tochtergesellschaft und deren Einbindung in eine gemeinsame ERP-Umgebung auch nach dem 20. Juni 2024 aufrechterhalten werden soll. Dem Vernehmen nach arbeitet das BAFA an einer entsprechenden Allgemeinen Genehmigung, zu deren Inhalt und Reichweite aber noch nichts Näheres bekannt ist.


Quellen

Commission Consolidated FAQs on the implementation of Council Regulation No 833/2014 and Council Regulation No 269/2014

Verordnung (EU) Nr. 833/2014

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