BMF-Schreiben vom 13.2.2024: Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der Umsätze im Sinne von § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG

Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels

Mit Schreiben vom 13.2.2024 hat sich das Bundesfinanzministerium (BMF) ausführlich zur Anwendung des Gesamtumsatzschlüsselsim Sinne von Art. 174 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) im deutschen Umsatzsteuerrecht geäußert. Im Ergebnis ist der Gesamtumsatzschlüssel nach § 15 Abs. 4 S. 3 UStG nur dann anzuwenden, wenn es keine andere genauere Ermittlungsmethode gibt. Das BMF stellt hierzu nur kurz fest, dass nach Art. 173 Abs. 2 MwStSystRL derartige Vorgaben zulässig sind. Ob die in dieser Norm ausdrücklich genannten Voraussetzungen hierfür auch erfüllt sind, bleibt in dem BMF-Schreiben – vorsichtshalber – unerörtert. 


Folgende Erkenntnisse über die zutreffende Anwendung von Gesamtumsatzschlüssel und anderen (präziseren) Schlüsseln lassen sich aus dem BMF-Schreiben gewinnen: 

  • Ein Gesamtumsatzschlüssel, also ein gesamtumsatzbezogener oder gesamtunternehmensbezogener Umsatzschlüssel, ist immer nachrangig zu präziseren Ermittlungsmethoden. 
     
  • Es ist bei mehreren präziseren Ermittlungsmethoden nicht zwingend die präziseste anzuwenden. Die Auswahl obliegt dem Unternehmer; das zuständige Finanzamt kann die Auswahl aber darauf überprüfen, ob sie sachgerecht ist.
     
  • Mit Hinweis auf das zeitgleich erstmals im Bundesteuerblatt veröffentlichte EuGH-Urteil in der Rechtssache Kreissparkasse Wiedenbrück (EuGH-Urteil vom 16. Juni 2016, C-186/15) sind die ermittelten Pro-Rata-Sätze für die Ermittlung der abzugsfähigen Vorsteuer bei Anwendung eines Gesamtumsatzschlüssel immer nach der Rundungsregel des Art. 175 MwStSystRL auf den nächsten vollen Prozentpunkt aufzurunden, während die präziseren Ermittlungsmethoden erst auf die zweite Stelle hinter dem Komma aufzurunden sind; in keinem der Fälle erfolgt eine kaufmännische Rundung.
     
  • Jeder Schlüssel, der nicht die gesamten Umsätze des Unternehmens zugrunde legt, ist eine „andere wirtschaftliche Zurechnung“ im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG, die dann diesen Vorgaben (einschließlich Rundungsregelung) zu folgen hat. Dass eine Prüfung zu erfolgen hat, ob das Ergebnis dieser Berechnung tatsächlich „präziser“ ist, kann man nur daraus ablesen, dass das BMF feststellt, dass es sich „ggf.“ um eine zu einem „präziseren Ergebnis“ führende Aufteilung handele. 
     
  • Der Gesamtumsatzschlüssel errechnet sich aus dem Verhältnis von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen (einschließlich unentgeltlicher Wertabgaben) zu den gesamten Umsätzen des Unternehmens im Kalenderjahr, bereinigt um zu versteuernde Eingangsumsätze (Einfuhren; innergemeinschaftliche Erwerbe; bezogene Leistungen, die nach § 13b UStG zu versteuern sind): Subventionen sollen nur zu berücksichtigen sein, wenn sie einen Einfluss auf den Preis hatten. Um einen zutreffenden (und nicht zufälligen) Schlüssel zu ermitteln, sollen in der Regel Korrekturen nach § 15a UStG, Hilfsumsätze aus Grundstücks- und Finanzgeschäften sowie nicht steuerbare Leistungen (etwa aus Geschäftsveräußerungen im Ganzen im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG) weder im Zähler noch im Nenner des zu errechnenden Bruchs Berücksichtigung finden.
     
  • Bei der Anwendung der Differenzbesteuerung (§§ 25, 25a UStG) sollen sowohl im Zähler als auch im Nennen die Bemessungsgrundlage nach den allgemeinen Regeln (Verkaufspreis abzüglich Umsatzsteuer) berücksichtigt werden. Unklar bleibt dabei allerdings, ob die rechnerische oder die tatsächliche (enthaltene) Umsatzsteuer anzusetzen sein soll. Das Fehlen des Wortes „enthaltene“ im Text des BMF-Schreibens lässt darauf schließen, dass die rechnerische gemeint sein soll. 
     
  • Bei Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten im Sinne des § 20 UStG kommt es auf die tatsächliche Vereinnahmung an; bei Änderungen der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 17 UStG auf den Zeitpunkt, in dem die Änderungen eingetreten sind. 
     
  • Zu begrüßen ist, dass das BMF unter Hinweis auf Abschnitt 15.16 Abs. 2a UStAE und die dort genannten BMF-Rechtsprechung noch einmal ausdrücklich darauf hinweist, dass der für das vorangegangene Jahr ermittelte Schlüssel vorläufig auch im Voranmeldungsverfahren des Folgejahres Anwendung finden darf und eine Korrektur dann über die Jahreserklärung und einen final berechneten Schlüssel erfolgt. In der Praxis führt dies immer wieder zu Diskussionen. 
     
  • Da der Gesamtumsatzschlüssel zu möglicherweise stark schwankenden Prozentsätzen führt, ist bei Berichtigungsobjekten im Sinne des § 15a UStG eine jährliche Überprüfung vorzunehmen, ob Vorsteuerkorrekturen erforderlich sind.  Nach Auffassung des BMF sind für den Fall, dass der Prozentsatz der abziehbaren Vorsteuer im Erstjahr auf den nächsten vollen Prozentpunkt aufgerundet wurde, auch in den folgenden Jahren des Berichtigungszeitraums entsprechende Aufrundungen vorzunehmen, auch wenn die Ermittlung in späteren Jahren nach einem „präziseren“ Schlüssel vorgenommen wird (und nur ein Aufrunden auf die zweite Nachkommastelle geboten wäre). Diese Regelungen verhindert zufällige Ergebnisse: ist beispielsweise der sowohl als Gesamtumsatz als auch als „präziserer“ Schlüssel ermittelte Betrag 15,001 %, so wären nach dem Gesamtumsatz 16 % und nach einem „präziseren“ Schlüssel 15,01 % abzugsfähig; ergibt sich in Jahr 2 erst die Möglichkeit, einen präziseren Schlüssel zu ermitteln, wäre eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG vorzunehmen, obwohl sich an der Nutzung keine Änderung ergeben hat.

Eine nicht unwesentliche Änderung lässt sich erst den Änderungen des UStAE, die mit diesem Schreiben erfolgen, entnehmen, im eigentlichen Text des Schreibens findet sich hierzu nicht. Die Neufassung des Abschn. 15.17 Abs. 3 Sätze 10 und 11 UStAE lautet:

„Stellt sich ein angewandter Aufteilungsschlüssel im Nachhinein als nicht sachgerecht heraus, hat der Unternehmer die Möglichkeit, einen sachgerechten und präziseren Aufteilungsschlüssel zu wählen. Wenn er diese Möglichkeit nicht wahrnimmt, kann die Finanzverwaltung einen von ihr ermittelten sachgerechten und präziseren Aufteilungsschlüssel anwenden.“

Diese Regelung bietet hinreichendes Konfliktpotential mit der Finanzverwaltung. Wenn die Vorstellungen des Steuerpflichtigen und seines Beraters auf der einen Seite und der Finanzverwaltung auf der anderen Seite – wie so häufig – in der Frage stark auseinander gehen, was ein sachgerechter oder präziser Schlüssel ist, wird die Finanzverwaltung den „zweiten Versuch“ häufig als Nichtwahrnehmung deuten. In der Konsequenz werde, diese Fälle dann aus dem Veranlagungs- oder Einspruchsverfahren in die finanzgerichtlichen Verfahren verlagert werden. 

 

Quelle

BMF - Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der Umsätze im Sinne von § 15 Absatz 4 Satz 3 Umsatzsteuergesetz (UStG)

EuGH-Urteil vom 16. Juni 2016, C-186/15 [Kreissparkasse Wiedenbrück]

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