EuGH zur Steuerbefreiung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 25.02.2016, C-22/15, Kommission/Niederlande

Praxisproblem

Im deutschen Recht ist die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL für Dienstleistungen in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben, nicht vollständig umgesetzt. Nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG sind lediglich sportliche Veranstaltungen befreit, die von den in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG aufgeführten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht. Eine sportliche Veranstaltung ist die organisatorische Maßnahme einer begünstigten Einrichtung, die es aktiven Sportlern erlaubt, Sport zu treiben. Teilnehmergebühren sind Entgelte, die gezahlt werden, um an den Veranstaltungen aktiv teilnehmen zu können, z.B. Startgelder und Meldegelder. Soweit das Entgelt für die Veranstaltung in Eintrittsgeldern der Zuschauer besteht, ist § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG nicht anzuwenden.

Sachverhalt

Bei der Klage der EU-Kommission gegen die Niederlande ging es um die Vermietung von Liege- und Unterstellplätzen für Fahrzeuge an Mitglieder von Wassersportvereinigungen.

Die Kommission war der Auffassung, dass die Niederlande gegen Art. 2 Abs. 1, 24 Abs. 1 und Art. 133 i.V.m. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL verstoßen, weil in den Niederlanden die Vermietung von Liege- und Unterstellplätzen für Fahrzeuge an Mitglieder von Wassersportvereinigungen, die für ihre Vermietungsleistungen nicht auf eine oder mehrere Personen, die als Arbeitnehmer bei ihnen tätig sind, zurückgreifen, und Boots- oder Freizeitaktivitäten, die mit Sport und Körperertüchtigung nicht gleichzustellen sind, steuerfrei seien. Außerdem bestehe ein Verstoß gegen die genannten Vorschriften darin, dass die Niederlande die Befreiung der Vermietung von Liege- und Unterstellplätzen für Fahrzeuge auf Wassersportvereinigungen beschränken, die für ihre Dienstleistungen nicht auf eine oder mehrere Personen, die als Arbeitnehmer bei ihnen tätig sind, zurückgreifen, wenn diese Vermietung an Mitglieder erfolgt, die Sport ausüben und die Vermietung in engem Zusammenhang mit der Ausübung dieses Sports steht und dafür unentbehrlich ist.

Art. 11 Abs. 1 Buchst. e des NL-MwStG befreit die von Sportvereinigungen ihren Mitgliedern gegenüber erbrachten Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer, mit Ausnahme von Dienstleistungen von Wassersportorganisationen, die für ihre Dienstleistungen auf eine oder mehrere Personen, die in einem Dienstverhältnis für diese Organisation tätig sind, zurückgreifen, sofern diese Dienstleistungen in der Verrichtung von Tätigkeiten in Bezug auf Fahrzeuge oder im Zurverfügungstellen von Liege- und Unterstellplätzen für Fahrzeuge mit Hilfe dieser Personen bestehen.

Diese Steuerbefreiung ist nach Ansicht der Kommission zugleich zu weit und zu eng. Die Kommission rügte, dass die Befreiung nicht auf die Vermietung an Mitglieder der Vereinigung ohne Gewinnstreben, die Sport ausübten, beschränkt ist, sondern sich auch auf die Vermietung an Mitglieder der Vereinigung erstreckt, die nur zu Erholungszwecken oder sogar vor Ort, ohne den Anlegeplatz zu verlassen, von dem auf dem gemieteten Liege- oder Unterstellplatz untergebrachten Fahrzeug Gebrauch machen. Insoweit verstoße die Befreiung gegen die Art. 2 Abs. 1, 24 Abs. 1 und 133 MwStSystRL. Außerdem rügte die Kommission, dass die betreffenden Vereinigungen, um in den Genuss der Befreiung zu kommen, kein Personal beschäftigen dürfen. Dadurch fügten die Niederlande eine Bedingung hinzu, die weiter gehe als es nach Art. 133 i.V.m. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL zulässig sei.

Entscheidung

Der EuGH hat im Sinne des Klageantrags entschieden (das Urteil liegt nur in Französisch und Niederländisch vor), dass die Niederlande gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 und Art. 133 i.V.m. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL verstoßen haben,

  • indem im Rahmen von Boots- und Freizeitaktivitäten, die mit Sport und Körperertüchtigung nicht gleichzustellen sind, die Vermietung von Liege- und Stellplätzen für Boote an Mitglieder von Wassersportvereinigungen von der Mehrwertsteuer befreit sind, die kein Personal für die Ausübung ihrer Dienstleistungen beschäftigen,
  • indem die Befreiung für die Vermietung von Liege- und Stellplätzen für Boote, wenn die Vermietung an Personen erfolgt, die Sport ausüben und die Vermietung eng verbunden und unverzichtbar für die Ausübung dieses Sports ist, auf Wassersportvereinigungen beschränkt ist, die kein Personal für die Ausübung ihrer Dienstleistungen beschäftigen.

Der EuGH hebt im Wesentlichen auf seine Entscheidung v. 21.02.2013, C-18/12, Město Žamberk ab, in der er sich erstmals dezidierter zum Begriff des Sports und der Körperertüchtigung geäußert und entschieden hatte, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL sich nach seinem Wortlaut auf Sport und Körperertüchtigung im Allgemeinen bezieht. Die mit der Vorschrift vorgesehene Steuerbefreiung soll nicht lediglich bestimmten Arten von Sport zugutekommen. Die Vorschrift setzt auch nicht voraus, dass die sportliche Betätigung auf einem bestimmten Niveau (z.B. auf professionellem Niveau) oder in einer bestimmten Art und Weise (d.h. regelmäßig oder organisiert oder im Hinblick auf die Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen) ausgeübt wird. Allerdings darf die Tätigkeit nicht ausschließlich im Rahmen von Erholung oder Unterhaltung stattfinden. Mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL soll die sportliche Betätigung durch breite Schichten der Bevölkerung gefördert werden. Somit stellt die Steuerbefreiung auch auf sportliche Betätigungen ab, die nicht auf die Teilnahme an Sportwettkämpfen abzielen.

Die niederländische Beschränkung der Steuerbefreiung auf Leistungen von Wassersportvereinigungen, die kein Personal für die Ausübung ihrer Dienstleistungen beschäftigen, ist nach dem Urteil eine unzulässige Einschränkung, die weder von Art. 133 MwStSystRL noch von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL gedeckt ist.

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