Änderungen im Umsatzsteuergesetz UStG

1. Steuerbefreiungen

a) § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. g UStG

Mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III), das der Bundestag am 01.12.2016 beschlossen hat (die Zustimmung des Bundesrates erfolgte am 16.12.2016 ), wurde das UStG wie folgt neu gefasst: [steuerfrei sind die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von] „Einrichtungen, soweit sie Leistungen erbringen, die landesrechtlich als Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a des Elften Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sind“ [erbracht werden].

Durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz (v. 21.12.2015, BGBl. 2015 I, 2424) werden die niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangebote nach § 45b SGB XI mit Inkrafttreten zum 01.01.2017 zu Angeboten zur Unterstützung im Alltag nach § 45a SGB XI. Es handelt sich hierbei um eine rein redaktionelle Änderung der Bezeichnung, um die Verständlichkeit in der Bevölkerung zu erhöhen. Inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden. Dementsprechend wurde § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. g UStG ebenfalls redaktionell (ohne materiell-rechtliche Auswirkungen) angepasst. Die Änderung tritt am 01.01.2017 in Kraft.

b) § 4 Nr. 15c UStG

Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG), das der Bundestag am 01.12.2016 beschlossen hat (die Zustimmung des Bundesrates wurde ebenfalls am 16.12.2016 erteilt), wurde in dem neuen § 4 Nr. 15c UStG eine neue Steuerbefreiung im Bereich der sozialen Sicherheit eingeführt. Danach sind steuerfrei: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind Rehabilitationsdienste und -einrichtungen nach den §§ 19 und 35 SGB IX, mit denen Verträge nach § 21 SGB IX abgeschlossen worden sind. 

Die Einfügung des § 4 Nr. 15c UStG soll der zielgenauen Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte, der gesetzlichen Unfallversicherung, der Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge sowie der Jugendhilfe dienen. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 SGB IX sowie den spezifischen Leistungsgesetzen sind mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im SGB IX legal definiert. Mit diesen Leistungen werden soziale Zwecke verfolgt, weil damit Menschen mit Behinderungen langfristig der Zugang zum Berufsleben gesichert und Arbeitslosigkeit verhindert wird. Damit werden die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen gesichert und das Selbstbewusstsein gestärkt.

Dementsprechend werden nunmehr durch die Neuregelung Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. § 49 SGB IX von der Umsatzsteuer befreit werden. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen insbesondere:

  • Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung,
  • eine Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung,
  • die individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen unterstützter Beschäftigung,
  • die berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilhabe erforderlichen schulischen Abschluss einschließen,
  • die berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden,
  • die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit,
  • sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um den Menschen mit Behinderungen eine geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten.

Eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen sind insbesondere auch Leistungen für Unterkunft und Verpflegung, wenn sie im Zusammenhang mit den genannten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von der begünstigten Einrichtung erbracht werden. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind steuerfrei, wenn sie von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder von anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter sind die in den §§ 36 und 51 SGB IX genannten Rehabilitationsdienste und -einrichtungen, mit denen Rehabilitationsträger Verträge nach § 38 SGB IX abgeschlossen haben. Die Änderung tritt am 01.01.207 in Kraft.

2. Aufbewahrung von Lieferscheinen und Erhöhung der Betragsgrenze für Kleinbetragsrechnungen

Mit dem Zweiten Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie  (Zweites Bürokratieentlastungsgesetz, BEG II), das vom Bundestag und Bundesrat voraussichtlich Anfang Januar 2017 verabschiedet wird, werden in § 147 Abs. 3 AO folgende Sätze 3 und 4 eingefügt: „Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung.“

Lieferscheine sind nach bisher geltendem Recht als empfangene oder abgesandte Handels- oder Geschäftsbriefe nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO aufbewahrungspflichtig. Sie sind auch dann aufzubewahren, wenn sich die Angaben aus den Rechnungen ergeben. Die Aufbewahrungspflicht beträgt gem. § 147 Abs. 3 Satz 1 AO sechs Jahre bzw. zehn Jahre, wenn die Lieferscheine als Buchungsbeleg verwendet werden. Nach § 14 Abs. 4 UStG muss eine Rechnung stets Angaben zu Menge und Art der gelieferten Ware enthalten. Eine Pflicht zur Erstellung von Lieferscheinen besteht hingegen nicht. Mit dem nunmehr vorgesehenen Verzicht auf die Aufbewahrung von Lieferscheinen, deren Inhalt eingangs- bzw. ausgangsseitig durch die entsprechende Rechnung dokumentiert ist, sollen die Unternehmen von Bürokratieaufwand entlastet werden. Durch den Wegfall der Aufbewahrung/Archivierung sollen Zeitaufwand und damit Personalkosten eingespart werden. Soweit künftig Lieferscheine steuerlich nicht mehr aufzubewahren sind, werden Sachkosten eingespart, wenn für diese Unterlagen keine Mietkosten mehr aufgewendet werden müssen.

PRAXISHINWEIS: Wichtig ist allerdings, dass weiterhin die Belege aufbewahrt werden müssen, auf welche in Rechnungen verwiesen wird, da ansonsten die Rechnungsangaben nicht vollständig vorliegen.

Die Regelung soll (obwohl das Gesetz voraussichtlich erst im Januar 2017 verabschiedet wird) am 01.01.2017 in Kraft treten und für alle Lieferscheine gelten, deren Aufbewahrungsfrist nach § 147 Abs. 3 AO in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung noch nicht abgelaufen ist.

Ebenfalls mit dem BEG soll zum 01.01.2017 in § 33 Satz 1 UStDV soll die bisherige Grenze für Kleinbetragsrechnungen von derzeit 150 € auf 200 € angehoben werden. In Rechnungen über Kleinbeträge müssen (für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers) mindestens (nur) folgende Rechnungsangaben enthalten sein:

  • vollständiger Name und vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers,
  • Ausstellungsdatum,
  • Menge und Art der gelieferten Gegenstände oder Umfang und Art der sonstigen Leistung sowie
  • das Entgelt und der darauf entfallende Steuerbetrag für die Leistung in einer Summe sowie
  • der anzuwendende Steuersatz oder im Fall einer Steuerbefreiung ein entsprechender Hinweis darauf.

Die Anhebung der Kleinbetragsrechnungsgrenze auf 200 € entlastet auf der einen Seite den Leistungserbringer. Auf der anderen Seite entlastet sie auch den vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger, soweit dieser dadurch von formellen Prüfpflichten für die Eingangsleistung befreit wird. Einer Anhebung der Grenze für Kleinbetragsrechnungen über 200 € hinaus stehen nach der Gesetzesbegründung die Belange der Umsatzsteuer-Betrugsbekämpfung, insbesondere die Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug entgegen.

3. Zusammenfassende Meldungen

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.07.2016, BGBl. I 2016, 1679 wurde § 18a Abs. 11 UStG wie folgt gefasst: „Auf die Zusammenfassende Meldung sind mit Ausnahme von § 152 der Abgabenordnung ergänzend die für Steuererklärungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung anzuwenden.“ Die Änderungen treten am 01.01.2017 in Kraft.

Die Regelungen zur ergänzenden Anwendung der für die Steuererklärung geltenden Vorschriften der AO auf die Zusammenfassenden Meldungen (ZM) wurden damit an die Rechtsänderungen durch Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens angepasst. Nach § 18a Abs. 11 Satz 1 UStG waren bislang die Vorschriften über die Steuererklärungen gem. §§ 149 ff. AO und damit auch die Regelungen über den Verspätungszuschlag nach § 152 AO auf die ZM ergänzend anwendbar. Für die Erhebung des Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 2 AO enthielt § 18a Abs. 11 Satz 2 UStG bisher zusätzlich eine besondere Anwendungsregelung. Von der Möglichkeit, bei der verspäteten Abgabe von ZM Verspätungszuschläge zu erheben, war bisher aber kein Gebrauch gemacht worden. Der Verweis lief daher bisher ins Leere. Dementsprechend wurde § 18a Abs. 11 Satz 1 UStG so geändert, dass die Regelung zum Verspätungszuschlag nach § 152 AO aus dem Verweis ausgenommen wurde. Zugleich konnte auch die Sonderregelung in § 18a Abs. 11 Satz 2 UStG entfallen. Die verspätete Abgabe oder auch die Nicht-Abgabe der ZM nach § 18a UStG ist weiterhin durch Zwangsmittel nach §§ 328 ff. AO, insbesondere durch die Erhebung eines Zwangsgeldes, sanktioniert. Mit der Änderung von § 18a Abs. 11 ist somit keine Regelungslücke entstanden.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wurden außerdem zum 01.01.2017  in § 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 UStG, § 18a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UStG, § 18g Satz 1 und § 18h Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 UStG jeweils die Wörter „nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung“ gestrichen. Dies beruht auf dem Wegfall der bisherigen Verordnungsermächtigung in § 150 Abs. 7 AO und der Übernahme der bisher in der StDÜV angesiedelten Regelungen in § 72a Abs. 1-3 AO und § 87a Abs. 6 AO sowie in die §§ 87b-87d AO. Die Regelungen in diesen AO-Vorschriften gelten hier jetzt unmittelbar für die entsprechenden UStG-Bestimmungen.