BFH: Keine Entgeltminderung bei Vermittlung

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 27.02.2014, V R 18/11, Keine Entgeltminderung bei der Vermittlung

Praxisproblem

Die streitgegenständliche Frage, ob der Vermittler seine Bemessungsgrundlage für den Vermittlungsumsatz mindern darf, wenn er einen Teil seines Entgeltes an den Kunden des Unternehmers, dessen Leistung er vermittelt, weitergibt, ist in der Praxis vielfältig anzutreffen.
Wenn ein Reisebüro, das als Vermittler für einen Reiseveranstalter tätig ist und einem Reisekunden einen selbst finanzierten Preisnachlass gewährt, ist fraglich, ob das Reisebüro zu einer Minderung seiner Umsatzsteuerschuld berechtigt ist. Der BFH hatte dies in der Vergangenheit bejaht, hatte in seinem Vorabentscheidungsersuchen v. 26.04.2012, V R 18/11 an den EuGH aber Zweifel, ob seine bisherige Auslegung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. In dem Streitfall war beachtlich, dass das Reisebüro eine steuerpflichtige Vermittlungsleistung gegenüber dem Reiseveranstalter erbracht hatte.

Gewährt das Reisebüro aus der von ihm verdienten Vermittlungsprovision einen Preisnachlass an den Reisekunden, stellt sich die Frage, ob die Zahlung an den Reisekunden das Entgelt für die an den Reiseveranstalter erbrachte Vermittlungsleistung mindert. Der BFH bezweifelte – entgegen seiner früheren Rechtsprechung – die Anwendbarkeit der EuGH-Rechtsprechung zur Rabattgewährung in einer Vertriebskette (vgl. EuGH, Urt. v. 24.10.1996, C-317/94, Elida Gibbs) auf Preisnachlässe bei Vermittlungsleistungen – zumindest bei der Vermittlung von Reiseleistungen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein Reisebüro, das teils steuerfreie und teils steuerpflichtige Vermittlungsleistungen erbringt. Soweit die Klägerin Leistungen steuerpflichtig vermittelte, handelte es sich bei den vermittelten Leistungen um Reiseleistungen, die Reiseveranstalter an Reisekunden erbrachten und die der Sonderregelung nach Art. 26 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 306 bis 310 MwStSystRL) unterliegen. Für ihre steuerpflichtigen Vermittlungsleistungen erhielt die Klägerin von den Reiseveranstaltern die vereinbarten Provisionen. Gegenüber den Reisekunden gewährte die Klägerin Preisnachlässe, die im Ergebnis ihre Provisionen entsprechend schmälerten. Nachdem sie zunächst die Provisionen in vollem Umfang versteuert hatte, beantragte sie eine Änderung der Steuerfestsetzungen für die Streitjahre 2002 bis 2005, da die Gewährung der Preisnachlässe an die Reisekunden gem. § 17 UStG zu einer Minderung der an die Reiseveranstalter erbrachten Vermittlungsleistungen geführt habe.

Dem schloss sich das Finanzamt nur insoweit an, als die von den Reiseveranstaltern erbrachten Leistungen nach der Margenregelung des Art. 26 der 6. EG-Richtlinie steuerpflichtig waren (Reisevorleistungen im Gemeinschaftsgebiet). Soweit die durch die Reiseveranstalter erbrachten Reiseleistungen nach Art. 26 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie steuerfrei waren (Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet), lehnte das FA eine Änderung zugunsten der Klägerin ab.

Der EuGH hatte mit Urteil v. 16.01.2014, C-300/12, Ibero Tours entschieden, dass für Sachverhalte wie im Vorlagefall das Urteil des EuGH v. 24.10.1996, C-317/94, Elida Gibbs nicht einschlägig ist. Er begründet dies damit, dass sein Urteil v. 24.10.1996 nur für Preisnachlässe gilt, die in einer Kette von Umsätzen vorkommen, nämlich dass der Erste in der Kette einen Preisnachlass gewährt, der dem Endverbraucher (als dem Letzten in der Kette) zugute kommt. Im Ausgangsfall handele es sich jedoch nicht um einen solchen Sachverhalt. Der Reiseveranstalter sei nicht das erste Glied einer Kette von Umsätzen, da er seine Leistung unmittelbar an den Endverbraucher erbringe und die Klägerin sei nur als Vermittlerin dieses Umsatzes tätig. Die Klägerin erbringe eine Leistung, die von der Leistung des Reiseveranstalters zu trennen sei. Der Reiseveranstalter gewähre dem Kunden auch keinen Rabatt, da die Klägerin den Reisepreis, der dem Reisenden berechnet wird, in voller Höhe an den Reiseveranstalter abzuführen habe. Der Rabatt, den der Vermittler dem Reisenden zahlt, wirkt sich nach dem Urteil somit weder auf die Bemessungsgrundlage der Reiseleistung aus, noch auf die Bemessungsgrundlage der Provision des Vermittlers der Reiseleistung.

Entscheidung

Der BFH hat mit Urteil v. 27.02.2014, V R 18/11 (vom BFH veröffentlicht am 11.06.2014) seine abschließende Entscheidung in der Sache getroffen. Danach hält der BFH nicht an seiner Rechtsprechung fest, dass ein Vermittler das Entgelt für seine Vermittlungsleistung mindern kann, wenn er dem Kunden der von ihm vermittelten Leistung einen Preisnachlass gewährt. Danach wirkt sich der Preisnachlass nicht auf das Entgelt der vom Vermittler an den Reiseveranstalter erbrachten Dienstleistungen aus, da der Vermittler keinen Nachlass für die im Rahmen der Vermittlungstätigkeit an den Reiseveranstalter erbrachten Dienstleistungen gewährt.

Praxishinweis

Die Verwaltung geht bisher in Anwendung der BFH-Rechtsprechung davon aus, dass die Grundsätze des EuGH, Urt. v. 15.10.2002, C-427/98, Kommission / Deutschland, BStBl. II 2004, 328 auch auf Vermittlungsleistungen anwendbar sind. Nach dem vorliegenden Urteil des EuGH und der abschließenden Entscheidung des BFH ist allerdings nunmehr beachtlich, dass Vermittlungsleistungen nicht Teil einer „Vertriebskette“ gleichartiger Waren sind. Die Vermittlungsleistung ist im Hinblick auf eine Minderung der Bemessungsgrundlage gesondert von der vermittelten Leistung zu beurteilen. Dies gilt besonders in Fällen wie denen des Ausgangsverfahrens, wo im Fall der Vermittlungsleistung im Gegensatz zur vermittelten Leistung die Margenbesteuerung nach § 25 UStG nicht zur Anwendung kommt. Dies hat zur Folge, dass die Vermittlungsleistung wegen der Bezugnahme auf den Ort der Ansässigkeit des Reiseveranstalters ggf. vollständig steuerpflichtig ist, während es bei der vermittelten Reiseleistung nur zum Teil zur Versteuerung kommen kann, weil ggf. Leistungselemente enthalten sind, für die der Ort der Leistung außerhalb des Gemeinschaftsgebiets gelegen ist. Bereits hieraus hätte der EuGH den Schluss ziehen können, dass Vermittlungsleistung und vermittelte Leistung nicht als gleichartig und damit nicht als in einer Vertriebskette erbracht angesehen werden können und im Ergebnis auch die Grundsätze des EuGH, Urt. v. 15.10.2002, C-427/98, Kommission / Deutschland, BStBl. II 2004, 328 nicht anzuwenden sind.

Die Berichtigung der Bemessungsgrundlage im Falle der Vermittlung einer Reise bei Gewährung eines Rabattes durch den Vermittler an den Endkunden zu Lasten der Vermittlungsprovision richtet sich im nationalen Recht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG. Entsprechende Regelungen zur Berichtigung der Bemessungsgrundlage bei Vermittlungsumsätzen durch Verkaufsagenten enthält Abschn. 17.2 Abs. 10 UStAE, in dem die Verwaltung bisher noch das Urteil des BFH v. 12.01.2006, V R 3/04, BStBl. II 2006, 479 anwendet. Danach ist die Bemessungsgrundlage zu mindern, wenn der Verkaufsagent eine im Inland steuerpflichtige Vermittlungsleistung erbracht hat, der Verkaufsagent einem Endabnehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts erstattet oder einen Preisnachlass für die von ihm vermittelte Leistung gewährt, die vermittelte Leistung an den Endabnehmer im Inland steuerpflichtig ist und der Verkaufsagent das Vorliegen der vorstehenden Voraussetzungen nachgewiesen hat. An dieser Praxis dürfte die Verwaltung nach den vorliegenden Entscheidungen jetzt nicht mehr festhalten.

Der EuGH- und BFH-Rechtsprechung kommt aber auch grundsätzliche Bedeutung zu, da sie nicht nur die Reisebranche in Deutschland betrifft, sondern ebenso auf andere Bereiche anzuwenden ist, in denen Waren (wie z.B. Pkws) oder Dienstleistungen über Vermittler verkauft werden.

Besonders interessant sind die Entscheidungen auch in Fällen unternehmerisch empfangener Vermittlungsleistungen. Die betroffenen Unternehmer könnten die Rückgängigmachung ursprünglicher Vorsteuerkürzungen geltend machen, die nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG (vgl. auch Abschn. 10.3 Abs. 5 und Abschn. 17.2 Abs. 10 UStAE) z.B. im Kontext mit der Gewährung sog. Zusatzskonti durch Zentralregulierer an die Anschlusskunden bei letzteren zu berücksichtigen sind. Nach Abschn. 10.3 Abs. 5 UStAE mindern Preisnachlässe, die eine Einkaufsgenossenschaft (Zentralregulierer) ihren Mitgliedern – zusätzlich zu dem von den Warenlieferanten an die Mitglieder eingeräumten Skonto – für den Warenbezug gewährt, die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der von der Einkaufsgenossenschaft gegenüber den Warenlieferanten erbrachten Leistungen (BFH, Urt. v. 13.03.2008, V R 70/06, BStBl. II 2008, 997). Die Mitglieder müssen in solchen Fällen den aus den Warenanschaffungen zustehenden Vorsteuerbetrag um den im Preisnachlass des Zentralregulierers enthaltenen Steuerbetrag mindern (vgl. analog das Bsp. 1 in Abschn. 17.2 Abs. 10 UStAE). Wenn der Vermittler nach der neuen Rechtsprechung aber keinen Anspruch auf Minderung der Bemessungsgrundlage für seine Vermittlungsleistung hat, wenn er dem Anschlusskunden einen Teil seiner Vermittlungsprovision überlässt, dürfte dieser auch nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen haben. Denn der Zwang zur Vorsteuerberichtigung ergibt sich nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG aus dem wirtschaftlichen Vorteil aufgrund der Änderung der Bemessungsgrundlage des den Umsatz ausführenden Unternehmers. Wenn der vermittelnde Unternehmer seine Bemessungsgrundlage aber nicht ändern darf, mangelt es an diesem Tatbestandsmerkmal.

Der BFH weist in seinem Urteil am Schluss darauf hin, dass er nicht von dem BFH-Urteil v. 15.02.2012, XI R 24/09, BStBl. II 2013, 712 abgewichen sei. Diese Entscheidung betreffe eine anders gelagerte Fallgestaltung, bei der dem EuGH, Urt. Elida Gibbs entsprechend eine Lieferkette über einen Zwischenhändler vorliege. Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts durch nachträglich ausgezahlte Gutschriften, ist dessen Vorsteuerabzug nach dem BFH-Urteil v. 15.02.2012, XI R 24/09 nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG in der bis zum 15.12.2004 gültigen Fassung zu berichtigen. Erst mit § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG i.d.F. des EURLUmsG wurde eine Berichtigung der abgezogenen Vorsteuer für den Fall angeordnet, dass ein anderer Unternehmer als der, für den der Umsatz ausgeführt wurde, durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt wird.