BFH zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 13.02.2014, V R 8/13, Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs

Praxisproblem

Bisher konnte die Einfuhrumsatzsteuer nur als Vorsteuer geltend gemacht werden, wenn das Innehaben der Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand im Zeitpunkt der Abfertigung zum freien Verkehr für den Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer bestand. Das FG Hamburg entschied erstmals in seinem Urteil v. 19.12.2012, 5 K 302/09, dass eine „Einfuhr für das Unternehmen“ nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG die Verfügungsmacht nicht voraussetze, und berief sich dabei auf das Unionsrecht.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Inhaberin eines Unternehmens in Hamburg zur „Lagerung und Distribution von Waren aller Art mit Ausnahme erlaubnispflichtiger Geschäfte“. Im Streitjahr betrieb sie ein Zolllager Typ D und ein Zolllager Typ C. Zu diesem Zeitpunkt übernahm die Klägerin das Geschäft mit einem ihrer – ab dann – Hauptlagerkunden. Im Rahmen des Zolllagerverfahrens Typ C lagerte die Klägerin die Waren ihrer Kunden ein und übernahm die zollrechtliche Abwicklung. Das Eigentum ging nicht auf die Klägerin über. Im Lager der Klägerin wurden die Waren auf Abruf der Auftraggeber des Kunden jeweils zu Sendungen zusammengestellt und durch von den Auftraggebern beauftragte, in den Empfängerländern ansässige Spediteure mit eigenen Fahrzeugen am Lager der Klägerin übernommen.

Das zuständige Hauptzollamt führte eine Zollprüfung durch. Im Rahmen der Prüfung wurde festgestellt, dass seitens der Klägerin die ihr obliegenden Pflichten aus der Inanspruchnahme des Zolllagerverfahrens verletzt worden seien. Es seien Bestandsaufzeichnungen nicht korrekt geführt worden und der Nachweis des Erhalts einer neuen zollrechtlichen Bestimmung konnte durch die Klägerin nicht geführt werden. Die Zollschuld sei in diversen Fällen entweder nach Art. 203 Abs. 1 ZK oder nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a) ZK entstanden. Vor diesem Hintergrund setzte das Hauptzollamt EUSt i.H.v. fast 2,8 Mio. Euro fest. Auf Erlassanträge und Einsprüche hin wurde die Summe auf fast 1,8 Mio. Euro reduziert.

Tatsächlich entrichtete die Klägerin jedoch nur ca. 48.200 Euro, hinsichtlich des Restbetrages wurde Aussetzung der Vollziehung gewährt. Die Klägerin machte die EUSt i.H.v. fast 1,8 Mio. Euro im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung für Februar 2009 als Vorsteuer geltend. Dies lehnte das Finanzamt jedoch ab. Das FG Hamburg gab der Klage mit der Begründung statt, das Recht zum Vorsteuerabzug setze entgegen dem Wortlaut von § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG nicht voraus, dass die EUSt auch entrichtet worden sei, sondern vielmehr, dass sie festgesetzt wurde.

Entscheidung

Der BFH entschied, dass die Klägerin allein deshalb nicht zum Vorsteuerabzug aus der EUSt berechtigt ist, da diese im Streitjahr 2009 weder festgesetzt noch entrichtet wurde. Die EUSt wurde bereits mit dem Abgabebescheid im Jahr 2008 festgesetzt. Demnach kommt es auf die Frage eines Leistungsbezugs für das Unternehmen nicht mehr an.

Auch das Unionsrecht gewährt der Klägerin keinen Vorsteuerabzug. Art. 168 e MwStSystRL gestattet zwar einen Vorsteuerabzug für Mehrwertsteuer, sofern diese geschuldet wird oder entrichtet worden ist. Jedoch kommt ein Vorsteuerabzug für 2009 nicht in Betracht, da die Klägerin diese bereits 2008 schuldete.

Des Weiteren besteht auch kein Wahlrecht, den Vorsteuerabzug alternativ in einem späteren Besteuerungszeitraum geltend zu machen. Sowohl die nationalen als auch die unionsrechtlichen Vorschriften sehen eine solche Regelung nicht vor.

Demnach ergibt sich, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in dem Voranmeldungszeitraum auszuüben ist, in dem das Abzugsrecht entstanden ist und die Ausübungsvoraussetzungen vorliegen.

Praxishinweis

Der BFH ging in seinem Urteil nicht auf die Notwendigkeit des Innehabens der Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand im Zeitpunkt der Abfertigung zum freien Verkehr ein, so dass die Anschauung des FG Hamburg zum Abzug der EUSt als Vorsteuer, etwa durch Spediteure, noch offen bleibt. Es bleibt also weiter ungeklärt, ob das Innehaben der Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand im Zeitpunkt der Abfertigung zum freien Verkehr für den Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer notwendig bleibt oder nicht.