BGH - Einziehung in Millionenhöhe bei Sig Sauer nach Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz rechtmäßig

Im Jahr 2019 hatte das Landgericht Kiel drei Angeklagte, die in leitenden Positionen in Gesellschaften der SIG SAUER Unternehmensgruppe tätig waren, wegen ungenehmigten Ausfuhren nach dem Außenwirtschaftsgesetz in mehreren Fällen zu Freiheitsstrafen verurteilt. In diesem Zusammenhang ordnete das Landgericht Kiel nach den §§ 73, 73b Abs. 1 Nr. 1, 73c StGB die Einziehung von Wertersatz für den Erlös aus dem Verkauf der gelieferten Pistolen in Höhe von  11.103.040,74 EUR bzw. 7.440.532,20 EUR gegen Gesellschaften aus der SIG SAUER Unternehmensgruppe an.

Hintergrund des Urteils ist  die Vereinbarung der in den USA ansässigen Sig Sauer Inc. gegenüber einer Beschaffungsstelle des US-Militärs, 38.000 Pistolen zur Ausstattung der kolumbianischen Nationalpolizei unmittelbar nach Kolumbien zu liefern.

Die Waffen wurden im Werk der Sig Sauer Beteiligungs GmbH in Deutschland produziert und anschließend im Rahmen einer konzerninternen Vereinbarung zwischen April 2009 und April 2011 der Sig Sauer Inc. in den USA zugeliefert. Letztere exportierte die Pistolen größtenteils weiter nach Kolumbien.

Konkret beantragte die Sig Sauer Beteiligungs GmbH eine Ausfuhrgenehmigung für diese Lieferungen beim BAFA. Hierbei gab sie an, dass nicht beabsichtigt sei, die Pistolen ohne Einholung einer Genehmigung in andere Länder zu reexportieren. Die Ausfuhr der Pistolen wurde vom BAFA – dem Antrag der Sig Sauer Beteiligungs GmbH entsprechend – ausschließlich zum Vertrieb und Verbleib der Güter in den USA genehmigt. Tatsächlich war jedoch bereits vor Einholung der Genehmigungen geplant, die Waffen nach Kolumbien weiter zu liefern. Waffenexporte nach Kolumbien waren zu diesem Zeitpunkt nicht genehmigt, so dass in den Weiterlieferungen der Pistolen nach Kolumbien ungenehmigte Ausfuhren vorlagen.

Durch den Verkauf der Waffen an die Sig Sauer Inc. generierte die Sig Sauer Sauer Beteiligungs GmbH insgesamt 7.440.532,20 EUR, während der Umsatz der Waffengeschäfte zwischen der Sig Sauer Inc. und dem US-Militär 11.103.040,74 EUR betrug, welche jeweils Gegenstand der Einziehungsentscheidung nach den §§ 73, 73b Abs. 1 Nr. 1, 73c StGB waren. Weitere Einziehungsbeteiligte war die Sig Sauer GmbH & Co. KG.

Gegen diese Einziehungsentscheidung, nicht aber gegen die materiell-rechtlichen Feststellungen zu den Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz, wandten sich die genannten Sig Sauer-Gesellschaften als Einziehungsbeteiligte mit ihren Revisionen zum Bundesgerichtshof.

BGH bestätigt weitgehend die Einziehungsentscheidung des Landgerichts

In der durch die eingelegten Rechtsmittel veranlassten Überprüfung des Urteils hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hinsichtl. der beiden Einziehungsbeteiligten Sig Sauer Beteiligungs GmbH und Sig Sauer Inc. insoweit die getroffenen Einziehungsentscheidungen des Landgerichts Kiel bestätigt, da der Senat keinen durchgreifenden, sie belastenden Rechtsfehler erkennen konnte. Aus Sicht des Senats habe das Landgericht Kiel seine Feststellungen bezüglich dieser beiden Gesellschaften rechtsfehlerfrei getroffen und die Voraussetzungen der Einziehung im Ergebnis zu Recht bejaht. Insbes. habe es die Höhe der Einziehungsbeträge anhand der erzielten Veräußerungserlöse zutreffend bestimmt.

Die Revision der weiteren Einziehungsbeteiligten Sig Sauer GmbH & Co. KG hatte hingegen Erfolg. Der Senat hob die betreffende Einziehungsanordnung auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Kiel zurück. Im Rahmen eines Ausgliederungsvertrags waren der Sig Sauer GmbH & Co. KG Aktiva und Passiva der Sig Sauer Beteiligungs GmbH übertragen worden. Das Urteil habe hier keine Feststellungen dazu enthalten, welchen Wert dem ausgegliederten Vermögen zukam, und ob mit der Ausgliederung bezweckt werden sollte, den staatlichen Zugriff auf das Vermögen zu vereiteln oder die Tat zu verschleiern. Bezogen auf die Sig Sauer GmbH & Co. KG sei die getroffene Einziehungsentscheidung fehlerhaft. Die bisherigen, für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der BGH aufrechterhalten. Eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Kiel wird sich nun mit der Einziehungsentscheidung gegen die Sig Sauer GmbH & Co. KG befassen.   

Das Urteil des Landgerichts Kiel ist jetzt weitgehend rechtskräftig.

Bedeutung und Hintergrund der Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB

Der Vorsitzende Richter des 3. Strafsenates des Bundesgerichtshofs führte in der Entscheidungsbegründung an, welche Bedeutung der Maßnahme der Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB zukommt:

„Damit soll das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass sich derartige Geschäfte nicht lohnen, Aufwendungen hierfür nutzlos sind und es deshalb wirtschaftlich sinnvoller ist, wirksame Kontrollmechanismen zur Verhinderung solcher Straftaten einzurechnen.“

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt, dass in Fällen ungenehmigter Ausfuhren nicht nur den beteiligten natürlichen Personen strafrechtliche Konsequenzen drohen, sondern ebenso, dass in diesen Fällen im Strafprozess auch Unternehmen durch das Vehikel der Einziehung nach dem StGB potentiell Beträge in erheblicher Höhe entrichten müssen. Die Einziehung folgt nach dem sog. Bruttoprinzip. Dies bedeutet, dass grundsätzlich der aus einer Tat generierte Umsatz als „Wert des Erlangten“ zu betrachten ist. Zwar sind bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten die Aufwendungen des Täters, des Teilnehmers oder eines anderen abzuziehen. „Anderer“ im Sinne des § 73b StGB ist jemand, der weder Täter oder Teilnehmer einer Tat ist, aber entweder durch die Tat etwas erlangt hat wenn der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat, oder dem das Erlangte unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt.

Allerdings bleibt das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, außer Betracht. Obgleich die Einziehung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Maßnahme eigener Art und keine Strafe ist, verfolgt die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten primär einen Präventionszweck. Die dadurch angestrebte Folge, dass auch die Aufwendungen nutzlos waren, soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten beitragen.

Um dem finanziellen Risiko, welches Ausfuhrverstößen immanent ist, entgegenzuwirken, ist es für Unternehmen daher essentiell, wirksame Kontrollmechanismen in ihren außenwirtschaftsrechtlichen Prozessen zu implementieren.

Links

Sig Sauer muss Millionenbetrag zahlen

Mil­lionen-Ein­zie­hung bei Sig Sauer rech­tens

Urteil wegen Einziehung des durch die Ausfuhr von Waffen nach Kolumbien Erlangten weitgehend rechtskräftig

Pressemitteilung Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Juli 2021 – 3 StR 518/19

Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02

LG Kiel, Urteil vom 03.04.2019 - 3 KLs 3/18

Quellen

tagesschau.de

LTO.de

Bundesgerichtshof

openJur.de

 

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