Verlängerung der Nichtbeanstandung/Handlungsbedarf bei Garantiezusage als Versicherungsleistung aufgrund des BFH-Urteils v. 14.11.2018, XI R 16/17/neue Verwaltungsansicht

Anmerkung zu: BMF-Schr. v. 11.05.2021 und 18.06.2021

Praxisproblem

Die Finanzverwaltung hatte immer wieder die Frage zu beantworten, wie eine Garantiezusage in der Umsatzsteuer zu bewerten sei. Nun hat sie die Rechtsprechung aufgegriffen und die Verwaltungsanweisung geändert.

In dem Sachverhalt, der dem Urteil des FG Niedersachsen v. 23.02.2017, 11 K 134/16, EFG 2017 S. 875, zugrunde lag, ging es um einen Gebrauchtwagenhändler. Der Unternehmer bot beim Verkauf von Gebrauchtwagen gegen gesondertes Entgelt eine erweiterte Gebrauchtwagengarantie an, die bei einem Versicherer rückversichert war. Der Autokäufer hatte im Garantiefall, davon war das FG ausgegangen, ein Wahlrecht zwischen der Reparatur durch den Unternehmer (Reparaturanspruch) oder der Inanspruchnahme des von dem Unternehmer verschafften Versicherungsschutzes (Reparaturkostenersatzanspruch). Das FA behandelte die Garantiezusage der Stpfl. entsprechend der seinerzeitigen Regelung in Abschn. 4.8.12 Abs. 1 Satz 4 UStAE als einheitliche steuerpflichtige Leistung. Dagegen machte der Unternehmer unter Berufung auf das EuGH-Urteil v. 16.07.2015, C-584/13, Mapfre asistencia und Mapfre warranty, geltend, dass die Garantiezusage aus zwei Leistungen bestehe, von denen die Verschaffung von Versicherungsschutz nach § 4 Nr. 10 Buchst b UStG steuerfrei sei.

Das FG Niedersachsen hatte unter Bezugnahme auf das in Abschn. 4.8.12 Abs. 1 Satz 4 UStAE genannte BFH-Urteil v. 10.02.2010, XI R 49/07, ausgeführt, dass die Garantiezusage des Unternehmers aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers eine einheitliche sonstige Leistung eigener Art sei. Diese Leistung sei steuerpflichtig, da sie nicht durch die Verschaffung von Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen der Einstandspflicht des Unternehmers geprägt sei. An anderer Stelle im Urteil spricht das FG davon, dass die Garantiezusage eine unselbständige Nebenleistung zum Gebrauchtwagenkauf sei. Eine (anteilige) Steuerbefreiung der Garantiezusage ergebe sich auch nicht aus dem o. g. EuGH-Urteil C-584/13.

Sachverhalt

Mit seinem Urteil v. 14.11.2018, XI R 16/17, hatte der BFH das Urteil des FG aufgehoben. Die von dem Unternehmer beim Verkauf von Gebrauchtwagen gegen gesondert berechnetes Entgelt erbrachte Garantiezusage, die bei einem Versicherer rückversichert war, war dem BFH zufolge keine unselbständige Nebenleistung zur Kfz-Lieferung, sondern eine eigenständige Leistung. Davon war auch das FA ausgegangen. Im Übrigen widersprach nach der Auffassung des BFH die Sachverhaltswürdigung des FG dem Vertragswortlaut und war auch nicht durch die weiteren Begleitumstände gerechtfertigt. Der Inhalt der Garantieleistung des Unternehmers habe entgegen der Würdigung des FG ausschl. im Versprechen der Kostenübernahme (Geldleistung) durch den Unternehmer im Garantiefall bestanden.

Mit einer Garantiezusage, durch die der Kfz-Verkäufer als Garantiegeber im Garantiefall eine Geldleistung verspricht, liegt nach dem BFH-Urteil eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses i. S. d. VersStG vor, die nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerfrei sei. Darüber hinaus hat der BFH in seiner Entscheidung unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH sowie Kommentierungen zu § 4 Nr. 10 UStG festgestellt, dass die Leistung, zu deren Erbringung der Versicherer im Versicherungsfall verpflichtet ist, nicht zwingend in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen muss, sondern auch in Beistandsleistungen entweder durch Geldzahlung oder Sachleistungen bestehen kann. Dementsprechend kann auch in einer Garantiezusage, durch die sich der Kfz-Verkäufer als Garantiegeber im Garantiefall zur Reparatur verpflichtet, eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses i. S. d. VersStG liegen.

Entscheidung

Das BMF-Schreiben v. 11.05.2021 greift das BFH-Urteil sowohl aus Sicht des VersStG als auch des UStG auf.

Nunmehr gilt umsatzsteuerrechtlich:

  • Die Verschaffung von Versicherungsschutz oder die entgeltliche Garantiezusage durch einen Kraftfahrzeughändler im Zusammenhang mit einer Fahrzeuglieferung ist keine unselbständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung;
  • die bisherige Aussage in Abschn. 4.8.12 Abs. 1 Satz 4 UStAE („Die Garantiezusage eines Autoverkäufers, durch die der Käufer gegen Entgelt nach seiner Wahl einen Reparaturanspruch gegenüber dem Verkäufer oder einen Reparaturkostenersatzanspruch gegenüber einem Versicherer erhält, ist steuerpflichtig“) gilt nicht mehr;
  • die entgeltliche Garantiezusage eines Kraftfahrzeughändlers, mit der dieser als Garantiegeber im Garantiefall eine Geldleistung verspricht, ist eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses i. S. d. VersStG, die nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerfrei ist; gleiches gilt für das Versprechen einer Reparaturleistung durch den Garantiegeber;
  • nach wie vor gilt (vgl. Abschn. 4.10.1 Abs. 4 Satz 1 UStAE): Die Dienstleistung eines von einem Kraftfahrzeughändler unabhängigen Wirtschaftsteilnehmers, die darin besteht, gegen Zahlung eines Pauschalbetrags mechanische Ausfälle bestimmter Teile eines Gebrauchtfahrzeugs zu versichern, stellt einen nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerfreien Versicherungsumsatz dar.

Versicherungssteuerrechtlich und daraus folgend umsatzsteuerrechtlich gilt u. a.:

Mit einer vertraglichen entgeltlichen Garantiezusage eines Verkäufers, im Falle eines Schadens an der Kaufsache in der Weise für den Schaden einzustehen, dass der Käufer einen Anspruch auf Reparatur oder Reparaturkostenersatz gegen den Verkäufer erhält, wird zwischen Verkäufer und Käufer ein Versicherungsverhältnis i. S. d. VersStG begründet. Das für die Garantiezusage an den Verkäufer/Garantiegeber gezahlte Entgelt ist Versicherungsentgelt i. S. d. § 3 VersStG. Dies gilt nicht, wenn die Garantiezusage nur in Verbindung mit dem Abschluss eines Vollwartungsvertrages für den Kaufgegenstand erteilt wird. In diesem Fall liegt keine Versicherungs-, sondern eine grds. umsatzsteuerpflichtige Leistung eigener Art vor.

Die Leistungen aus entgeltlichen Garantiezusagen des Verkäufers (Versicherers) sind umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 10 Buchst. a UStG). Diese Leistungen umfassen die Gewährung des Versicherungsschutzes wie auch die Leistung des Verkäufers (Versicherers) an den Käufer im Schadensfall. Dies gilt sowohl für eine Geldzahlung als auch für eine Sachleistung im Schadensfall.

Sichert sich der Verkäufer/Garantiegeber als Versicherer seinerseits bei einem anderen Versicherer gegen den Eintritt von Garantiefällen ab, wird hierdurch grds. ein Rückversicherungsverhältnis i. S. d. § 4 Nr. 1 VersStG begründet. Erteilt der Verkäufer/Garantiegeber die Garantiezusage nur in Verbindung mit dem Abschluss eines Vollwartungsvertrages für den Kaufgegenstand, besteht kein (Erst-)Versicherungsverhältnis zwischen Verkäufer/Garantiegeber und Käufer/Garantienehmer mit der Folge, dass zwischen Verkäufer/Garantiegeber und dem Versicherer kein steuerbefreites Rückversicherungsverhältnis i. S. d. § 4 Nr. 1 VersStG, sondern ein Erstversicherungsverhältnis besteht.

Praxishinweis

Nach dem ergänzenden BMF-Schreiben v. 18.06.2021 wurde die Übergangsregelung (Nichtbeanstandung) des BMF-Schreibens v. 11.05.2021 verlängert. Nunmehr gilt, dass die neuen Verwaltungsgrundsätze anzuwenden sind auf Garantiezusagen, die nach dem 31.12.2021 abgegeben wurden. Für vor dem 01.01.2022 abgegebene Garantiezusagen wird es nicht beanstandet, wenn die neuen Grundsätze des Schreibens bereits angewendet wurden.

Außerdem wurde mit dem ergänzenden BMF-Schreiben v. 18.06.2021 klargestellt, dass die neuen Grundsätze nicht auf die Kfz-Branche beschränkt sind, sondern in allen vergleichbaren Fällen gelten. So können z. B. auch Hersteller/Verkäufer höherwertiger Elektronikgeräte wie z. B. Fernsehgeräte usw. betroffen sein. Die Neuregelungen dürften auch gelten, wenn entgeltliche Garantiezusagen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts erfolgen, sondern später, z. B. bei entgeltlichen Garantieverlängerungen.

Ausgenommen sind sog. Vollwartungsverträge.

Unklar bleibt, was die Ausführungen der Verwaltung zum Versicherungssteuerrecht für die betroffenen Unternehmen versicherungsaufsichtsrechtlich bedeuten.

Der BFH hat nunmehr verschiedene Arten von Garantiezusagen:

  • Reparaturleistung durch den Verkäufer und wahlweise Kostenersatzanspruch gegenüber einem Versicherer bei Reparatur durch einen Dritten (BFH v. 10.02.2010, XI R 49/07) und
  • Versprechen einer Geldleistung bei Reparaturbedürftigkeit (BFH v. 14.11.208, XI R 16/17)

unterschiedlich bewertet. Die Einschätzung des BFH aus dem Jahr 2010 scheint durch das Urteil v. 14.11.2018 überholt.

In seinem Urteil vom 14.11.2018 erkennt der BFH, dass Versicherungsleistungen nicht zwingend in Geldleistungen bestehen müssen, sondern auch in Naturalleistungen bestehen können. Dementsprechend kann auch in der (alleinigen) Verpflichtung zur Reparatur eine Versicherungsleistung gesehen werden.

Dass mit der Garantiezusage ein eigener Zweck verfolgt wird, der neben dem Erwerb eines Gegenstands (im Urteil: Kfz) besteht, ergibt sich aus der eigenständigen Vereinbarung (Garantievereinbarung) sowie aus der gesonderten Vergütung.

Eine solche Garantiezusage ist auch nicht mit dem gesetzlichen Gewährleistungsrecht zu verwechseln, aus dem ebenfalls ein Reparaturanspruch des Käufers resultieren kann. Zum einen setzt der gesetzliche Anspruch einen Mangel am Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer voraus, zum anderen ist für den gesetzlichen Anspruch kein gesondertes Entgelt zu entrichten. Dementsprechend sind gesetzliche Ansprüche von solchen zu unterscheiden, die auf einer entgeltlichen Garantievereinbarung beruhen.

Es gilt nun, die Zeit zu nutzen und die „Garantien“ auf den Prüfstand zu stellen. Das Team der AWB hilft Ihnen gern bei der Neubewertung. Sprechen Sie uns einfach an. 

Links

BMF-Schr. v. 11.05.2021

BMF-Schr. v. 18.06.2021

Quelle

Bundesministerium der Finanzen

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