Verfassungsbeschwerde eines gelisteten Oligarchen - BVerfG, Beschluss v. 14.11.2023, 1 BvR 1498/23

In jüngster Zeit wird das Mittel personenbezogener Sanktionen verstärkt genutzt. Eine Vielzahl von natürlichen und juristischen Personen, sowie Organisationen und Einrichtungen sind seit der Ausweitung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 in den Anhang I der VO (EU) Nr. 269/2014 mit der Folge aufgenommen worden, dass nach Art. 2 derselben sämtliche Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum oder Besitz, der in Anhang I gelisteten Personen, Organisationen und Einrichtungen (gelistete Personen) stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, eingefrorenwerden


Nach dem § 23a Außenwirtschaftsgesetz a.F. – der zwischenzeitlich durch das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II aufgehoben und in den § 10 Sanktionsdurchsetzungsgesetz (SanktDG) überführt wurde – bestand zu diesem Zeitpunkt eine Pflicht für gelistete Personen, etwaige Gelder und wirtschaftliche Ressourcen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) unverzüglich anzuzeigen.  Im Zusammenhang mit der Zunahme der Listung von Personen, Organisationen und Einrichtungen in sog. Sanktionslisten, mit der Folge von Einfriergeboten und Bereitstellungsverboten gegenüber diesen gelisteten Personen, ist zunehmend zu beobachten, dass diese gelisteten Personen die Listung selbst oder Maßnahmen im Zusammenhang mit der Sanktionsdurchsetzung gerichtlich überprüfen lassen und gegen diese vorgehen. So hatte sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Rahmen einer Individualverfassungsbeschwerde zuletzt mit dem folgenden Sachverhalt zu beschäftigen:


Sachverhalt 
Der Beschwerdeführer ist usbekischer und russischer Staatsagehöriger und war in der Vergangenheit in erheblichem Umfang in Russland geschäftlich tätig. In Reaktion auf die russische Invasion der Ukraine setzte der Rat der Europäischen Union den Beschwerdeführer durch Beschluss (GASP) vom 28. Februar 2022 (Abl. L 58) auf die Sanktionsliste der EU gegen Einzelpersonen. Am 26. September 2022 ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung einer Motoryacht an, die dem Beschwerdeführer nach Auffassung der Staatsanwaltschaft wirtschaftlich zuzurechnen sei und daher einem Einfriergebot unterliege. Es bestand der Verdacht, dass der Beschwerdeführer seine Pflicht zur Anzeige von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen nach § 23a AWG nicht nachgekommen sei, was zum fraglichen Zeitpunkt nach § 18 Abs. 5b AWG eine Straftat darstellte. 


Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) verletzt und erhob Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG. Der Verdacht einer Straftat gegen ihn habe nicht bestanden, denn die dem Vorwurf zugrundliegenden Vorschriften seien verfassungswidrig. 


Entscheidung durch das BVerfG  
Das BVerfG wies die Verfassungsbeschwerde als offensichtlich unzulässig zurück und entschied in der Sache nicht über die Verfassungswidrigkeit der zugrundliegenden Vorschriften: Soweit er sich gegen die nach Durchführung der Durchsuchung erfolgte Medienberichterstattung wendet und eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts rügt, fehle es bereits an der formellen Erschöpfung des Rechtswegs. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Durchsuchungsanordnung wendet und eine Verletzung des Art. 13 Abs. 1 GG rügt, genüge seine Verfassungsbeschwerde weder den gesetzlichen Darlegungsanforderung hinsichtlich einer qualifizierten Betroffenheit des Beschwerdeführers noch den Anforderungen der materiellen Subsidiarität. 


Ausblick
Die Nutzung des Mittels personenbezogener Beschränkungen in Form von Einfriergeboten und Bereitstellungsverboten für Gelder und wirtschaftliche Ressourcen gegenüber gelisteten Personen, Organisationen und Einrichtungen und die zunehmend zu beobachtende Überprüfung dieser Listungen und Maßnahmen in diesem Zusammenhang auch durch Gerichte rücken auch Herausforderungen für Wirtschaftsbeteiligte bezüglich der Adressierung dieser personenbezogenen Beschränkungen und zugehörigen Pflichten in den Fokus. Um eine angemessene Sanktions-Compliance sowie eine Beachtung diesbezüglich ggf. etwaig relevanter gesetzlicher Pflichten – wie etwa Meldepflichten nach dem SanktDG gegenüber der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung – bleibt die Durchführung regelmäßiger Sanktionslistenprüfung mittels Nutzung entsprechender Tools für Wirtschaftsbeteiligte unentbehrlich.


Quellen 

Urteil 

Bundesverfassungsgericht - Presse 

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