BFH zum Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Gebäuden

Anmerkung zu: BFH, Beschl. v. 05.06.2014, XI R 31/09; EuGH-Vorlage zu Fragen der Bestimmung der abziehbaren Vorsteuerbeträge aus Eingangsleistungen für ein gemischt genutztes Gebäude, der Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Falle eines von einem Mitgliedstaat nachträglich vorgeschriebenen vorrangigen Aufteilungsschlüssels sowie zu den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

Praxisproblem

Wird ein Gebäude durch einen Unternehmer angeschafft oder hergestellt und soll dieses Gebäude sowohl für vorsteuerunschädliche als auch für vorsteuerschädliche Ausgangsumsätze verwendet werden, sind die gesamten auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes entfallenden Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Für die Zurechnung dieser Vorsteuerbeträge ist die „prozentuale“ Aufteilung der Verwendung des gesamten Gebäudes zu vorsteuerunschädlichen bzw. vorsteuerschädlichen Umsätzen maßgebend. Daraus folgt regelmäßig eine Ermittlung der nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG im Wege einer sachgerechten Schätzung. Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab kommt bei Gebäuden nach der Verwaltungsauffassung i.d.R. die Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen in Betracht. Der Unternehmer kann eine flächenbezogene Vorsteueraufteilung nur beanspruchen, wenn diese sachgerecht ist (vgl. Abschn. 15.17 Abs. 7 UStAE; BFH, Urt. v. 07.07.2011, V R 36/10, BStBl. II 2012, 77, und v. 05.09. 02013, XI R 4/10, BStBl. II 2014, 95).

Mit Beschluss vom 05.06.2014, XI R 31/09 hat der BFH dem EuGH erneut Fragen zur Vorsteueraufteilung nach Art. 17 MwStSystRL bzw. § 15 Abs. 4 UStG bei gemischt genutzten Gebäuden vorgelegt (Az. beim EuGH: C-332/14). Streitig ist u.a., ob Vorsteuerbeträge, die für die Anschaffung oder Herstellung des Objekts angefallen sind, zunächst den Verwendungsumsätzen direkt zugeordnet werden müssen und lediglich die verbleibenden, nicht direkt zuordenbaren Vorsteuerbeträge nach einem Flächen- oder Umsatzschlüssel aufgeteilt werden müssen.

Sachverhalt

In der Sache geht es zum einen um die Höhe des Vorsteuerabzugs im Jahr 2004 aus Baukosten sowie aus laufenden Kosten für ein Wohn- und Geschäftshaus, mit dem die Klägerin sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Vermietungsumsätze ausführte.

Da in diesen Fällen der Vorsteuerabzug nur zulässig ist, soweit die von einem Unternehmer bezogenen Eingangsleistungen (hier: Baumaterial, Handwerkerleistungen etc.) für steuerpflichtige Ausgangsumsätze (hier: Vermietungsumsätze) verwendet werden, müssen die insgesamt angefallenen Vorsteuern nach § 15 Abs. 4 UStG aufgeteilt werden. Seit der Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG mit Wirkung zum 01.01.2004 ist dabei eine Aufteilung nach dem Verhältnis der (voraussichtlichen) steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen (sog. „Umsatzschlüssel“) nur noch nachrangig zulässig.

Die Klägerin ermittelte die abziehbaren Vorsteuern für das Streitjahr 2004 – wie in den Vorjahren – nach dem Umsatzschlüssel. Das FA legte dagegen der Vorsteueraufteilung den (für die Klägerin ungünstigeren) Flächenschlüssel zugrunde.

Mit dem Vorlageersuchen soll geklärt werden, ob bei gemischt genutzten Gebäuden die Vorsteuern auf Eingangsleistungen, die die Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes betreffen, zunächst den Ausgangsumsätzen zugeordnet werden müssen und lediglich die danach verbleibenden Vorsteuern nach einem (weniger präzisen) Flächen- oder Umsatzschlüssel aufzuteilen sind. Weiter ist zu klären, ob dies entsprechend für Vorsteuern auf laufende Kosten gilt. Dies war in dem zu § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ergangenen EuGH-Urteil vom 08.11.2012, C-511/10, BLC Baumarkt offen geblieben.

Ferner verlangte das FA im Wege der Vorsteuerberichtigung einen Teil der in den vergangenen Jahren (seit Beginn der Baumaßnahme 1999) anerkannten Vorsteuerbeträge von der Klägerin zurück, weil auch insoweit nunmehr der Flächenschlüssel gelte. Der BFH hat in mehrfacher Hinsicht Zweifel, ob dies mit dem Unionsrecht vereinbar ist:

Praxishinweis

In seinem Urteil vom 08.11.2012, C-511/10, BLC Baumarkt stellte der EuGH fest, dass Vorsteuerbeträge, die für die Anschaffung oder Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes angefallen sind, nach dem Flächenverhältnis aufgeteilt werden dürfen, wenn dies die wirtschaftlich zutreffendere, also präzisere Aufteilungsmethode darstellt.

Im Vorlagebeschluss des BFH wird daher auch die Frage gestellt, ob sich die Aufteilung sämtlicher Vorsteuerbeträge nach einem einheitlichen Schlüssel auch auf Eingangsleistungen aus laufenden Kosten (Erhaltungsaufwendungen) bezieht. Des Weiteren geht es um die Frage, ob die Einführung des neuen § 15 Abs. 4 UStG (Art. 5 Nr. 19 Buchst. d, Art. 25 Abs. 4 StÄndG 2003 v. 15.12.2003, BGBl. I 2003, 2645) zum 01.01.2004 eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG auslöst. Aufgrund der Rechtsänderung erfolgt grundsätzlich eine Vorsteueraufteilung nach dem Flächenschlüssel und nicht mehr wie bisher auch nach dem Umsatzschlüssel.

Bereits mit Urteil vom 22.08.2013, V R 19/09 (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil C-511/10, BLC Baumarkt) hatte der BFH entschieden, dass Vorsteuerbeträge für Eingangsleistungen, die für berichtigungsfähige Objekte i.S.d. § 15a UStG verwendet werden, nach dem Flächenschlüssel aufzuteilen sind. Soweit der BFH mit Urteil vom 22.08.2013, V R 19/09 hinsichtlich der Aufteilung von Vorsteuern nach § 15 Absatz 4 UStG, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten betreffen, entschieden hatte, dass nur Eingangsleistungen für berichtigungsfähige Objekte i.S.d. § 15a UStG nach dieser Vorschrift aufzuteilen sind, hat er dies in seinem Urteil vom 07.05.2014, V R 1/10 (s.u.), bereits widerrufen. Das BFH-Urteil vom 22.08.2013, V R 19/09 ist zwar noch nicht im BStBl. Teil II veröffentlicht worden, wird von der Verwaltung also noch nicht angewendet; das Urteil dürfte sich aber mit der Verwaltungsauffassung decken. Hinsichtlich der Entscheidung, dass der Wechsel der Vorsteueraufteilungsmethode nach dem objektbezogenen Umsatzschlüssel für vor dem 01.01.2004 bezogene Leistungen hin zum Flächenschlüssel für nach dem 31.12.2003 bezogene Leistungen auf Grund der Gesetzesänderung des § 15 Abs. 4 UStG (Steueränderungsgesetz 2003 v. 15.12.2003, BGBl. I 2003, 2645) eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG auslöst, bestätigt der BFH die im BMF-Schreiben vom 19.11.2002, BStBl. I 2002, 1368 dargelegte Verwaltungsauffassung.

Auch mit Urteil vom 07.04.2014, V R 1/10 hat der BFH eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Flächenschlüssel bejaht. Auch dieses Urteil ist noch nicht im BStBl. Teil II veröffentlicht worden. Der BFH hat klargestellt, dass Vorsteuerbeträge, die für die Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes anfallen, einheitlich und im Gesamten aufgeteilt werden müssen. Des Weiteren soll die Vorsteueraufteilung stets das Ergebnis einer präzisen wirtschaftlichen Zuordnung sein. Der BFH führt aus, dass i.d.R. der objektbezogene Flächenschlüssel eine präzisere Bestimmung des Aufteilungsschlüssels ermöglicht. Daher kann im Einzelfall die grundsätzliche Aufteilung nach dem Flächenschlüssel nicht zweckmäßig sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Ausstattungsmerkmale der Räumlichkeiten, die den verschiedenen Zwecken dienen, erheblich z.B. wegen der Höhe der Räume, der Dicke der Wände und Decken oder in Bezug auf die Innenausstattung, voneinander abweichen. Wird dadurch eine präzisere wirtschaftliche Zuordnung erreicht, ist die Vorsteuer nach dem Umsatzschlüssel aufzuteilen. Hierbei gibt der BFH für Ausnahmefälle sein bisheriges gegenstandsbezogenes Verständnis des Umsatzschlüssels auf und sieht eine Vorsteueraufteilung nach den Gesamtumsätzen des Unternehmens vor. Wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang des hergestellten oder angeschafften Objekts zu Ausgangsumsätzen besteht, z.B. bei Vermietung des Objekts, ermöglicht der auf das Objekt bezogene Umsatzschlüssel die präziseste Aufteilungsmethode. Wird das Gebäude für Umsätze des gesamten Unternehmens verwendet, wie dies bspw. bei einem Verwaltungsgebäude der Fall ist, ist eine Aufteilung nach dem gesamtunternehmerischen Umsatzschlüssel präziser. Im Ergebnis erkennt der BFH die Aufteilung nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel als Grundform an. Die Verwaltungsauffassung wäre danach in Bezug auf das Verständnis der wirtschaftlichen Zuordnung und der Art des Umsatzschlüssels noch nicht vollständig präzisiert.

Im Urteil vom 03.07.2014, V R 2/10 spricht sich der BFH ebenfalls dafür aus, die Vorsteueraufteilung im Regelfall nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel vorzunehmen. Der Umsatzschlüssel soll demnach nur verwendet werden, wenn erhebliche Unterschiede in den Ausstattungsmerkmalen der verschiedenen Nutzungseinheiten vorliegen. Weitere Aussagen zur Anwendung des objektbezogenen oder gesamtunternehmerischen Umsatzschlüssels lassen sich diesem Urteil nicht entnehmen. Es handelt sich um eine Fortführung der Rechtsprechung zum Urteil V R 1/10. Auch dieses Urteil ist noch nicht im BStBl. Teil II veröffentlicht worden.

Mit dem neuen Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 05.06.2014, XI R 31/09 ist die Problematik der Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden wieder virulent geworden. Vorläufig gilt die bestehende Verwaltungsauffassung in Abschn. 15.17 UStAE weiter, die sich prinzipiell mit den BFH-Entscheidungen vor Ergehen des Vorabentscheidungsersuchens vom 05.06.2014, XI R 31/09 deckt.