FG Niedersachsen zur Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung

Anmerkung zu: FG Niedersachsen, Vorlagebeschluss v. 03.07.2014, 5 K 40/14, Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung

Praxisproblem

Ein Unternehmer kann den Vorsteuerabzug aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nur dann geltend machen, wenn er im Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung ist. Liegt eine solche nicht vor, so kann der Unternehmer die Vorsteuerbeträge nicht abziehen. Wurde die Vorsteuer jedoch in Abzug gebracht, obwohl die Rechnung nicht ordnungsgemäß erstellt war, muss die zu Unrecht gezogene Vorsteuer gem. § 233a AO verzinst werden.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt einen Großhandel mit Textilien. Im Zeitraum Februar bis Mai 2013 fand bei ihr eine Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2011 statt. Im Rahmen dieser Prüfung wurde festgestellt, dass der Klägerin ein Vorsteuerabzug aus erteilten Gutschriften an ihre Handelsvertreter nicht möglich sei. Ursache sei, dass diese keine ordnungsgemäßen Rechnungen i.S.d. § 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 4 UStG darstellten. Sowohl in den Provisionsabrechnungen als auch in den Anlagen zu den Rechnungen sei die Steuernummer oder die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des jeweiligen Handelsvertreters nicht enthalten. Für die Streitjahre 2009 bis 2011 berichtigte die Klägerin die Provisionsabrechnungen (Gutschriften), indem sie die fehlenden Angaben ergänzte. Zugleich wurden auch Rechnungen eines Werbegestalters geändert, aus welchen der Vorsteuerabzug ebenso nicht möglich war. Diese Änderungen wurden noch während der Außenprüfung vorgenommen.

Mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht in den Streitjahren, sondern erst im Zeitpunkt der durchgeführten Rechnungsberichtigung (2013) vorlägen, kürzte das Finanzamt die Vorsteuern entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2011. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und berichtigte innerhalb des Einspruchsverfahrens die Provisionsabrechnungen sowie Rechnungen des Werbegestalters für das Jahr 2008. Mit Einspruchsbescheid blieb das Finanzamt bei der Auffassung, dass der Anspruch auf Vorsteuerabzug erst mit der Berichtigung entstehe. Hiergegen wurde Klage mit der Begründung erhoben, dass den erfolgten Rechnungsberichtigungen bereits Wirkung für die Streitjahre 2008 bis 2011 zukomme. Grund dafür sei, dass diese vor der letzten Verwaltungsentscheidung, dem Einspruchsbescheid, durchgeführt worden seien. Das FG setzte das Verfahren aus, um dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob – und ggf. unter welchen Bedingungen – einer Rechnungsberichtigung Rückwirkung zukommt.

Entscheidung

Würden die nationalen Rechtsgrundsätze angewendet, so wäre der Vorsteuerabzug aus den korrigierten Rechnungen erst dann vorzunehmen, wenn sämtliche Rechnungsvoraussetzungen vorliegen. Der vorlegende Senat hat jedoch Zweifel, ob die nationale Regelung, wonach eine rückwirkende Rechnungsberichtigung grundsätzlich ausgeschlossen ist, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Da die MwStSystRL keine Regelungen zur Berichtigung von Rechnungen enthält, möchte das Gericht mit seiner ersten Vorlagefrage um Klarstellung bitten, ob die vom EuGH in der Rechtssache „Terra Baubedarf-Handel“ (EuGH, Urt. v. 29.04.2004, C-152/02) getroffene Feststellung, dass erst im Zeitpunkt der Erstellung einer ordnungsgemäßen Rechnung der Vorsteuerabzug vorzunehmen ist (ex nunc), auch für den Fall gelten soll, in welchem eine Ergänzung einer unvollständigen Rechnung vorgenommen wird, oder ob in einem solchen Fall eine Rückwirkung zulässig ist (EuGH, Urt. v. 15.07.2010, C-368/0, Pannon Gép und v. 08.05.2013, C-271/12, Petroma Transport).

Bejaht der EuGH eine rückwirkende Rechnungsberichtigung, stellt das Gericht als weitere Vorlagefrage, welche Mindestanforderungen an eine rückwirkungsfähige Rechnung zu stellen sind. Hierbei ist auch zu klären, ob die (erste) Rechnung bereits eine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers enthalten muss oder ob diese später berichtigt werden kann. Das FG Niedersachsen hatte bereits mit einem Beschluss v. 30.09.13, 5 V 217/13 ernstliche Zweifel an der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung geäußert, wonach eine Rechnungsberichtigung keine Rückwirkung entfalten könne.

Bezüglich der Rechtzeitigkeit einer möglichen Rechnungsberichtigung stellt sich zuletzt die Frage, ob diese vorliegt, wenn diese erst im Rahmen eines Einspruchsverfahrens erfolgt und dieses Verfahren sich gegen den Änderungsbescheid und somit eine abschließende Entscheidung richtet.

Praxishinweis

Wurde der Vorsteuerabzug geltend gemacht, obwohl die Rechnung nicht ordnungsgemäß war, ist die Frage nach der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung von Bedeutung, insbesondere, da die zu Unrecht gezogene Vorsteuer gem. § 233a AO verzinst werden müsste. Eine Nachverzinsung würde nur entfallen, wenn eine rückwirkende Berichtigung zulässig wäre. Das Urteil des EuGH bleibt abzuwarten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die deutsche Verwaltung der Auffassung ist, dass eine rückwirkende Rechnungsberichtigung grundsätzlich ausgeschlossen ist.