BFH zur Ausweitung eines Antidumpingzolls auf die Einfuhren gleichartiger Waren aus einem anderen Drittland

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 18.08.2015, VII R 41/13; die Ausweitung des Antidumpingzolls stellt keine unverhältnismäßige Maßnahme dar und verletzt keine Grundrechte des Importeurs

Praxisproblem

Nach Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China durch die Verordnung (EG) Nr. 91/2009 sind Einfuhren betroffener Waren aus China erheblich zurückgegangen, während die Einfuhren solcher Waren aus Malaysia um das Zehnfache gestiegen sind. Nach einer Untersuchung durch die Europäische Kommission wurde mit DVO (EU) Nr. 723/2011 ein endgültiger Antidumpingzoll auf Einfuhren der betroffenen Ware mit Versand aus Malaysia eingeführt. Dabei ist es unerheblich, ob diese als Ursprungserzeugnisse Malaysias angemeldet werden oder nicht. Im BFH-Verfahren VII R 41/13 war streitig, ob die Ausweitung des Antidumpingzolls auf die Einfuhren gleichartiger Waren aus einem anderen Drittland unter das Diskriminierungsverbot fällt, eine unverhältnismäßige Maßnahme darstellt und ob die Grundrechte des Importeurs gemäß der EU-Grundrechtecharta auf Unternehmensfreiheit oder Freiheit der Berufsausübung verletzt sind.

Sachverhalt

Im Ausgangsverfahren hat das Hauptzollamt im August 2011 Antidumpingzoll in Höhe von 30.094,85 € für einen Einfuhrvorgang aus Januar 2011 nacherhoben. Zum damaligen Zeitpunkt wurden Spanplattenschrauben als gewindeformende Schrauben, die nicht aus rostfreiem Stahl, sondern aus Blech bestehen, unter dem TARIC-Code 7318149191 in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt. Die Ware wurde aus Malaysia versandt und als nicht-präferenzielles Ursprungsland wurde ebenso Malaysia angegeben.

Einfuhren derartiger Waren aus Malaysia, ob als Ursprungserzeugnis Malaysias angemeldet oder nicht, wurden seit dem 29.10.2010 zollamtlich erfasst (s. Art. 2 VO (EU) Nr. 966/2010) und mit Wirkung zum 27.07.2011 einem endgültigen Antidumpingzoll unterworfen (s. Art. 1 Abs. 1 DVO (EU) Nr. 723/2011). Für die Einfuhren, die bis zu diesem Zeitpunkt zollamtlich erfasst worden sind, wurde der Antidumpingzoll rückwirkend erhoben (s. Art. 1 Abs. 3 DVO (EU) Nr. 723/2011). Diese DVO stellt eine sog. Ausweitungsverordnung dar, da der ursprünglich mit VO (EG) Nr. 91/2009 eingeführte Antidumpingzoll auf Einfuhren von o.g. Ware mit Ursprung in der Volksrepublik China ausgeweitet wurde.

Das FG Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 10.07.2013, 4 K 2435/12 Z klargestellt, dass es nach dem Wortlaut der Umgehungsverordnung nicht darauf ankommt, ob die eingeführten Waren tatsächlich in Malaysia hergestellt worden sind oder ein Dumping stattgefunden hat.

Weder der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch Gemeinschaftsgrundrechte sind, wie vom Kläger vorgetragen, verletzt worden, da den Herstellern der betroffenen Waren die Möglichkeit gegeben wurde, bei der Europäischen Kommission einen Antrag auf Befreiung vom ausgeweiteten Antidumpingzoll zu stellen.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Nach seiner Entscheidung stellt die Ausweitung des Antidumpingzolls (s.o.) keine unverhältnismäßige Maßnahme dar und verletzt weder Grundrechte des Importeurs gemäß der EU-Grundrechtecharta auf Unternehmensfreiheit oder Freiheit der Berufsausübung noch das Diskriminierungsverbot.

Die Ansicht der Revision, der Ermessensrahmen des Verordnungsgebers sei insoweit beschränkt, als der Antidumpingzoll nur auf Einfuhren bisher betroffener Ursprungswaren ausgeweitet werden dürfe, die über andere Drittländer in die Union ausgeführt werden, nicht aber auf Ursprungswaren dieser anderen Drittländer, teilt der BFH nicht. Es wird hervorgehoben, dass auch die Ausweitung des Antidumpingzolls auf Einfuhren gleichartiger Waren mit Herkunft aus einem anderen Drittland möglich ist (s. Art. 13 Abs. 1 S. 1 VO (EG) Nr. 1225/2009, sog. Antidumping-Grundverordnung).

Das Ziel von Antidumpingzöllen ist die Erhöhung der Einfuhrpreise für gedumpte Waren auf ihren sog. Normalwert, um Schädigungen eines Wirtschaftszweigs der Union durch eingeführte Dumpingwaren zu vermeiden. Eingriffe in die Berufs- bzw. Unternehmensfreiheit in der Union ansässiger Importeure sind weder das Ziel noch die unvermeidbare Folge von Antidumpingzöllen. Weder das Recht auf Berufsfreiheit noch das Recht auf unternehmerische Freiheit schützen davor, auf gesetzlicher Grundlage erhobene Abgaben entrichten zu müssen, es sei denn, diese haben eine sog. erdrosselnde Wirkung, wovon im Fall eines die Einfuhrpreise auf einen Normalwert anhebenden Antidumpingzolls jedoch keine Rede sein kann.

Weiterhin führt der BFH aus, dass die Ausweitung des Antidumpingzolls auf alle aus Malaysia versandten Einfuhren von Verbindungselementen aus Eisen oder Stahl ohne Rücksicht auf ihren Ursprung nicht unverhältnismäßig i.S.d. Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Grundrechtecharta sei, da es den malaysischen Ausführern überlassen wurde, Anträge auf Befreiung zu stellen und dabei nachzuweisen, nicht an Umgehungspraktiken beteiligt zu sein.

Der BFH stellt darüber hinaus klar, dass der von der Revision vorgetragene Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze sowie den Grundsatz von Treu und Glauben, in Anlehnung an die eines Streitbeteiligungsgremiums der WTO festgestellten Unvereinbarkeit des Art. 9 Abs. 5 Antidumping-Grundverordnung mit dem WTO-Übereinkommen und dem WTO-Antidumpingübereinkommen, hier nicht greift. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gehören die Übereinkünfte der WTO wegen ihrer Natur und ihrer Systematik grundsätzlich nicht zu den Normen, an denen die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Unionsorgane zu messen ist.

Praxishinweis

Der BFH hat bestätigt, dass ein ausgeweiteter Antidumpingzoll auf die Einfuhren gleichartiger Waren aus einem anderen Drittland keine Rechte des Importeurs verletzt und der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid somit rechtmäßig ergangen ist. Es ist unerheblich, ob die Ware ein Ursprungserzeugnis des anderen Drittlands ist, welches von der Ausweitungsverordnung erfasst ist, denn nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Antidumping-Grundverordnung können Antidumpingzölle u.a. auf die Einfuhren gleichartiger Ware aus Drittländern ausgeweitet werden, wenn eine Umgehung der geltenden Maßnahmen stattfindet. Bei Ausweitungsverordnungen dieser Art wird lediglich auf den Versand der Ware abgestellt, was sich auch dadurch dokumentieren lässt, dass als Folge auf den Beginn der Antidumpingmaßnahme durch die zollamtliche Erfassung mit der Codenummer 7318149191 eine eigene Codenummer für den Versand aus Malaysia in den TARIC integriert worden ist.

Unternehmen sollten sich darüber informieren, für welche Waren aus welchen Ländern bei der Einfuhr Antidumpingzölle anfallen. Auch die Entwicklung der Antidumpingmaßnahmen mit einer möglichen Ausweitung auf andere Länder sollte im Auge behalten werden. Dabei spielt der Zeitpunkt des Beginns der zollamtlichen Erfassung von Einfuhren aus einem bestimmten Land eine entscheidende Rolle. Resultiert aus den Ermittlungen der EU-Kommission beispielswiese ein endgültiger Antidumpingzoll, so können Antidumpingzölle rückwirkend erhoben werden, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, an dem die zollamtliche Erfassung begonnen hat. Bei Ausweitungsverordnungen wird oftmals nicht allein auf die Ursprungseigenschaft der Ware abgestellt, sondern vielmehr reicht allein der Versand aus diesem Land zur Erhebung des Antidumpingzolls aus. Im Rahmen der Untersuchung der EU-Kommission, ob eine Ausweitung des Antidumpingzolls gerechtfertigt ist, sollten Hersteller die Möglichkeit nutzen, mit der Kommission in Kontakt zu treten, um darzulegen, an Umgehungspraktiken nicht beteiligt zu sein. Deutsche Unternehmen, die Waren eines Herstellers aus einem von der Untersuchung betroffenen Land beziehen, sollten diesen gezielt darauf hinweisen, um bei späteren Einfuhren keinen ungerechtfertigten Antidumpingzoll zahlen zu müssen.