BFH zu innergemeinschaftlichen Lieferungen

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 10.08.2016, V R 45/15

Praxisproblem

Nach § 17a Abs. 2 UStDV a.F. sollte der Unternehmer in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a UStG), durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein, durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Diese Regelung ist durch die Elfte Verordnung zur Änderung der Umsatzsteuerverordnung v. 25.03.2013 (BGBl. I 2013, 602) mit Wirkung v. 01.10.2013 geändert. Mit den Änderungen wurden die Beleg- und Buchnachweispflichten für innergemeinschaftliche Lieferungen gegenüber den seit dem 01.01.2012 geltenden Bestimmungen, die jedoch im Verwaltungswege ausgesetzt worden waren, neu geregelt. Der Unternehmer kann seither den Nachweis (insbesondere den Nachweis über das Gelangen des Liefergegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet) mit allen zulässigen Belegen und Beweismitteln führen, aus denen sich das Gelangen des Liefergegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet an den umsatzsteuerrechtlichen Abnehmer in der Gesamtschau nachvollziehbar ergibt. Neben der Gelangensbestätigung sind weitere einfache und sichere Nachweismöglichkeiten zugelassen (z.B. Frachtbriefe und andere handelsübliche Versendungsbelege). Der liefernde Unternehmer kann z.B. nach wie vor bereits mit Übergabe des Gegenstands an einen Spediteur von der Steuerbefreiung ausgehen. Der Belegnachweis kann dann später vervollständigt werden. Auch bei den Spediteurbescheinigungen wurden Erleichterungen wie z.B. die von der Wirtschaft geforderte elektronische Übermittlung – ggf. auch ohne Unterschrift – zugelassen.

Sachverhalt

Der BFH hatte über einen Fall nach altem Belegnachweisrecht für die Streitjahre 2007 und 2008 zu entscheiden. Die Klägerin, Organträger einer Organ-GmbH (GmbH), hatte in den Streitjahren auf Vermittlung eines P Kaufverträge mit vermeintlich in Spanien und der Tschechischen Republik ansässigen Firmen C, M und PA für die Durchführung steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen abgeschlossen. Bei diesen Firmen handelte es sich um Scheinunternehmen, deren Existenz und Unternehmereigenschaft P fingiert hatte, um PKW ohne Umsatzsteuerbelastung erwerben zu können. Neben den Rechnungen an die Firmen C, M und PA lagen der Klägerin Verbringungserklärungen vor, die ihr bei der jeweiligen Abholung übergeben worden waren und in denen als Bestimmungsort Spanien oder Tschechien angegeben war. Die Klägerin zeichnete gem. § 17c Abs. 1 UStDV die diesen Firmen erteilten USt-IdNrn. auf. Das FG München (Urt. v. 21.04.2015, 2 K 1430/12) hatte die Klage gegen die Entscheidung des FA, die Lieferungen seien steuerpflichtig, abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 des UStG lägen unstreitig nicht vor. Es sei der Klägerin auch kein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu gewähren, da die Klägerin keinen hinreichenden Belegnachweis erbracht habe. Zudem habe die Klägerin nicht in gutem Glauben gehandelt.

In der Revision hatte die Klägerin geltend gemacht, sie habe den Belegnachweis geführt. Er ergebe sich aus dem Rechnungsdoppel und dem Verbringungsnachweis.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Die gem. § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV a.F. erforderliche Angabe des Bestimmungsorts ergibt sich nur dann aus der für die Lieferung ausgestellten Rechnung, wenn von einer Beförderung zu dem in der Rechnung angegebenen Unternehmensort des Abnehmers auszugehen ist. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG liegen nach dem Urteil nicht vor, da es sich bei den als Abnehmer geführten Firmen C, M und PA um Scheinfirmen handelte, sodass es an der gem. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG erforderlichen Lieferung an einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer fehlte. Außerdem fehlte es sowohl am Beleg- als auch am Buchnachweis. Im Streitfall lagen, so der BFH, Versendungs-, nicht aber Beförderungsfälle vor, da die PKW im maßgeblichen Zeitpunkt des Verlassens des Inlands nicht durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert, sondern durch Einschaltung selbstständiger Dritter versendet wurden. Versendungsbelege lagen der Klägerin nicht vor. Die Klägerin hat den Belegnachweis nach dem Urteil aber auch dann nicht erbracht, wenn zu ihren Gunsten zu unterstellen gewesen wäre, dass sie zu einer Nachweisführung wie im Beförderungsfall berechtigt gewesen wäre.

Da sich der Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung nach dem Bestimmungsort der Lieferung richtet, ist diese Angabe zur Wahrung der Korrespondenz von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb nach dem BFH-Urteil nicht verzichtbar. Im Streitfall reichte die Nennung eines Bestimmungslandes in den Verbringungserklärungen zur Angabe des Bestimmungsorts nicht aus.

Zwar hatte die Klägerin die USt-IdNrn. der Firmen C, M und PA aufgezeichnet. Da es sich aber bei diesen Firmen, die die Klägerin als ihre Abnehmer ansah, um Scheinfirmen handelte, ergibt sich aus der Aufzeichnung der USt-IdNrn. dieser Firmen nicht auch deren Unternehmereigenschaft. Steht fest, dass die buchmäßige aufgezeichnete Angabe der USt-IdNrn. mangels tatsächlich fehlender Unternehmereigenschaft diese nicht bezeugen kann, entfällt die Beweiskraft dieser buchmäßigen Aufzeichnung. Es kann dann nicht zu einer Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf formeller Beweisgrundlage kommen.

Der Klägerin stand nach dem Urteil auch kein Vertrauensschutz zu. Dieser setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachgekommen ist, was im Streitfall nicht erfüllt war.

Praxishinweis

Der BFH hat erneut klargestellt (und das gilt auch für die seit dem 01.10.2013 geltende Belegnachweisrechtslage), dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen die schlichte Angabe des Bestimmungslandes nicht den konkreten Bestimmungsort ersetzen kann. Der BFH bezieht sich in seiner Entscheidung an mehreren Stellen auch auf das EuGH-Urteil v. 09.10.2014, C-492/13, Traum. Bei diesem Verfahren ging es ebenfalls um die Nachweispflichten für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung (Art. 138 MwStSystRL). Im Vorlagefall war streitig, ob der Kläger die Voraussetzungen der Steuerbefreiung hinreichend nachgewiesen hatte. Die bulgarische Finanzbehörde hatte der Steuerbefreiung zunächst zugestimmt und akzeptiert, dass der Erwerber, wie es Art. 7 Abs. 1 ZDDS zur Bedingung macht, in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Griechenland) mehrwertsteuerpflichtig war. Nach Feststellung, dass die USt-IdNr. des Erwerbers rückwirkend nicht mehr gültig war, konnte die bulgarische Finanzbehörde nach dem EuGH-Urteil von dem Kläger nicht nachträglich verlangen, mit anderen Mitteln die Erwerbereigenschaft des Abnehmers nachzuweisen. Die rückwirkende Löschung der USt-IdNr. des Erwerbers alleine führt nicht zur Versagung der Steuerbefreiung. Wenn das Finanzamt die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung versagt hat, weil die USt-IdNr. des Erwerber gelöscht wurde, ist entscheidend, ob im Zeitpunkt der Lieferung eine gültige USt-IdNr. vorlag. Hatte der liefernde Unternehmer im Übrigen keinen begründeten Anlass, an den Angaben des Erwerbers und seiner Unternehmereigenschaft bzw. dem Bezug der Ware für dessen Unternehmen zu zweifeln, steht ihm die Steuerbefreiung aus Gründen des Vertrauensschutzes zu.

Diese Voraussetzungen lagen im aktuellen BFH-Fall nicht vor. Im Streitfall hatte die Klägerin formal zwar den – entkräfteten – Buchnachweis, nicht aber auch den Belegnachweis in der erforderlichen Art erbracht, da die Angaben zu den Bestimmungsorten fehlten. Im Übrigen ergibt sich aus dem EuGH-Urteil Traum nach dem BFH-Urteil nicht, dass einem Steuerpflichtigen, der der Verpflichtung zur Beibringung eines der Art nach vollständigen Belegnachweises nicht nachkommt, eine Steuerfreiheit aus Gründen des Vertrauensschutzes zu gewähren ist. Überlegungen zum Vertrauensschutz gleichen formal nur unvollständig erfüllte Belegpflichten nicht aus.

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