BFH zur Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 10.08.2016, XI R 31/09

Praxisproblem

Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gem. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.

Der BFH hatte mit Beschluss v. 05.06.2014, XI R 31/09 dem EuGH Fragen zur Vorsteueraufteilung nach Art. 17 MwStSystRL bzw. § 15 Absatz 4 UStG bei gemischt genutzten Gebäuden gestellt. Dabei ging es vornehmlich darum, ob Vorsteuerbeträge, die für die Anschaffung oder Herstellung des Objekts angefallen sind, zunächst den Verwendungsumsätzen direkt zugeordnet werden müssen und lediglich die verbleibenden, nicht direkt zuordenbaren Vorsteuerbeträge nach einem Flächen- oder Umsatzschlüssel aufgeteilt werden müssen

Sachverhalt

In der Sache ging es zum einen um die Höhe des Vorsteuerabzugs im Jahr 2004 aus Baukosten sowie aus laufenden Kosten für ein Wohn- und Geschäftshaus, mit dem die Klägerin sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Vermietungsumsätze ausführte.

Da in diesen Fällen der Vorsteuerabzug nur zulässig ist, soweit die von einem Unternehmer bezogenen Eingangsleistungen (hier: Baumaterial, Handwerkerleistungen etc.) für steuerpflichtige Ausgangsumsätze (hier: Vermietungsumsätze) verwendet werden, müssen die insgesamt angefallenen Vorsteuern nach § 15 Abs. 4 UStG aufgeteilt werden. Seit der Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG m.W.v. 01.01.2004 ist dabei eine Aufteilung nach dem Verhältnis der (voraussichtlichen) steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen (sog. „Umsatzschlüssel“) nur noch nachrangig zulässig.

Die Klägerin ermittelte die abziehbaren Vorsteuern für das Streitjahr 2004 – wie in den Vorjahren – nach dem Umsatzschlüssel. Das FA legte dagegen der Vorsteueraufteilung den (für die Klägerin ungünstigeren) Flächenschlüssel zugrunde.

Auf das Vorabentscheidungsersuchen des BFH hatte der EuGH mit Urteil v. 09.06.2016, C-332/14, Wolfgang und Dr. Wilfried Rey Grundstücksgemeinschaft GbR entschieden, dass bei der Anschaffung oder Herstellung von Gebäuden, die sowohl für steuerpflichtige, als auch (vorsteuerschädliche) steuerfreie Umsätze genutzt werden, die Anschaffungskosten/Herstellungskosten nicht zwingend einzeln den jeweiligen Ausgangsumsätzen zugeordnet werden müssen, wenn diese Zuordnung schwierig ist. Bei den laufenden Unterhalts- und Betriebskosten ging der EuGH davon aus, dass die Zuordnung zu Ausgangsumsätzen regelmäßig nicht schwierig ist und eine direkte Zuordnung vorzunehmen ist. Die Prüfung, wie sich dies im Einzelfall darstellt, überließ der EuGH jedoch dem BFH. Zum Vorsteueraufteilungsschlüssel, der nach dem Urteil – in einem zweiten Schritt nach der Zuordnung – der Berechnung des zulässigen Vorsteuerabzugs dient, führte der EuGH aus, dass insoweit grundsätzlich ein Umsatzschlüssel in Betracht zu ziehen ist. Allerdings kann auch ein anderer Schlüssel (wie z.B. ein Flächenschlüssel) anwendbar sein. Voraussetzung dafür ist aber (insoweit bezog der EuGH sich auf sein Urteil v. 08.12.2012, C-511/10, BLC Baumarkt), dass dieser Schlüssel zu einem präziseren Ergebnis führt.

Zur zweiten Frage des BFH betreffend die Möglichkeit der Vorsteuerberichtigung bei Wechsel der Methode der Vorsteueraufteilung (hier nach Flächenschlüssel bei vorheriger Anwendung des Umsatzschlüssels) hatte der EuGH entschieden, dass eine solche Vorsteuerberichtigung zwingend ist. Dies folgt daraus, dass beim Übergang zu einer präziseren Aufteilungsmethode auch der Vorsteuerberichtigungsmechanismus betroffen sein muss, damit die gebotene Genauigkeit des abzugsfähigen Teils der Vorsteuern erreicht wird.

Zur dritten Frage des BFH zum Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes hatte der EuGH entschieden, dass der Zwang einer Vorsteuerberichtigung nach Änderung des Aufteilungsschlüssels auch dann besteht, wenn das nationale Recht dies nicht ausdrücklich vorschreibt. Auch ist eine Vorsteuerberichtigung ohne entsprechende Übergangsregelung zulässig. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes wird nicht verletzt, wenn eine Änderung der Vorsteueraufteilungsmethode nicht die Aufhebung des Vorsteuerabzugs bewirkt, sondern nur eine Änderung hinsichtlich dessen Umfangs.

Entscheidung

Der BFH hat in seiner Nachfolgeentscheidung zu dem EuGH-Urteil die Sache an das FG zurückverwiesen. Der BFH folgt allerdings dem EuGH und führt aus, dass bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes für den Vorsteuerabzug – im Gegensatz zu den Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung – nicht darauf abgestellt werden kann, welche Aufwendungen in bestimmte Teile des Gebäudes eingehen. Vielmehr kommt es insoweit auf die prozentualen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an. Bei der Herstellung eines solchen Gebäudes ermöglicht der objektbezogene Flächenschlüssel regelmäßig eine sachgerechte und „präzisere“ Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug als der gesamtumsatzbezogene oder der objektbezogene Umsatzschlüssel. Weiter führt der BFH aus, dass die Neuregelung der Aufteilungsmethode für den Vorsteuerabzug durch den am 01.01.2004 in Kraft getretenen § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs. 1 UStG bewirken kann. Einer entsprechenden Vorsteuerberichtigung stehen weder die allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes entgegen noch liegt darin eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung in Vorjahre.

Praxishinweis

Die BFH-Feststellungen, auch wenn die Sache an das FG zurückverwiesen wurde, bestätigen die geltende nationale Rechtsgrundlage der Vorsteueraufteilung nach dem Flächenschlüssel, wenn dieser im Einzelfall präziser ist als der Umsatzschlüssel. Handelt es sich um Aufwendungen für den Gegenstand selbst (aus der Anschaffung oder Herstellung), kommt nach Abschn. 15.17 Abs. 5 Satz 3 UStAE nur eine Aufteilung der gesamten auf den einheitlichen Gegenstand entfallenden Vorsteuerbeträge nach einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab (§ 15 Abs. 4 UStG) in Betracht. Bereits in seinem Urteil v. 08.11.2012, C-511/10, BLC Baumarkt stellte der EuGH fest, dass Vorsteuerbeträge, die für die Anschaffung oder Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes angefallen sind, nach dem Flächenverhältnis aufgeteilt werden dürfen, wenn dies die wirtschaftlich zutreffendere, also präzisere Aufteilungsmethode darstellt.

Die Frage, ob sich die Aufteilung sämtlicher Vorsteuerbeträge nach einem einheitlichen Schlüssel auch auf Eingangsleistungen aus laufenden Kosten (Erhaltungsaufwendungen) bezieht, ist auch nach dem jetzigen BFH-Urteil zu verneinen. Dies ist auch nach dem EuGH-Urteil regelmäßig nicht der Fall, so dass bei laufenden Kosten grundsätzlich eine direkte Zuordnung zu Ausgangsumsätzen vorzunehmen ist, es sei denn, diese direkte Zuordnung ist zu schwierig. Auch dies ist eine Bestätigung der geltenden Rechtslage. Der Umfang der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge auf sog. Erhaltungsaufwendungen an dem Gegenstand kann sich gem. Abschn. 17.15 Abs. 5 Satz 4 UStAE danach richten, für welchen Nutzungsbereich des gemischt genutzten Gegenstands die Aufwendungen vorgenommen werden. Selbst wenn Herstellungskosten eines Gebäudes aus einer Vielzahl von einzelnen Leistungsbezügen bestehen können, die für sich betrachtet einzelnen Gebäudeteilen zugeordnet werden oder auf mehrere unterschiedliche Nutzungen aufgeteilt werden könnten, muss einerseits zwischen der Verwendung des Gegenstands selbst und andererseits der Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen zur Erhaltung oder zum Gebrauch dieses Gegenstands unterschieden werden. Anschaffungs- oder Herstellungskosten betreffen jeweils die Anschaffung oder Herstellung eines bestimmten Gegenstands (bei einem Gebäude das einheitliche Gebäude) und nicht bestimmte Gebäudeteile (vgl. Abschn. 17.15 Abs. 5 Sätze 5 bis 7 UStAE).

Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung oder Unterhaltung eines gemischt genutzten Gebäudes, die einen konkreten Nutzungsbereich des Gebäudes (z.B. Tapezierarbeiten in einer Wohnung) betreffen, ermöglichen regelmäßig eine direkte Zuordnung der bezogenen Leistungen zu den steuerpflichtigen oder steuerfreien Umsätzen. Nur Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung oder Unterhaltung eines gemischt genutzten Gebäudes, die nicht direkt zuordenbar sind (z.B. Winterdienst für das gesamte Gebäude, Fassadenanstrich für das gesamte Gebäude, Dachreparaturen), kommen für eine Vorsteueraufteilung in Betracht.

Bereits mit Urteil v. 22.08.2013, V R 19/09 hatte der BFH entschieden, dass Vorsteuerbeträge für Eingangsleistungen, die für berichtigungsfähige Objekte i.S.d. § 15a UStG verwendet werden, nach dem Flächenschlüssel aufzuteilen sind. Es handelt sich hierbei um die Folgeentscheidung des BFH aufgrund des EuGH-Urteils zu „BLC Baumarkt“. Das BFH-Urteil ist noch nicht im BStBl. Teil II veröffentlicht worden, wird von der Verwaltung also bisher noch nicht angewendet.

Mit Urteil v. 07.04.2014, V R 1/10 hat der BFH eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Flächenschlüssel bejaht. Auch dieses Urteil ist noch nicht im BStBl. Teil II veröffentlicht worden. In seinem Urteil v. 03.07.2014, V R 2/10 spricht sich der BFH dafür aus, die Vorsteueraufteilung im Regelfall nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel vorzunehmen. Der Umsatzschlüssel soll demnach nur verwendet werden, wenn erhebliche Unterschiede in den Ausstattungsmerkmalen der verschiedenen Nutzungseinheiten vorliegen. Es handelt sich um eine Fortführung der Rechtsprechung zum Urteil V R 1/10. Auch dieses Urteil ist noch nicht im BStBl. Teil II worden.

Mit dem vorliegenden Urteil des XI. Senats des BFH wurde im Prinzip die vorgenannte Rechtsprechung des V. Senats bestätigt. Es kann somit erwartet werden, dass die Verwaltung sich nunmehr auch zu den zwischenzeitlich ergangenen BFH-Entscheidungen äußert bzw. diese anwendet.

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