Reverse-Charge bei Bauleistungen und Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG – aktueller Sachstand

Gesetzliche Änderungen – Wiederherstellung der vor dem BFH-Urteil V R 37/10 geltenden Rechtslage ab 01.10.2014

Im sog. „Kroatiengesetz“ vom 25.07.2014 (BGBl. I, 1266) wurde eine Regelung in § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen aufgenommen, mit der mit Wirkung v. 01.10.2014 weitgehend inhaltlich die frühere, vom BFH verworfene (Verwaltungs-)Rechtslage gesetzlich abgesichert wurde:

  • Der Leistungsempfänger ist immer dann Steuerschuldner, wenn er selbst nachhaltig Bauleistungen ausführt, auch wenn er die an ihn im Einzelfall erbrachte Bauleistung nicht zur Ausführung einer Bauleistung verwendet. Die (bis zum 30.09.2014 geltende) „bauwerksbezogene“ Betrachtungsweise kommt nicht mehr zur Anwendung. Ein Unternehmer erbringt dann „nachhaltig“ Bauleistungen i.S.d. Gesetzes, wenn mind. 10 % seines Weltumsatzes aus Bauleistungen besteht.
  • Bauleistungen, die für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen werden, fallen grds. in den Anwendungsbereich des § 13b UStG (§ 13b Abs. 5 Satz 6 UStG).
  • Generalunternehmer sind für bezogene Bauleistungen regelmäßig als Steuerschuldner nach § 13b UStG anzusehen. Wurde dem Unternehmer eine Bescheinigung i.S.d. § 13b Abs. 5 S. 2 UStG n.F. ausgestellt, ist er als Leistungsempfänger auch dann Steuerschuldner, wenn er diese Bescheinigung gegenüber dem leistenden Unternehmer nicht verwendet.
  • Die bis zum 14.02.2014 geltende Vereinfachungsregelung in Abschn. 13b.8 UStAE a.F. ist gesetzlich normiert (§ 13b Abs. 5 S. 7 UStG). Haben der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger für einen an ihn erbrachten Umsatz das Reverse-Charge-Verfahren angewandt, obwohl dies nach Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Voraussetzungen nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner. Diese Regelung betrifft nur Zweifel hinsichtlich der Art der Umsätze (hier also die Frage: Bauleistung oder nicht), nicht aber z.B. die Frage, ob der Leistungsempfänger nachhaltiger Bauleister ist (dafür gibt es das Bescheinigungsverfahren).

Gesetzliche Änderungen – Übergangsregelung für vor dem 15.02.2014 ausgeführte Umsätze

Außerdem war in § 27 Abs. 19 UStG eine Übergangsregelung für vor dem 15.02.2014 ausgeführte Umsätze geschaffen worden, für die der Leistungsempfänger entsprechend der BFH-Rechtsprechung geltend macht, er sei nicht Steuerschuldner (ausführliche Erläuterungen enthält das BMF-Schreiben vom 31.07.2014).

Der leistende Unternehmer kann in diesen Fällen die gesetzlich bei ihm als leistendem Unternehmer entstandene und von ihm geschuldete Umsatzsteuer zivilrechtlich gegenüber dem Leistungsempfänger zusätzlich zum Netto-Entgelt geltend machen. Ein Vertrauensschutztatbestand wird verneint.

Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt hat in diesen Fällen auf Antrag zuzulassen, dass der leistende Unternehmer den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf (nachträgliche) Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer dem Finanzamt abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte. Diese Abtretung erfolgt nach Maßgabe des Zivilrechts durch Angebot seitens des leistenden Unternehmers, mit dem er sich verpflichtet, bei der Durchsetzung des Anspruchs mitzuwirken, und Annahme durch das Finanzamt. Die Mitwirkungspflicht des leistenden Unternehmers bezieht sich hierbei zuvorderst auf den Nachweis der Richtigkeit und den Bestand seiner (abgetretenen) Forderung sowie die Wirksamkeit der Abtretung.

Die vorgenannte Abtretung wirkt an Zahlungs statt und führt damit zum Erlöschen des Umsatzsteueranspruchs (§ 47 AO), wenn

  • der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt,
  • die Abtretung an das Finanzamt wirksam bleibt,
  • dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis angezeigt wird, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat, und
  • der leistende Unternehmer seiner Mitwirkungspflicht nachkommt.

Die Finanzbehörden können gegen den Umsatzsteuererstattungsanspruch (oder andere Steuererstattungsansprüche oder Steuervergütungsansprüche) des Leistungsempfängers mit der vom leistenden Unternehmer durch Abtretung erworbenen zivilrechtlichen Forderung grundsätzlich ab deren Fälligkeit aufrechnen (§ 226 AO i.V.m. §§ 387 bis 396 BGB).

Auch eine ggf. verjährte Forderung kann zivilrechtlich abgetreten werden. In derartigen Fällen wird jedoch im Einzelfall geprüft, ob das Angebot der Abtretung durch das Finanzamt angenommen wird und für den leistenden Unternehmer diese Abtretung dann gem. § 27 Abs. 19 Satz 3 und 4 UStG auch an Zahlungs statt wirkt.

Bei der Verzinsung der nachträglichen Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gilt der Antrag des Leistungsempfängers auf Erstattung der zunächst von ihm entrichteten Umsatzsteuer als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 233a Abs. 2a AO. Der Zinslauf von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO beginnt in diesen Fällen folglich erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis (= Antrag des Leistungsempfängers) eingetreten ist.

In Reaktion auf die Forderungen der Bauträger als Leistungsempfänger muss die Finanzverwaltung prüfen, ob die auf die Bauleistungen zweifellos entstandene Umsatzsteuer von den leistenden Unternehmern nachgefordert werden kann. Die leistenden Unternehmer hatten in Vertrauen auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG zunächst dem Leistungsempfänger nur den Nettobetrag in Rechnung gestellt. Nun werden die leistenden Unternehmer nachträglich als Steuerschuldner in Anspruch genommen. Der leistende Unternehmer kann in diesen Fällen nach Auffassung der Verwaltung bzw. des Gesetzgebers die gesetzlich bei ihm entstandene und von ihm geschuldete Umsatzsteuer gegenüber dem Leistungsempfänger zusätzlich zum Netto-Entgelt durch eine Berichtigung der ursprünglichen Rechnung geltend machen (vgl. hierzu auch § 31 Abs. 5 UStDV). Berichtigt der leistende Unternehmer seine Rechnung dagegen nicht, gilt die – ursprüngliche – Netto-Rechnung aufgrund der BFH-Rechtsprechung als Rechnung (einschließlich Umsatzsteuer).

Bei der Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG stellen sich zahlreiche Fragen: Ganz entscheidend ist, hat der Bauleister hinsichtlich der bei ihm festzusetzenden Umsatzsteuer eine zivilrechtliche Forderung gegen den Bauträger? Der Gesetzgeber unterstellt in § 27 Abs. 19 UStG, dass der Bauleister einen solchen zivilrechtlichen Anspruch hat, legt diesen also keinesfalls fest. Der zivilrechtliche Anspruch beruht nach Verwaltungsauffassung sowie herrschender Meinung auf § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage), der zur Vertragsanpassung führt. Der zivilrechtliche Anspruch des Bauleisters hängt insbesondere von der ursprünglichen Kaufpreisabrede für die Bauleistung bzw. von einer etwaigen zivilrechtlichen Verjährung ab. Wenn die Beteiligten eine Nettopreisvereinbarung („Nettopreis zuzügl. etwaiger gesetzl. USt“) getroffen haben, dürfte dem Bauleister der zivilrechtliche Anspruch regelmäßig zustehen (insbesondere dann, wenn in einer Netto-Rechnung auf den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger verwiesen wurde). Bei einer Bruttokaufpreisvereinbarung ist die Umsatzsteuer aus dem Entgelt herauszurechnen. In diesem Fall hätte der Bauleister keinen weiteren zivilrechtlichen Anspruch mehr gegen den Leistungsempfänger, d.h. er könnte nicht mit einer Forderung gegen diesen gegenüber dem Finanzamt aufrechnen, sondern wäre mit der abzuführenden Umsatzsteuer nachträglich belastet.

Auch die Frage nach der Verjährung des zivilrechtlichen Anspruchs ist zu stellen. Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis verjähren regelmäßig nach drei Jahren (§ 195 BGB). Grundsätzlich beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstand, d.h. bei Bauleistungen mit Ablauf der Jahres der Abnahme und der Schlussrechnung. Jedoch setzt § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Beginn der Verjährung die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Der Bauleister könnte somit ggf. einwenden, Kenntnis über die zivilrechtliche Forderung in Höhe der Umsatzsteuer erst im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des FA für die bei ihm festzusetzende Umsatzsteuer erhalten zu haben. Regelmäßig dürfte aber auch bereits von einer früheren Kenntnisnahme, nämlich der Zeitpunkt der Verkündung des KroatienG im BGBl am 30.07.2014 auszugehen sein.

Zwischenzeitliche BFH-Rechtsprechung in ADV-Verfahren

Mit Beschluss v. 27.01.2016, V B 87/15, BFH/NV 2016, 716 hat der BFH in einem Verfahren eines Bauleistenden zum vorläufigen Rechtsschutz entschieden, dass die Rechtmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG bei geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen ernstlich zweifelhaft sei. Unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und von Treu und Glauben gelte dies auch im Fall der erstmaligen Steuerfestsetzung gegenüber dem Bauleistenden. Darüber hinaus sei auch ernstlich fraglich, ob der beim Bauleistenden nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG entstandene Steueranspruch aufgrund der Ausführungen im Abschn. 13b.3. Abs. 10 UStAE nicht entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich geworden sei.

In entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1 und 2 UStG hält der BFH es im summarischen Verfahren für möglich, dass der Leistende die an den Bauträger erbrachten Leistungen erst dann zu versteuern hat, wenn er den drauf entfallenden Umsatzsteuerbetrag vereinnahmt hat. Nach Auffassung des BFH käme es dann nicht zu erheblichen Steuerausfällen. Der Rückforderung der – zu Unrecht an das FA abgeführten – Umsatzsteuer durch den Leistungsempfänger (Bauträger) könne eine entsprechend § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG zeitgleich auch beim Leistungsempfänger vorzunehmende Berichtigung entgegenstehen. Auch insoweit könne im Steuerschuldverhältnis der Grundsatz von Treu und Glauben zu berücksichtigen sein. Die vom Bauträger und vom Bauunternehmer übereinstimmend – entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung – angenommene Steuerschuld des Bauträgers entfiele dann entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erst aufgrund einer Zahlung des Steuerbetrags durch den Bauträger (Leistungsempfänger) an den Bauunternehmer (Leistender). Im Falle einer Abtretung des Nachforderungsanspruchs des Bauleistenden an das Finanzamt könne die Zahlung auch an den Steuergläubiger (Finanzamt) als Zessionar (Abtretungsempfänger) erfolgen (§ 27 Abs. 19 Sätze 3 und 4 UStG).

Vereinfacht ergeben sich bei der vom BFH im ADV-Verfahren angedachten Lösung folgende Konsequenzen:

  • Die Steuerschuldnerschaft des Bauträgers entfällt erst (d.h. der Erstattungsanspruch entsteht erst), wenn er den Steuerbetrag an den Leistenden bezahlt hat.
  • Der Leistende hat die Leistung erst zu versteuern, wenn er den darauf entfallenden Umsatzsteuerbetrag vereinnahmt hat.

In der Konsequenz fallen zugunsten des Bauträgers keine Erstattungszinsen (§ 233a AO) an, sodass weder Bauträger noch Leistender Interesse an einer Rückabwicklung haben dürften. Die Gefahr eines Steuerausfalls (beim Leistenden) ist damit ebenfalls abgewendet.

Reaktion der Verwaltung

Der BFH-Beschluss ist bisher nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden, d.h. er wird von der Verwaltung offensichtlich nicht allgemein angewendet. Aufgrund der derzeit bestehenden Unsicherheiten in der Rechtslage wartet die Finanzverwaltung offensichtlich die Entscheidung des BFH im Hauptsacheverfahren ab. Dem Vernehmen nach verfährt die Finanzverwaltung in Kenntnis des BFH-Beschlusses derzeit wie folgt:

Seite des leistenden Bauunternehmers

Die Umsatzsteuer, für die der Leistungsempfänger aufgrund des BFH-Urteils v. 22.08.2013, V R 37/10 kein Steuerschuldner mehr ist, wird gegenüber dem Leistenden weiterhin gem. § 27 Abs. 19 Satz 1 und 2 UStG festgesetzt. Auf Antrag wird dem Leistenden sowohl bei erstmaliger Umsatzsteuerfestsetzung als auch in Fällen der geänderten Umsatzsteuerfestsetzung die Aussetzung der Vollziehung gewährt.

Hat der Leistende von der Möglichkeit der Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 und 4 UStG Gebrauch gemacht und seinen Anspruch gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer an das Finanzamt abgetreten, ist eine Aufhebung/Aussetzung der Vollziehung aufgrund der Erlöschenswirkung (Abtretung wirkt an Zahlungs statt) ausgeschlossen. Der leistende Bauunternehmer verhält sich treuwidrig, wenn er versucht, die gesetzliche Erlöschenswirkung der Steuerschuld, die der Gesetzgeber ausschließlich aus Gründen des Vertrauensschutzes geschaffen hat, zu seinem Vorteil zu nutzen. Die Anträge auf Aufhebung/Aussetzung der Vollziehung werden in diesen Fällen abgelehnt.

Seite des Leistungsempfängers (Bauträger)

Nach Auffassung der Finanzverwaltung bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung beim leistenden Bauunternehmer. Es ist aus Sicht der Verwaltung wohl fraglich, ob die Ablehnung der Erstattung der Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger ergänzend auf die Regelung des § 17 UStG gestützt werden kann. Erstattungsanträgen von Leistungsempfängern wird aber unter Hinweis auf die Grundsätze von Treu und Glauben nur noch dann stattgegeben,

  • wenn der Leistungsempfänger den in Rede stehenden Umsatzsteuerbetrag an den leistenden Unternehmer gezahlt hat und diese Zahlung anhand geeigneter Unterlagen nachweisen kann, oder
  • in Fällen, in denen durch den leistenden Unternehmer die Abtretungsmöglichkeit nach § 27 Abs. 19 Satz 3 und 4 UStG genutzt wurde.

Bereits beim Leistungsempfänger durchgeführte Änderungsfestsetzungen dürften davon nicht betroffen sein.

Verzinsung nach § 233a AO

Leistender Bauunternehmer

In Fällen, in denen beim Leistenden Bauunternehmer Nachzahlungszinsen nach § 233a AO festzusetzen wären, können Billigkeitsmaßnahmen in Betracht kommen. Grundsätzlich soll die Verzinsung nach § 233a AO sowohl den Liquiditätsvorteil des Steuerschuldners (Leistenden) als auch den Liquiditätsnachteil des Steuergläubigers (Leistungsempfängers) ausgleichen.

In den sog. Bauträgerfällen entsteht beim Leistenden jedoch kein Liquiditätsvorteil. Im Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuer war der die Nachzahlung beim Leistenden verursachende Steuertatbestand noch nicht rechtlich existent. Weder das BFH-Urteil v. 22.08.2013, V R 37/10 noch § 27 Abs. 19 UStG konnten von dem Leistenden berücksichtigt werden. Der Vertrauensschutz dürfte in diesen Fällen nicht nur für die Steuerfestsetzung, sondern auch für die Erhebung der Nachzahlungszinsen in Betracht kommen.

Leistungsempfänger (Bauträger)

Die Begleichung der Umsatzsteuer durch den Leistungsempfänger an den Leistenden bzw. das Wirksamwerden einer Aufrechnung mit dem abgetretenen zivilrechtlichen Umsatzsteueranspruch stellt ein rückwirkendes Ereignis dar.

Damit dürften entsprechende geänderte Festsetzungen beim Leistungsempfänger erst für den Besteuerungszeitraum durchzuführen sein, in dem die Voraussetzungen vorliegen (Zahlung bzw. Aufrechnung). Mangels Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung entstehen für Bauträger keine Erstattungszinsen nach § 233a AO. Damit hätten Zinsfestsetzungen gegenüber dem Leistungsempfänger nur im Rahmen des § 175 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 233a Abs. 2a AO zu erfolgen. Die Festsetzung von Erstattungszinsen dürfte demzufolge im Zeitpunkt der Festsetzungsänderung regelmäßig noch nicht in Betracht kommen.

Grundsatz von Treu und Glauben

Der Grundsatz von Treu und Glauben bringt zwar keine Steueransprüche und -schulden zum Entstehen (§ 38 AO) oder Erlöschen (§ 47 AO), er kann aber verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden kann. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet insoweit, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Interessen der Anderen Rücksicht nimmt und sich nicht in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten setzt.

Der BFH sieht ein treuwidriges Verhalten, wenn der Leistungsempfänger auf der einen Seite von der Finanzverwaltung die Umsatzsteuer zurückfordert, die er in der Annahme, dass er Steuerschuldner sei, angemeldet und gezahlt hat, parallel dazu die jetzt dem Leistenden zustehende Umsatzsteuer jedoch nicht an diesen zahlt. Demzufolge billigt der BFH dem Leistungsempfänger erst dann den materiell-rechtlich unstreitigen Erstattungsanspruch zu, wenn dieser die Umsatzsteuer an den Leistenden gezahlt hat oder die Aufrechnung mit dem abgetretenen zivilrechtlichen Umsatzsteueranspruch erfüllt ist (aufschiebende Bedingung).

Zivilrechtsprechung

Das LG Düsseldorf hat mit Urteil v. 05.02.2016, 33 O 86/15 zwischenzeitlich zu folgendem Sachverhalt entschieden: Ein klagendes Bundesland begehrt von einem Bauträger Zahlung von Umsatzsteuer auf die Erbringung von Werkleistungen aus abgetretenem Recht. Am 22.05.2012 schlossen der Bauleister und der Bauträger (Beklagter) einen Vertrag, in dem sich der Bauleister zur Erbringung von Fliesenarbeiten für ein von dem Bauträger betriebenes Bauvorhaben verpflichtete. Nach dem Vertrag hatten die Beteiligten sich wie folgt verständigt: „Die Preise verstehen sich rein netto. Die Umsatzsteuer wird entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des § 13b UStG vom BauträgerAG direkt abgeführt.“

Das LG Düsseldorf hat (in weiten Teilen gegen die Wirkung des § 27 Abs. 19 UStG) entschieden:

  • Haben die Parteien eines Werkvertrages ausdrücklich vereinbart, dass der Bauträger als Auftraggeber und nicht der Bauleister, der Fliesenarbeiten für ein von dem beklagten Bauträger betriebenes Bauvorhaben erbrachte, die Umsatzsteuer an die Finanzbehörden abführt, ist diese Vereinbarung angesichts ihres eindeutigen Wortlauts nicht auslegungsfähig.
  • Die Auffassung, ein zivilrechtlicher Anspruch i.S.d. § 27 Abs. 19 UStG ergebe sich regelmäßig aus einer ergänzenden Auslegung des Vertrages zwischen Unternehmer (hier der Bauleister) und Leistungsempfänger (hier der Bauträger), ist jedenfalls dann unzutreffend, wenn die Parteien ausdrücklich eine anderslautende Regelung getroffen haben.
  • Zumindest dann, wenn wie vorliegend der Leistungsempfänger bei Rückforderung der von ihm zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer nicht wusste und auch nicht wissen musste, dass dies zu einer Belastung des leistenden Unternehmers führen würde, überwiegt das Interesse des leistenden Unternehmers, nicht das des Leistungsempfängers.
  • Dass der Gesetzgeber die Geltung des § 176 Abs. 2 AO mit der atypischen Regelung des § 27 Abs. 19 UStG ausschließen würde, konnte der beklagte Bauträger nicht voraussehen, sodass er in dieser Situation ein schutzwürdiges Interesse am Bestand der Vereinbarung mit dem Bauleistenden hat.

Das OLG Köln hat in seinem Urteil v. 04.08.2016, 7 U 177/15  zu der Frage einer ergänzenden Vertragsauslegung hinsichtlich der Pflicht zur Zahlung der Umsatzsteuer (im Ergebnis anders als das o.g. Urteil des LG Düsseldorf) entschieden:

  • Voraussetzung einer ausfüllungsbedürftigen Vertragslücke ist, dass beide Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst offen gelassen haben, weil sie ihn bei Vertragsschluss irrig für nicht regelungsbedürftig hielten.
  • Bestand ein beidseitiger Irrtum über die Frage, wer gegenüber dem Finanzamt die Umsatzsteuer schuldet, und sollte nach den zwischen den Parteien abgeschlossenen Bauverträgen der Bauträger die Umsatzsteuer betragsmäßig tragen, lässt sich hieraus zwanglos schließen, dass, wenn der Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner nach § 13b UStG war, er den entsprechenden Betrag als Teil seiner Gegenleistung dem leistenden Bauunternehmer schuldete.

Fazit

Ob die Regelung des § 27 Abs. 19 UStG verfassungsrechtlich Bestand hat und wie die daraus entstehenden zivilrechtlichen Fragen zu beantworten sind, ist nach wie vor nicht abschließend entschieden. Die Rechtslage zu den Altfällen des § 13b UStG für Bauleistungen (Leistungen vor dem 15.02.2014) ist somit weiterhin unklar.

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