Änderungen bei der Umsatzsteuer durch das Bürokratieentlastungsgesetz II

Nach dem Bundestag hat am 12.05.2017 auch der Bundesrat dem Zweiten Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (BEG II) zugestimmt. Die Änderungen bei der Umsatzsteuer treten sämtlich rückwirkend zum 01.01.2017 in Kraft.

Anders als noch der Gesetzentwurf ist nunmehr die in § 33 Satz 1 UStDV geregelte Grenze für Kleinbetragsrechnungen von 150 € auf 250 € (statt 200 € wie ursprünglich vorgesehen) angehoben werden. Gewollt ist ein Vereinfachungseffekt vor allem bei der Abrechnung von kleinen, in kurzer Zeitfolge vorkommenden Barumsätzen, insbesondere im Handel mit Waren des täglichen Bedarfs, aber auch bei Leistungen, die durch Automaten abgerechnet werden. Hier wäre die Erteilung von Rechnungen mit allen erforderlichen Pflichtangaben besonders zeitraubend und kostspielig und in der Praxis häufig auch nicht durchführbar. Die Anhebung der Grenze auf einen Betrag von 250 € geht über einen Ausgleich der Preissteigerung hinaus. Sie entlastet auf der einen Seite den Leistungserbringer. Auf der anderen Seite entlastet sie auch den vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger, soweit dieser dadurch von formellen Prüfpflichten für die Eingangsleistung befreit wird.

Nicht im Gesetzentwurf vorgesehen, sondern erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen aufgenommen wurde eine Ergänzung in der Haftungsvorschrift des § 13c Abs. 1 UStG (Haftung des Abtretungsempfängers bei Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Forderungen). § 13c Abs. 1 wurde um folgende neue Sätze 4 und 5 ergänzt: „Die Forderung gilt durch den Abtretungsempfänger nicht als vereinnahmt, soweit der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt. Voraussetzung ist, dass dieser Geldbetrag tatsächlich in den Verfügungsbereich des leistenden Unternehmers gelangt; davon ist nicht auszugehen, soweit dieser Geldbetrag auf ein Konto gezahlt wird, auf das der Abtretungsempfänger die Möglichkeit des Zugriffs hat.“

Die Änderung dient der Fortschreibung der Verwaltungsregelung in Abschn. 13c.1 Abs. 27 UStAE zum Ausschluss von der Haftung in den Fällen des Factoring. Nach Abschn. 13c.1 Abs. 27 UStAE  gilt in den Fällen des Forderungsverkaufs die Forderung nicht durch den Abtretungsempfänger als vereinnahmt, soweit der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt (z.B. bei entsprechend gestalteten Asset-Backed-Securities (ABS)-Transaktionen). Voraussetzung ist, dass dieser Geldbetrag tatsächlich in den Verfügungsbereich des leistenden Unternehmers gelangt. Davon ist nach der Verwaltungsregelung nicht auszugehen, soweit dieser Geldbetrag auf ein Konto gezahlt wird, auf das der Abtretungsempfänger die Möglichkeit des Zugriffs hat.

Die nunmehr in Gesetzesform gegossene Regelung soll mögliche Beeinträchtigungen der Realwirtschaft durch eine aus der Umsetzung der BFH-Rechtsprechung resultierende Einschränkung der Bonität kleinerer und mittlerer Unternehmen vermeiden. Der BFH (Urt. v. 16.12.2015, XI R 28/13) hatte entschieden, dass die Haftung des Abtretungsempfängers (Factors) nach § 13c UStG nicht ausgeschlossen ist, wenn er dem Unternehmer, der ihm die (Umsatzsteuer enthaltende) Forderung abgetreten hat, im Rahmen des sog. echten Factorings liquide Mittel zur Verfügung gestellt hat, aus denen dieser seine Umsatzsteuerschuld hätte begleichen können. Der Gesetzesbegründung zu § 13c UStG lasse sich eine Ausnahme der Abtretungen im Rahmen des Forderungsverkaufs von der Haftung nach § 13c UStG nicht entnehmen. Soweit die Verwaltung in Abschn. 13c.1 Abs. 27 UStAE etwas anderes geregelt habe, weist der BFH darauf hin, dass es sich hierbei um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung handele, an die die Gerichte nicht gebunden sind. Die Ergänzung von § 13c Abs. 1 UStG sichert die bisherige Verwaltungsanweisung gesetzlich ab.

Neben den umsatzsteuerlichen Änderungen sind, wie bereits im ursprünglichen Gesetzentwurf vorsehen, in § 147 Abs. 3 AO folgende Sätze 3 und 4 eingefügt worden: „Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung.“ Die Änderungen treten ebenfalls rückwirkend zum 01.01.2017 in Kraft und gelten für alle Lieferscheine, deren Aufbewahrungsfrist nach § 147 Abs. 3 AO in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung noch nicht abgelaufen ist.

Lieferscheine sind nach bisher geltendem Recht als empfangene oder abgesandte Handels- oder Geschäftsbriefe nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO aufbewahrungspflichtig. Sie sind auch dann aufzubewahren, wenn sich die Angaben aus den Rechnungen ergeben. Die Aufbewahrungspflicht beträgt gem. § 147 Abs. 3 Satz 1 AO sechs Jahre bzw. zehn Jahre, wenn die Lieferscheine als Buchungsbeleg verwendet werden. Nach § 14 Abs. 4 UStG muss eine Rechnung stets Angaben zu Menge und Art der gelieferten Ware enthalten. Eine Pflicht zur Erstellung von Lieferscheinen besteht hingegen nicht. Mit dem jetzt geregelten Verzicht auf die Aufbewahrung von Lieferscheinen, deren Inhalt eingangs- bzw. ausgangsseitig durch die entsprechende Rechnung dokumentiert ist, sollen die Unternehmen von Bürokratieaufwand entlastet werden. Durch den Wegfall der Aufbewahrung/Archivierung sollen Zeitaufwand und damit Personalkosten eingespart werden. Soweit künftig Lieferscheine steuerlich nicht mehr aufzubewahren sind, werden Sachkosten eingespart, wenn für diese Unterlagen beispielsweise keine Mietkosten mehr aufgewendet werden müssen.

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