Dreiecksgeschäfte im Gemeinschaftsgebiet: Ansässigkeit des Erwerbers und Folgen verspäteter Abgabe der Zusammenfassenden Meldung

Zum Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs v. 19.10.2016, anh. Rs. EuGH, C-580/16

Praxisproblem

Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem Ersuchen um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV dem EuGH zwei sehr praxisrelevante Fragen zur Frage der Maßgeblichkeit der Ansässigkeit des Ersterwerbers im Dreiecksgeschäft sowie zu den Folgen der verspäteten Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung zur Entscheidung vorgelegt.

Ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft liegt gem. Art. 141 der Richtlinie 2006/112 (MwStSystRL) (Umsetzung in Deutschland in § 25b UStG) dann vor, wenn drei Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt, die Unternehmer in jeweils verschiedenen Mitgliedstaaten für Zwecke der Umsatzsteuer erfasst sind, der Gegenstand der Lieferungen aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt und der Gegenstand der Lieferungen durch den ersten Lieferer oder den ersten Abnehmer befördert oder versendet wird.  Ziel der Vereinfachungsregelung zum Dreiecksgeschäft ist die Vermeidung der Registrierungsverpflichtung des Ersterwerbers im Mitgliedstaat der Beendigung der Beförderung/Versendung, welche mit umsatzsteuerlichen Erklärungsverpflichtungen in eben jedem Mitgliedstaat verknüpft wäre. Die Vereinfachungsregelung soll u.a. dann nicht mehr zur Anwendung kommen, wenn der Erwerber nicht über eine USt-IDNr. verfügt oder nur im Abgangsmitgliedstaat mehrwertsteuerlich registriert ist. In diesen Fällen hat eine umsatzsteuerliche Registrierung im Bestimmungsmitgliedstaat zu erfolgen. Kommt die Vereinfachungsregelung hingegen zur Anwendung, so wird der Endabnehmer über eine gesetzliche Reverse-Charge-Regelung im Bestimmungsmitgliedstaat zum Steuerschuldner für die Inlandslieferung und die beiden innergemeinschaftlichen Erwerbe des Erstabnehmers sowohl im Bestimmungsmitgliedstaat als auch im Mitgliedstaat der verwendeten Registrierung gelten als besteuert.

Sachverhalt

Die Berufungswerberin (im Folgenden: Klägerin), eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in Deutschland, betreibt ein Produktions- und Handelsunternehmen. Sie verfügt über eine deutsche USt-IDNr.. Im Zeitraum Oktober 2012 bis April 2013 verfügte sie zusätzlich über eine österreichische USt-IdNr., die sie ausschließlich als mittlerer Unternehmer in Dreiecksgeschäften verwendete. Sie kaufte Gegenstände bei in Deutschland ansässigen Lieferanten ein und veräußerte diese an einen in Tschechien ansässigen Kunden. Die Waren wurden jeweils vom ersten (deutschen) Lieferanten unmittelbar an den tschechischen Abnehmer versendet.

Die deutschen Lieferanten führte in den Rechnungen an die Klägerin ihre deutsche USt-IdNr. sowie die österreichische USt-IdNr. der Klägerin an. Letztere rechnete gegenüber ihrem tschechischen Kunden unter Verwendung ihrer österreichischen USt-IdNr. und Verweis auf dessen tschechische USt-IdNr. und mit Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes und dem Übergang der Steuerschuld auf den tschechischen Abnehmer ab. Zusammenfassende Meldungen als mittlerer Unternehmer im Dreiecksgeschäft gab die Klägerin für die Monate Oktober bis Dezember 2012 sowie Januar 2013 Zusammenfassende Meldung (ZM) am 08.02.2013  in Österreich ab, in denen sie ihre österreichische USt-IdNr., jene des tschechischen Empfängers sowie die Summe der Bemessungsgrundlagen angab. Die zunächst fehlenden Angaben zu „Dreiecksgeschäften“ im dafür vorgesehenen Feld  wurden durch die Klägerin mit Schreiben vom 10.04.2013 nachgeholt. Gleichsam gab sie Zusammenfassende Meldungen auch für die Monate Februar und März 2013 ab.

Das Finanzamt Graz­Stadt ging davon aus, dass die Klägerin innergemeinschaftliche Erwerbe (in Österreich) bewirkt habe und setzte Umsatzsteuer gegen die Klägerin fest. Nach Auffassung des Finanzamtes haben zwar Dreiecksgeschäfte vorgelegen, die Vereinfachungsregelung kommt aber nicht zur Anwendung.  Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin innergemeinschaftliche Erwerbe in Tschechien getätigt und werde, da sie mit ihrer österreichischen USt-IdNr. aufgetreten ist, zudem zur Erwerbsbesteuerung in Österreich herangezogen, da sie nicht nachgewiesen habe, dass sie ihren Erklärungspflichten in Tschechien nachgekommen ist.

Das Bundesfinanzgericht (Österreich) wies die gegen die Bescheide des Finanzamtes erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts sei strittig ausschließlich die Frage, ob der innergemeinschaftliche Erwerb der Klägerin in Österreich als besteuert gelte. Dies hätte insbesondere zur Voraussetzung, dass die Klägerin (als Erwerberin) ihrer besonderen Erklärungspflicht nachgekommen und in der Zusammenfassenden Meldung auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts hingewiesen hätte. Ein derartiger Hinweis sei jedoch in den ursprünglichen Zusammenfassenden Meldungen nicht erfolgt. Damit sei nach österreichischem Umsatzsteuerrecht (Art. 25 Abs. 2 S. 2 UStG AT) die Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Erwerbs rückwirkend entfallen. Da die österreichische USt-IdNr. der Klägerin zum Zeitpunkt der Zusammenfassenden Meldungen vom 10.04.2013 nicht mehr gültig gewesen sei, sei sie auch hinsichtlich der Zeiträume Februar und März 2013 ihrer Erklärungspflicht nicht nachgekommen.

Vorlagefragen an den EuGH

Das Verfahren wurde ausgesetzt und dem EuGH wurden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Frage 1

Ist Art. 141 Buchst. c) der Richtlinie 2006/112 , von welcher Bestimmung gem. Art. 42 (in Verbindung mit Art. 197) der Richtlinie 2006/112 die Nicht-Anwendung des Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 abhängt, dahin auszulegen, dass die dort genannte Voraussetzung dann nicht erfüllt ist, wenn der Steuerpflichtige in jenem Mitgliedstaat, von dem aus die Gegenstände versandt oder befördert werden, ansässig und für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, auch wenn dieser Steuerpflichtige für den konkreten innergemeinschaftlichen Erwerb die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedstaates verwendet ?

Frage 2

Sind Art. 42 und Art. 265 in Verbindung mit Art. 263 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass nur die fristgerecht abgegebene Zusammenfassende Meldung die Nicht-Anwendbarkeit des Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 bewirkt ?

Zu den Vorlagefragen:

Vorab merkt das Verwaltungsgericht an, dass entgegen der Auffassungen der Klägerin, des beklagten Finanzamtes sowie des Bundesfinanzgericht Zweifel daran bestehen, ob die Vereinfachungsregelung zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft im vorliegenden Fall überhaupt zur Anwendung kommt. Wie sich aus Art. 25 Abs. 1 AT-UStG ergibt, liegt ein Dreiecksgeschäft nur dann vor, wenn drei Unternehmer in drei verschiedenen Mitgliedstaaten über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen. Vorliegend sind aber zwei der drei Unternehmer im selben Mitgliedstaat ansässig, nämlich in Deutschland. Es sei bereits fraglich, ob in diesem Zusammenhang auf die verwendete USt-IdNr. und nicht den Sitz des Unternehmers abzustellen sei – eine Art. 25 Abs. 1 AT-UStG entsprechende allgemeine Definition des Dreiecksgeschäftes sein in der MwStSystRL nicht enthalten.

Hingegen unstreitig liegen innergemeinschaftliche Erwerbe der Klägerin in Tschechien (Art. 40 MwStSystRL) und Österreich (Art. 41 MwStSystRL) vor. Nach Art. 42 MwStSystRL kommt Art. 41 MwStSystRL hingegen dann nicht zur Anwendung, wenn u.a. der Empfänger der Lieferung gem. Art. 197 MwStSystRL als Steuerschuldner bestimmt worden ist. Art. 197 MwStSystRL verweist auf Art. 141 derselben Richtlinie.

Nach Art. 141 MwStSystRL trifft jeder Mitgliedstaat besondere Maßnahmen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der nach Art. 40 MwStSystRL als in seinem Gebiet bewirkt gilt, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn die sodann genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Art. 141 Buchst. c MwStSystRL setzt voraus, dass die vom Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem dieser Steuerpflichtige umsatzsteuerlich registriert ist, versandt oder befördert werden.

Im zugrunde liegenden Fall wurden die Gegenstände nicht nur aus Deutschland versandt, sondern die Klägerin – mit Sitz in Deutschland – ist ebenfalls in Deutschland für Mehrwertsteuerzwecke erfasst.

Daraus leitet sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs ab, dass die vorliegenden Geschäftsvorfälle – im Gegensatz zu der Auffassung der oben genannten Beteiligten im Verfahren – möglicherweise von vornherein keine innergemeinschaftlichen Erwerbe i.S.d. Art. 141 MwStSystRL seien. Wenn dem so sei, wären die in Art. 42 Buchst. a MwStSystRL genannten Bedingungen nicht erfüllt und der innergemeinschaftliche Erwerb wäre gem. Art. 41 Abs. 1 MwStSystRL im Mitgliedstaat der verwendeten USt-IdNr. (Österreich) unabhängig davon zu besteuern, ob der Erwerber der Pflicht zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung nachgekommen ist (Art. 42 Buchst. b MwStSystRL).

Die österreichische Literatur (Schwab in Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur MwSt, 46. Lieferung, Art. 25 Tz 26; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, 508.) stellt hingegen auf die vom Erwerber tatsächlich verwendete USt-IdNr als maßgebliches Kriterium ab.

Nach dem Bericht der Kommission über das Funktionieren der MwSt-Übergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr vom 23.11.1994, KOM (94) 515 endg., wonach es das Ziel der Vereinfachungsmaßnahmen zum Dreiecksgeschäft ist, zu vermeiden, dass sich der Erwerber im Mitgliedstaat der Beendigung der Beförderung/Versendung mehrwertsteuerrechtlich registrieren lassen und eine Steuererklärung abgeben muss, erscheint es dem Verwaltungsgerichtshof nicht schlechthin ausgeschlossen, dass Art. 141 Buchst. c MwStSystRL dahin zu verstehen ist, dass in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige in mehreren Mitgliedstaaten für Mehrwertsteuerzwecke registriert ist, für die Anwendung der Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte entscheidend ist, welche USt-IdNr. der Steuerpflichtige im konkreten Fall verwendet hat.

Frage 2

Mit seiner zweiten Frage begehrt der Verwaltungsgerichtshof Auskunft dahingehend, ob Art. 42, Art. 265 i.V.m. Art. 263 MwStSystRL dahingehend auszulegen sind, dass nur die fristgerecht abgegebene Zusammenfassende Meldung die Nicht-Anwendbarkeit des Art. 41 Abs. 1 MwStSystRL bewirkt.

Entgegen der Auffassung des Finanzamtes und des Bundesfinanzgerichts geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die ursprünglichen Zusammenfassenden Meldungen inhaltlich mangelhaft waren. Die ursprünglichen Zusammenfassenden Meldungen (für die Monate Oktober bis Dezember 2012) wären allerdings gem. Art. 25 Abs. 6 AT-UStG bis Ende Januar 2013 abzugeben gewesen. Tatsächlich erfolge die Meldung jedoch erst am 08.02.2013 und damit verspätet. Damit stellt sich für den Verwaltungsgerichtshof die Frage, welche Rechtsfolge die verspätete Abgabe der Zusammenfassenden Meldungen hat.

Das österreichische Schrifttum vertritt zur Auffassung der Verwaltung die Ansicht, dass ein bereits eingetretener innergemeinschaftlicher Erwerb nicht dadurch wieder entfalle, dass eine Zusammenfassende Meldung verspätet eingereicht werde. Gestützt wird diese Auffassung u.a. darauf, dass nach Art. 42 MwStSystRL der innergemeinschaftliche Erwerb nur dann als besteuert gilt, wenn der Erwerber der Pflicht zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung nachgekommen ist. Wenn jemand jedoch dieser Pflicht nicht rechtzeitig nachgekommen sei, könne eine Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Erwerbs i.S.d. Art. 41 MwStSystRL durch den Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat erzielt werden.

Allerdings hat der EuGH mit seiner jüngsten Rechtsprechung zum Thema der Rechnungsberichtigung klargestellt, dass Art. 167, Art. 178 Buchst. a, Art. 179 und Art. 226 Nr. 3 MwStSystRL einer nationaler Regelung entgegensteht, wonach der Berichtung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe keine Rückwirkung zukomme (EuGH, Urt. v. 15.09.2016, C-518/14, Senatex). Dem Verwaltungsgerichtshof erscheint es daher nicht ausgeschlossen, dass diese Erwägungen des EuGH auch auf die Frage der Nachholung einer Zusammenfassenden Meldung übertragbar sind.

Praxishinweis

Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften stellt Unternehmen regelmäßig vor rechtliche und praktische Herausforderungen. Fehler in der Bewertung – und damit „verunglückte“ Dreiecksgeschäfte, wie der Verwaltungsgerichtshof ausführt – können für Unternehmen massive finanzielle Auswirkungen durch Nachholung einer etwaigen Registrierung im Bestimmungsmitgliedstaat als auch durch Entrichtung von Strafzuschlägen zur Umsatzsteuer haben. Auf der anderen Seite bietet sich aber auch großes Potenzial für Einsparungen.

Das FG München hatte mit Urt. v. 16.07.2015, 14 K 1813/13 zu einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft bereits entschieden, dass zur Anwendung der Vereinfachungsregelung formelle Anforderungen maßgeblich und gem. Art. 141 MwStSystRL zwingend auf die Übertragung der Steuerschuldnerschaft in der Rechnung des mittleren Unternehmers an den Endabnehmer hinzuweisen sei. Anderenfalls komme die Vereinfachungsregelung nicht zur Anwendung. 

Nunmehr ist der EuGH gefordert, über die weiteren Anforderungen an ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft zu entscheiden. Sowohl die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen bei Ansässigkeit des Ersterwerbers im Dreiecksgeschäft im Abgangsmitgliedstaat als auch die Frage nach der Übertragbarkeit der durch den EuGH gesetzten Maßstäbe zur Rechnungsberichtigung auf die Nachholung einer Zusammenfassenden Meldung sind sehr praxisrelevant und dürfen mit Spannung erwartet werden.

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