BFH zur Anwendbarkeit der Margenbesteuerung bei der Erbringung von Reiseleistungen

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 20.03.2014, V R 25/11, von einem Hotelier ausgeführte Verpflegungsleistungen sind Nebenleistungen zur Übernachtungsleistung

Anwendbarkeit der Margenbesteuerung bei der Erbringung von Reiseleistungen

Praxisproblem

Erbringt ein Unternehmer eine Reiseleistung, stellt sich für ihn die Frage, ob diese Reiseleistung in Deutschland  nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar ist, und wenn ja, in welchem Umfang. Es ist zu überprüfen, ob der Ort der Leistung im Inland gelegen ist und welche Leistungen Nebenleistungen der Übernachtungsleistungen sind. Zudem ist zu beurteilen, ob die Margenbesteuerung nach § 25 UStG greift. Hierbei ist insbesondere problematisch, dass die nationale Vorschrift von der MwStSystRL abweicht.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, welche im Streitjahr 2006 Leistungspakete zusammenstellte und diese an Busreiseunternehmen verkaufte. Diese boten ihrerseits Pauschalreisen an. Die Leistungspakete der Klägerin beinhalteten neben Übernachtungsleistungen mit Verpflegung, Halb- oder Vollpension, auch ergänzende Leistungen für im Ausland gelegene Hotels.

Die Klägerin berechnete, dass 2/3 der Leistungen auf den Hotelbereich und 1/3 auf die ergänzenden Leistungen entfielen. Zudem wurden 12,5 % der Aufwendungen dem Bereich der Verpflegung zugerechnet, die restlichen 87,5 % waren dem Bereich Übernachtung zuzurechnen.

Für die Umsatzsteuererklärung 2006 behandelten die Klägerin und das Finanzamt die erbrachten Verpflegungsleistungen der Hotels zunächst als steuerbar und steuerpflichtig. Später beantragte die Klägerin mit Verweis auf das BFH-Urteil v. 15.01.2009, V R 9/06, die Verpflegungsleistungen als Nebenleistungen zu Übernachtungsleistungen zu behandeln. Diese seien demnach gem. § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG 2005 in Deutschland nicht steuerbar.

Das Finanzamt lehnte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass die streitigen Verpflegungsleistungen selbstständige Leistungen seien. Ihr Leistungsort bestimme sich somit nach § 3a Abs. 1 UStG. Das Urteil des BFH könne im vorliegenden Fall nicht angewendet werden.

Die Sprungklage hatte Erfolg. Das Finanzamt legte Revision ein.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück. Zu Recht war das FG davon ausgegangen, dass es sich bei den Verpflegungsleistungen, welche von der Klägerin erbracht wurden, um Nebenleistungen zur Unterbringung handelte. Diese Nebenleistungen waren gem. § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG im übrigen Gemeinschaftsgebiet am Belegenheitsort des jeweiligen Hotels steuerbar.

Erbringt ein Hotelunternehmer Dienstleistungen, bspw. Verpflegungsleistungen, die gewöhnlich mit Reisen verbunden sind, im Vergleich zu den Umsätzen aus der Unterbringung nur einen geringen Teil des pauschalen Entgelts ausmachen und weiter zu den traditionellen Aufgaben eines Hoteliers gehören, dann stellen diese Dienstleistungen für die Kundschaft lediglich das Mittel dar, um die Hauptdienstleistung des Hoteliers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Daraus ergibt sich, dass sie zu den von § 4 Nr. 12 UStG umfassten Nebenleistungen gehören und gem. § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG am Belegenheitsort des Hotels ausgeführte Übernachtungsleistungen sind.

Vorangehend hat der Senat mit Urteil v. 15.01.2009, V R 9/06 bereits entschieden, dass es sich bei den Verpflegungsleistungen um Nebenleistungen zur Hotelunterbringung handelt. Trotz des ergangenen Nichtanwendungserlasses des BMF hält der Senat an diesem Urteil fest, zumal sich der XI. Senat des BFH mit Urteil v. 03.06.2009, XI R 34/08 dieser Auffassung angeschlossen hat.

Der BFH erläutert ferner, dass gegen die Annahme einer Nebenleistung nicht spreche, dass die Übernachtungsleistung ebenso exkl. Verpflegung in Anspruch genommen werden könne. Die Leistungen müssten nicht derart miteinander verbunden sein, dass sie nur gemeinsam erbracht werden können. Es ist vielmehr zu überprüfen, inwieweit die zu beurteilende Leistung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers im Hinblick auf die Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr „eng“ im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt (vgl. BFH, Urt. v. 15.01.2009, V R 91/07).

Da die Klägerin die Leistungen an andere Unternehmer erbracht hat (sog. Kettengeschäfte), ist § 25 UStG nicht anzuwenden. Im Sinne der Vorschrift werden nur Reiseleistungen berücksichtigt, welche nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers erbracht werden.

Zwar hat der EuGH mit Urteil v. 26.09.2013, C-189/11, Kommission/Spanien entscheiden, dass Art. 26 der 6. EG-Richtlinie über die Margenbesteuerung bei der Erbringung von Reiseleistungen unabhängig von der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers anzuwenden ist. Jedoch hat sich die Klägerin nicht auf das Unionsrecht berufen, sodass es bei der Anwendung der nationalen Vorschriften verbleibt.

Praxishinweis

Der BFH bestätigt hier die Abweichung der nationalen Vorschrift (§ 25 UStG) von der MwStSystRL. Jedoch stellt er ebenso klar, dass der Steuerpflichtige sich nicht auf das Unionsrecht berufen muss, sondern ein Wahlrecht hat, und somit die ggf. für den Steuerpflichtigen günstigeren, nationalen Vorschriften gelten. Für den Steuerpflichtigen ist demnach bei solchen Abweichungen zu überprüfen, welches Recht für ihn günstiger ist.

Ferner wird klargestellt, dass die Verpflegungsleistungen Nebenleistungen zu den Übernachtungsleistungen darstellen. Mit diesem Urteil bezieht sich der BFH allerdings nur auf die Bestimmung des Leistungsorts. In seinem Urteil v. 24.04.2013, XI R 3/11 hatte der BFH zuvor entschieden, dass Verpflegungsleistungen im Gegensatz zu Übernachtungsleistungen nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Daraus ergibt sich die Frage, inwieweit sich eine unterschiedliche Abgrenzung der Haupt- und Nebenleistung bei der Ortsbestimmung und zur Bestimmung des Steuersatzes halten lässt. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH damit umgeht.